[>>>> Vladar und Hagen spielen Schumann.
10.22 Uhr.]
10.22 Uhr.]
Eine gute Nachricht, zu >>>> Argo, über die ich einer Sperrfrist wegen noch nix sagen darf. Dafür aber, dies schrieb ich vorhin >>>> Albert Meier, zur Lesung gestern abend:
Hier, heute in Wien, is‘ auch nix italienisch grad, lieber Albert Meier. Bin auch ganz unitalienisch zerstört nach zwei Nächten à zwei Stunden, na gut, zweieinhalb Schlafs. Auch der Hotelkaffee hat noch nix von italienischem Caffè gehört, wiewohl die türkische Kaffeekultur gleich drei Straßen weiter, zum Beispiel im >>>> Hawelka, ganz eigene Blüten hervorgebracht hat, große, farbige, denen man gern in die Tassen hineinsieht.
War eine sehr schöne Lesung in der Alten Schmiede, berühmter Ort, sehr gegenwärtiges Publikum; Puff-Trojan, der hier moderierte, war ausgesprochen vorbereitet, und weil sein Text sehr lang war, haben wir eine Mischung aus Vortrag und Lesung gemacht, der eine immer wieder dem anderen, und vice versa, ins Wort fallend; das ging so weit, daß er sogar, >>>> Puff-Trojan, Herbst-Stellen las und ich die dann kommentierte, causierend, hätte Fontane, lebte er denn noch, gesagt, ausholend aus der Idee des Romans erzählend usw. Die Leute blieben sitzen und sitzen und stellten dann tatsächlich kluge gebildete, ja leidenschaftliche Fragen: Es ging um Ästhetisierung von Gewalt, überhaupt die Rolle von Gewalt, Wieso da die Schönheit? zum Beispiel, um das Mitschreiben der Welt während des Entstehungsprozesses eines Romans, also Einlösung einer der nachdrücklichen Forderungen der jungen Moderne – insofern ist Ihrem „postmodern/nachpostmodern“ ein „vorpostmodern“ noch beizugeben, und überhaupt: wieso „episch“, Welche Rolle spielt der Goethe (Achillëis) in Argos ästhetischem Umfeld? usw. Dann die ganz-konkreten Lebensbeigaben, Kinder, Vater-Sohn-Gespräch usw. – das Ganze hochlebendig in Rede und Gegenrede und Frage und Gegenfrage. So etwa könnten wir das vielleicht auch in Kiel hinbekommen.Und abgeschlossen habe ich mit einem, aus einem anderen Buch, Gedicht.
Was ich erzählen möchte und damit anregen: daß wir die Trennung von Lesung und Einführung, Moderation, Gespräch eben n i c h t machen, sondern eines das je andere durchdringen lassen. Dadurch ergibt sich für das Publikum nie eine Leerstelle, das heißt, es entsteht Spannung wie bei einer g u t e n Talkshow, deren Teilnehmer selbst auch je die Moderatoren sind. Und dennoch steht immer der Romantext im Raum, ja wird viel präsenter, als würde „bloß“ vorgetragen, eben weil man die Konzentration der Hörer:innen sozusagen springend bündelt.
Wen, bei alledem, wundert es, daß heute morgen, da ich im Speiseraum saß und mich von der dann gestern noch gefolgten Langnacht zu sammeln versuchte – ich war zu benommen, um wirklich zu erschrecken – die beiden >>>> Läuterungsengel, der weibliche mit sehr langem hellblonden Zopf, draußen um die Ecke schritten und immer noch so taten, daß nicht ich das Ziel ihrer observierenden Patrouille, sondern völlig amateurhaft simulierten, nach Falschparkern Ausschau zu halten. Nein, sie konnten mich nicht täuschen. Zumal gestern nach der Lesung eine Netzfrau, die aber ziemlich konkret ist, zu einer andern nicht minder konkreten bemerkte, sie habe sich meinetwegen nur einen Fuß lackiert, was für sie, gegen mich, sozusagen der Schutzschild sei: Man, also frau, entkleide sich dann nicht. Das war, an sich, betrüblich, doch sowieso nirgends nahe ein Raum, jedenfalls keiner ohne Kronen-Zeitung – ohne Läuterungsengel aber schon gar nicht. Die schwebten dauernd über mir, die Hand an Michaels Pistole. Insofern war es gut, daß ich gestern eine Kerze im Stephansdom entzündet und außerdem sechs Minuten lang der Messe zugehört habe.
Ach, Sie finden das kryptisch, was ich schreibe? Die beiden Engel sicher nicht. Jaja, ich hab Euch gut im Auge!
Wien macht etwas mit mir. Gefällt mir gerade gut, die Stadt. Dennoch muß ich unterbrechen, weil ein Veranstalter, per elektronischer Post, einen Titel einmahnt, den ich mir jetzt auszudenken habe. Es soll ein seriöser Vortrag werden; dabei bin ich so furchtbar unernst jetzt. Wean, du bist a Taschenfeidel vun oaner Putzmadam.
*******
(Man muß nur in der richtigen Stimmung sein: Danke dem lackierten Fuß!):
ANH
Näher, mein Wort, zu Dir!
Bemerkungen eines Ketzers zur Dichtung, zum Buch als Fetisch und Ware
und zur Freiheit des Wortes im Netz.
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War eine sehr schöne Lesung in der Alten Schmiede, berühmter Ort, sehr gegenwärtiges Publikum; Puff-Trojan, der hier moderierte, war ausgesprochen vorbereitet, und weil sein Text sehr lang war, haben wir eine Mischung aus Vortrag und Lesung gemacht, der eine immer wieder dem anderen, und vice versa, ins Wort fallend; das ging so weit, daß er sogar, >>>> Puff-Trojan, Herbst-Stellen las und ich die dann kommentierte, causierend, hätte Fontane, lebte er denn noch, gesagt, ausholend aus der Idee des Romans erzählend usw. Die Leute blieben sitzen und sitzen und stellten dann tatsächlich kluge gebildete, ja leidenschaftliche Fragen: Es ging um Ästhetisierung von Gewalt, überhaupt die Rolle von Gewalt, Wieso da die Schönheit? zum Beispiel, um das Mitschreiben der Welt während des Entstehungsprozesses eines Romans, also Einlösung einer der nachdrücklichen Forderungen der jungen Moderne – insofern ist Ihrem „postmodern/nachpostmodern“ ein „vorpostmodern“ noch beizugeben, und überhaupt: wieso „episch“, Welche Rolle spielt der Goethe (Achillëis) in Argos ästhetischem Umfeld? usw. Dann die ganz-konkreten Lebensbeigaben, Kinder, Vater-Sohn-Gespräch usw. – das Ganze hochlebendig in Rede und Gegenrede und Frage und Gegenfrage. So etwa könnten wir das vielleicht auch in Kiel hinbekommen.Und abgeschlossen habe ich mit einem, aus einem anderen Buch, Gedicht.
Was ich erzählen möchte und damit anregen: daß wir die Trennung von Lesung und Einführung, Moderation, Gespräch eben n i c h t machen, sondern eines das je andere durchdringen lassen. Dadurch ergibt sich für das Publikum nie eine Leerstelle, das heißt, es entsteht Spannung wie bei einer g u t e n Talkshow, deren Teilnehmer selbst auch je die Moderatoren sind. Und dennoch steht immer der Romantext im Raum, ja wird viel präsenter, als würde „bloß“ vorgetragen, eben weil man die Konzentration der Hörer:innen sozusagen springend bündelt.
Wen, bei alledem, wundert es, daß heute morgen, da ich im Speiseraum saß und mich von der dann gestern noch gefolgten Langnacht zu sammeln versuchte – ich war zu benommen, um wirklich zu erschrecken – die beiden >>>> Läuterungsengel, der weibliche mit sehr langem hellblonden Zopf, draußen um die Ecke schritten und immer noch so taten, daß nicht ich das Ziel ihrer observierenden Patrouille, sondern völlig amateurhaft simulierten, nach Falschparkern Ausschau zu halten. Nein, sie konnten mich nicht täuschen. Zumal gestern nach der Lesung eine Netzfrau, die aber ziemlich konkret ist, zu einer andern nicht minder konkreten bemerkte, sie habe sich meinetwegen nur einen Fuß lackiert, was für sie, gegen mich, sozusagen der Schutzschild sei: Man, also frau, entkleide sich dann nicht. Das war, an sich, betrüblich, doch sowieso nirgends nahe ein Raum, jedenfalls keiner ohne Kronen-Zeitung – ohne Läuterungsengel aber schon gar nicht. Die schwebten dauernd über mir, die Hand an Michaels Pistole. Insofern war es gut, daß ich gestern eine Kerze im Stephansdom entzündet und außerdem sechs Minuten lang der Messe zugehört habe.
Ach, Sie finden das kryptisch, was ich schreibe? Die beiden Engel sicher nicht. Jaja, ich hab Euch gut im Auge!
Wien macht etwas mit mir. Gefällt mir gerade gut, die Stadt. Dennoch muß ich unterbrechen, weil ein Veranstalter, per elektronischer Post, einen Titel einmahnt, den ich mir jetzt auszudenken habe. Es soll ein seriöser Vortrag werden; dabei bin ich so furchtbar unernst jetzt. Wean, du bist a Taschenfeidel vun oaner Putzmadam.
(Man muß nur in der richtigen Stimmung sein: Danke dem lackierten Fuß!):
Näher, mein Wort, zu Dir!
Bemerkungen eines Ketzers zur Dichtung, zum Buch als Fetisch und Ware
und zur Freiheit des Wortes im Netz.