Der Freitod im Untriest 38. Sonntag, der 1. März 2015: Dem Frühjahrserwachen entgegen.


Arbeitswohnung, 8.20 Uhr
Händel, The Triumph of Time and Truth

Eigentlich, Geliebte,

habe ich, glaubte ich, >>>> dort genug gesagt, aber jetzt, soeben am Schreibtisch Platz genommen, finde ich >>>> das da, habe dem Kommentator/der Kommentatorin auch gleich geantwortet, aber, fühle ich, das reicht nicht. Denn es geht nicht um eine, wie Frau oder Herr schaakej schreibt, „Glorifizierung des Freitods“, sondern um etwas, das zu den Menschenrechten gehört und deshalb auch den bereits niedergeschriebenen dringend hinzuzufügen ist. Dabei ist sogar ganz nebensächlich, daß es dann nicht mehr zu den beklagenswerten und andere oft lebenslang schädigenden Akten kommen würde, in denen sich Verzweifelte vor Züge werfen. Sondern erst, wenn wir die Möglichkeit auch juristisch zugestanden bekommen, Art und Zeitpunkt unseres Ablebens selbst zu bestimmen, läßt sich ein menschengemäßer, das heißt selbstbewußter Umgang mit dem Tod finden und er sich als ein Teil unseres Lebens wirklich in es integrieren, anstelle daß er permanent verdrängt und an einen Rand geschoben wird, den man möglichst nicht ansieht. Auch erst dann könnte von einem verantwortlichem Umgang mit ihm gesprochen werden. Wer sich vor einen Zug wirft, ist bereits derart leidbesetzt, daß alle Kategorien keine Rolle mehr spielen und auch nicht mehr spielen können, weder, was den erbarmenswerten Lokführern angetan wird, noch, was wir unseren Verbliebenen antun. Daß überhaupt noch bei solchen Selbstmördern moralische Kategorien ins Feld geführt werden, zeigt nicht nur, wie empathielos die Urteilenden sind, sondern vor allem, daß sie tatsächlich glauben, über das Leid verfügen zu können – eine Hybris, die den Tod-selbst sich verfügbar zu machen glaubt, indem es ihn wie irgend ein Ding, nämlich eine Ware, dort- und dahin stellen und umstellen zu können vermeint. Es ist dies der Ausdruck tiefster Entfremdung, nämlich des fremdbestimmten Zugerichtetseins als längst schon selbst ein Ding.
Daran haben die Religionen, und zwar in ihren kirchlichen oder kirchenartigen Erstarrungen, einigen Anteil; es geht letztlich um Macht und Machtausübung. Auch wären, wäre der Freitod frei, die weltlichen Gerichtsbarkeiten eingeschränkt, und damit wäre es die (politische) Menschenführung. Genau davor haben Machthaber Angst, auch wenn es sich um demokratisch abstrahierte handelt, also um Instanzen.
Ich denke seit nunmehr vier Jahren über den Tod nach, nein, übers Sterben – seit >>>> meiner ersten Kreuzfahrt, auf der mir, am Tag nach Lissabon, die Idee des Traumschiffs kam, meines von mir so genannten Sterbebuches, das nun im Herbst erscheinen wird. Und ich bin dankbar, daß ich mich so früh damit beschäftige, in einer Zeit, in der ich noch völlig gesund bin, ja sogar noch in Saft und Wille stehe; sei, Geliebte, versichert, daß ich meine Entscheidungen getroffen haben werde, bevor mich Krankheit oder Verwirrung dazu unfähig machen. Aber schon neun Jahre vorher, als ich die >>>> Bamberger Elegien schrieb, mein Hohelied auf das Leben, wurde der Gedanke an den Tod zentral:


„Damals“ war ich zweiundfünfzig und anders als heute noch nichts, das für mich endete, in Sicht. Interessant – und bezeichnend – ist, daß irgendwann die pure Zahl bedeutend zu werden beginnt: Mit sechzig schließen sich objektiv Türen, egal, in welcher körperlichen Verfassung man sich befindet, ob man jünger aussieht und insgesamt wirkt, als man ist, und egal auch, ob man objektiv noch die Kraft, Lust und die Willensenergie eines, sagen wir, Vierzigjährigen hat. Das liegt einerseits an der gesellschaftlichen Bestimmtheit, der wir ausgesetzt werden, andererseits aber auch an der sich zunehmend erhöhenden Wahrscheinlichkeit kommender Schwächung. Dies bestimmt zum Beispiel die Möglichkeit neuer Paarbeziehungen, geschweige einer Familiengründung, bestimmt aber auch insgesamt die soziale Stellung, und zwar alleine über Erwartungen. Gerade diejenigen, die sich dessen früh bewußt werden, werden so aber in die Lage versetzt, sich auf das Extremste einzustellen, das wir kennen, bzw. überhaupt dazu Verhältnis und Verhalten zu entwickeln. Mir selbst scheint der Freitod, wenn einen nicht die Gnade eines plötzlichen Todes fällt, die menschlichste „Lösung“ zu sein, aber einer eben, die nicht in Heimlichkeit vollzogen wird, sondern über die man sich mit den Liebsten bespricht – ob nun in zehn Jahren oder erst in zwanzig oder dreißig, in jedem Fall zu einem Zeitpunkt und in einem Raum, über die man noch selbst ermächtigt ist. Den Freitod „verbieten“ zu wollen, ist, wiewohl vor Hilflosigkeit an sich schon bizarr, der Versuch, noch unser Sterben fremdzubestimmen; demente Menschen sind nicht von Ungefähr regredierte. Sie sind es nicht nur aus physischen, sondern vor allem auch aus gesellschaftlichen Gründen, die ihnen gar nichts übrigließen, als es so weit kommen zu lassen, sofern sie sich nicht irgendwann über sie erhoben.
Ich spreche auch vom Stolz, Geliebte. Ich spreche von einem Menschenbild, das die Selbstbestimmtheit will, Freiheit. Sie werden wir auch insgesamt erst erlangen, wenn wir wissen, wie wir mit unserem Tod umgehen wollen, und wenn wir unsere Haltung auch umsetzen können. Allein der Aufwand, sich auf dem Schwarzmarkt eine Waffe zu besorgen, ist eine gehässige Zumutung der Unmenschlichkeit, mal abgesehen davon, daß man finanziell „flüssig“ genug sein muß – sowieso, wenn man die organische Lösung möchte, die etwa in der Schweiz möglich ist. Bisher handelt es sich in jedem Fall um einen kriminalisierten Umgang im Hinterzimmer. Immer wieder Heimlichkeit, anstelle, daß wir offen sagen können, nun ist es gut, und es mit unseren Liebsten besprechen. Denn selbstverständlich hätte ich es gerne, wenn in meinen letzten Minuten die, die ich liebe und die mich lieben, bei mir wären, um mich, wie ich in meiner Antwort schrieb, an die Tür zu geleiten.
Es ist ja in aller Regel falsch, daß der Tod sehr plötzlich käme; wahr ist, daß er sich einschleicht und wir ihn anfangs gar nicht bemerken. Doch irgendwann, sind wir hellhörig und wollen wir‘s auch sein, vernehmen wir die Schritte. Zu sterben ist ein sehr langsamer Prozeß, der sich aber zunehmend beschleunigt – so, wie einem die Jahre zunehmend schneller vergehen, je älter wir werden. Für Kinder ist eine Stunde eine oft unüberblickbare Spanne, Älteren verf l i e g e n die Jahre. Jede und jeder kennt das. Wollte ich heute noch einmal etwas wie Anderswelt schreiben, wäre ich bei Fertigstellung siebenundsiebzig.
Nein, meine Nahste, ich schaue nicht zurück, sondern nach wie vor voran. Genau aber deshalb wurde der Tod ein Thema und aber nicht er, sondern die Frage, wie möchte ich hinübergehen? – wobei mir gleichzeitig klar ist, wie euphemistisch diese Formulierung ist. Denn wir haben vom Tod keine Kenntnis, schon das Wörtchen „hinüber“ hat etwas Lächerliches. Wohl aber haben wir Kenntnis vom Sterben und müssen es, wenn wir nur wollen, gestalten dürfen.
Ich möchte es tun, wie ich lebte und hoffentlich noch lange weiterleben darf: als niemandes Diener und niemandes Herrn – ungehorsam in dem leidenschaftlichen Sinn dieses Wortes. Die Idee des Freien Menschen habe ich niemals verraten. Alleine aus ihr resultiert unsere Würde, eine physikalisch fiktive, mag sein, aber, indem man sie nicht beugt, eine der Kunst – der mithin menschlichsten Entäußerung von Welt, die wir kennen, und ihre Miterschaffung.

Sei in den Arm genommen:
Alban

Und jetzt arbeite ich an den Triestbriefen weiter.

12 thoughts on “Der Freitod im Untriest 38. Sonntag, der 1. März 2015: Dem Frühjahrserwachen entgegen.

    1. In der Süddeutschen Zeitung ist, wenn sich denn der Bericht über einen Suizid nicht vermeiden läß, unter dem Artikel immer der Hinweis zu finden, man berichte nur ausnahmsweise mal über Selbstmorde, um nicht etwa Nachahmungstaten zu bewirken. Dazu die Notfalltelefonnummer für Nachahmungsversuchte. Über Morde allerdings wird schon berichtet, auch über Mißbrauch, Folter, Kriegsgräuel, Amokläufe … Warum diese Ausnahme also ausgerechnet beim Thema Selbsttötung? (Weil ein Suizid oft den öffentlichen Nah- und Fernverkehr stört?)

    2. Ja, exakt aus diesem Grund, um Nachahmungstaten zu verhindern. Unter Journalisten hat sich ein Presseethos etabliert, zurückhaltend über Suizide zu berichten. Wegen des sogenannten Werther-Effekts: In der Vergangenheit haben Suizide nach einer offenen Berichterstattung zugenommen. So hat sich nach Bahnangaben die Zahl der täglichen Schienensuizide nach der Selbsttötung von Robert Enke deutlich erhöht. Die Deutsche Bahn und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer einigten sich letztes Jahr auf neue Regelungen für Lokführer. Diesen soll ihr volles Gehalt weitergezahlt werden, wenn sie, traumatisiert durch einen Schienensuizid, berufsunfähig sind. Es ist legitim, vor diesem Hintergrund nicht zu berichten.

    3. @Joachim Grafe. Ich danke Ihnen sehr für diese Erklärung und finde die neuen Regelungen mehr als nur gut, auch wenn sie die seelische Pein der Betroffenen nur ökonomisch erleichtern können. Gäbe es eine auch juristisch besiegelte Freiheit der Einzelnen im Umgang mit ihrem eigenen Leben, also auch Sterben, würde es zu dieser Pein aber gar nicht erst kommen, zumindest wahrscheinlich in weitaus geringerem Maß. Es sind Verzweifelte, die sich so töten; kein rationalisierendes Argument verfängt hier. Wir sollten das niemals vergessen und ihrer Verzweiflung zugestehen, daß sie einen Weg finden, sich von ihr zu erlösen – einen menschlichen, der nicht geradezu notwendigerweise andere Menschen mit in den Abgrund zieht.
      Nota”bene” halte ich es für eine Symptombetrachtung, daß Selbsttötungen nach Berichterstattung über sie zunehmen; man tötet sich nicht wegen eines Berichts, sondern aus tiefliegenden Gründen. Was die Berichterstattung dazu beitragen mag, ist, daß überhaupt eine Lösung gesehen wird, gegen die bislang ein Tabu stand – also etwas, das prinzipiell Eigenentscheidungen verhindern und Gefolgschaft garantieren soll, auch bei schwerstem Leid. Insofern ist diese ganze Diskussion eine im Innersten politische.

  1. @ANH Es freut mich, dass mein gestriger Kommentar, aus einer Verfassung veritabler Entrüstung geschrieben und daher sicherlich alles andere als stringent durchdacht, Sie durchaus so sehr provoziert zu haben scheint, dass Sie sich hier noch einmal ausführlicher zu äußern gezwungen sehen. Natürlich glorifizieren Sie den Alterssuizid insofern, als Sie mit Ihrer erstaunlichen Präsupposition, ein solcher Freitod wäre in Deutschland “verboten” und gleichsam eine Handlungsoption, “die uns allen zu wünschen wäre”, suggerieren, hierbei handle es sich um einen Akt singulären Mutes und bewundernswerter “Aufrichtigkeit”, der dann natürlich auch kategorische Vorbildfunktion annehmen müsste. Dass Sie sich dabei mitunter genötigt fühlen, ad hominem zu argumentieren und mich an die Seite von “Unmenschen” zu platzieren, zeigt indes, bei allem Respekt, wie schwach Ihre Position doch eigentlich ist.

    1. @schaakej zum “Kategorialen”. Ob es sich bei einem “Alterssuizid” um einen Akt singulären Mutes handelt, vermag ich nicht zu sagen. Ich stehe vor einer solchen Entscheidung (noch) nicht, kann mir aber denken, daß einiger Mut dazugehört, zumal wenn ein wirkendes Leiden noch nicht eingetreten ist, dessen Eintritt uns aber später, etwa bei Alzheimer, ein eigenes Entscheiden unmöglich machen würde. Daß ich Sie an die Seite von “Unmenschen” positioniere, ist hingegen ein Reflex auf wiederum Ihre eigene Positionierung, die gegen mich moralisch einsprach. Wir sind hier schlichtweg verschiedener Meinung. Es sei Ihnen dabei unbenommen, Ihr eigenes Leben in der Erbärmlichkeit zu beenden, die sich in der Tat auf vielen Krankenstationen erleben läßt; allerdings verwahre ich mich, mir eine andere Entscheidung verbieten zu lassen. Ein solches Verbot besteht faktisch, indem prinzipiell schnell erhältliche Mittel, die ein menschliches Sterben erleichterten, unzugänglich gemacht werden – oder, wie Raddatz >>>> in dem von Faure verlinkten Artikel, beißend genau zeigt, ohne Schwierigkeit oder gar Kriminalisierung nur solchen Leuten zugänglich sind, die ohnedies zu den – so oder so – Begüterten gehören. – Nebenbei bemerkt, gehört ganz sicher mehr “Mut” dazu, sich vor einen ICE zu werfen oder vom Hochhaus zu stürzen, als Tabletten zu nehmen. Diese Möglichkeit haben wir freilich alle: ein Cocktail aus Schlaf- und Anti-Brechmitteln genügt, aber schon, daß wir hier “mischen” müssen und irgendwie die richtige Dosis abschätzen, was eben auch schiefgehen kann, ist unwürdig und endet nicht selten zum Magenauspumpen im Krankenhaus mit sich möglicherweise anschließender “Sicherungs”-Psychiatrie. – Übrigens geht es mir in meiner Einlassung nicht nur um den “Alterssuizid”; es kann viele – berechtigte – Gründe geben, bereits sehr viel früher aus dem Leben zu scheiden.
      Mir geht es vor allem um Würde. Wer je eine Sterbestation sah, weiß genau, daß es Würde dort nicht mehr gibt. Auch ein Hospiz ist letztlich würdelos: Man sieht die Wände an oder, um sich “abzulenken”, in den Fernseher und warte darauf, daß es zuende geht. Ich hingegen will dort sterben, wo ich daheim bin, ob nun in den eigenen vier Wänden oder am Meer, ob in einer Dschungel oder auf dem Vulkan. Und ich würde mir gern, wenn es so weit ist, den Ring vom Finger ziehen und ihn in die Hand meines Sohnes legen, anstatt ihn ihm, wie mein Vater tat, in einem Biefumschlag nachzulassen. Ich will ihn ansehn dabei – und die mir liebsten Menschen.

    2. anh,

      wenn ich ihen mitteile, dass sie kein hater sind werden sie sicherlich weich.
      sollten sie allerdings dies zum anlass nehmen, härter zu werden – was einleichtes zu sein scheint – so sei dies doch vergeblich liebesmüh :

      sollte es eine liebe zum leben geben, so doch nur eine liebe der illusion : eine liebe dem schlachterdasein, welche ist.

      jederzeit.

      der freitod ist jederzeit mutig – selbst wenn der freitötende jedwede aufräumarbeit an die kadaververwertbartkeitsebene, welche insolvenzen nicht explizit ausschliesst, abgibt.

      der freitod ist die apokalipse der individualexistenz.

    3. die schuld ist an dem nichtfreiseienden willen festzumachen.

      die schuld ist gesamtschuld, welche sich irgendwie blind ist, eine blindschuld.

      frauman müssen sehen lernen, trotz blindheit.

      keine leichte exercitie.

    4. @ANH Gerne möchte ich Ihnen noch einmal antworten, nachdem ich in der Zwischenzeit einige Anregungen, journalistische wie medizinische sammeln konnte. Zunächst: Auch in der letzten Replik Ihrerseits empfinde ich den Tonfall als verletzend, wenn Sie mir zugestehen wollen, mein “eigenes Leben in der Erbärmlichkeit zu beenden, die sich in der Tat auf vielen Krankenstationen erleben läßt”. Und das, weil ich es anscheinend gewagt habe, gegen Sie, nein, in erster Linie ihre Positionierung, “moralisch einzusprechen”. Das will mir nicht in den Kopf – dass Sie da mit solchen Kanonen auf Ihre Kommentarspatzen schießen müssen, zumal ich Ihnen wirklich nichts Böses will. Aber es hat trotz aller berechtigter Kritik am anonymen Kommentarverhalten in Online-Foren eben auch an manchen Stellen etwas Sinnvolles, in Situationen wie dieser hier tendenziell anonym bleiben zu wollen (es gibt ja auch Mischwege, bei denen man sein Visier ein Stück weit hochklappt, um die Sichtverhältnisse zu prüfen).
      Ich stimmte Ihnen hinsichtlich des assistierten Suizids insofern zu, als dass der Diskurs um Sterbehilfe in Deutschland immer noch nicht in ausreichendem Maß geführt worden ist, um über eine juristische Grauzone hin zu klaren ethischen Richtlinien für Patienten und Ärzte zu gelangen. Allerdings scheinen Sie die Rechtslage hinsichtlich passiver Sterbehilfe in Deutschland nicht zu kennen. Diese ist nämlich der in der Schweiz durchaus vergleichbar, will heißen: Auch hier ist assistierter Suizid je nach Bundesland genauso rechtlich möglich wie in der Schweiz und wird von vielen Ärzten, die sich zum größten Teil dazu allerdings öffentlich niemals bekennen würden, regelmäßig praktiziert. Sie können das beispielsweise recht eindrücklich und in vermutlich selten so prägnant dargestellter Form im Wissenschaftsressort der “Zeit” der vorletzten Woche nachlesen.
      Was mich an der Debatte vor allem aber stört, ist die hysterische Übersteigerung, mit der sie von Ihnen und anderen hier und anderswo geführt wird. Darin ist sie von der Form her nicht unähnlich dem narzisstisch-persönlichkeitsgestörten Affektverhalten von Leuten, die mit allen Mitteln die öffentliche Inszenierung ihres Suizids möglichst glanz- und effektvoll und im Sinne einer finalen Äußerung zu eben demselben Sterbehilfe-Diskurs zu gestalten suchen, dem sie sich selbst durch ihren persönlich Schlussstrich in der denkbar pathologischsten Manier des Besserwissens für alle Ewigkeit entziehen. In meinen Augen tun Journalisten gut daran, solchen Menschen zumindest bei derartigen theatralisch-histrionischen Selbst-Apotheosen kein Forum zu bieten. Welche gesellschaftliche Implikation sollte es denn bedeuten, käme es zur allgemein akzeptierten Norm, man könne – individualisiert und leistungsorientiert bis zuletzt – sein Leben sozusagen prophylaktisch beenden, wenn möglicherweise die Aussicht besteht, dasselbe nach den gleichen Maßstäben von Lust, Genuss und Potenz als Arbeits- wie Privatmensch in einiger Zeit aus Altersgründen nur noch (und wie auch immer) bedingt fortsetzen zu können? Das heißt in einer Lebenssituation, in der Krankheit, Behinderung, Altersschwäche oder Pflegebedürftigkeit eigentlich noch gar keine Rolle spielen, aber am nicht mehr ganz so fernen biographischen Lebenshorizont als hypothetisch bedrohlich wahrgenommen werden. Erstens käme eine solche letztlich gesundheitspolitische Norm einer fahrlässigen Abqualifizierung solcher Fälle von (passiver) Sterbehilfe gleich, in denen tatsächliche, also bereits real existente und nicht mehr kausal therapiebare schwere Krankheitsbilder ein Leben in Würde aus Sicht der Betroffenen unmöglich machen. Und zweitens würde eine solche gesellschaftliche Positionierung die fatale moralische Herabwürdigung eines fundamentalen (und im Einzelfall möglicherweise unvernünftigen) Lebens- wie Sterbensmutes bedeuten, den etwa die Oldenburger Philosophin Christine Zunke in ebenjener Ausgabe der “Zeit” folgendermaßen umschreibt: „Wenn ich sterbe, will ich sehr krank sein. Sonst gehe ich nicht. Ich will an viele Maschinen angeschlossen und teuer und aufwendig gepflegt werden. Körper und Geist dürfen mich zunehmend im Stich lassen. Schmerz, Angst und Selbstverlust können mich zerrütten. Es darf mir dreckig gehen, und die, die mich lieben, sollen wie ich verzweifeln dürfen. Nur eines will ich dabei nicht: mich mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, wie ich es denn verantworten könne, so viel Leid in die Welt zu bringen.“

    5. @ANH Für die permanenten Rechtschreibfehler in meinem letzten Beitrag bitte ich um Entschuldigung – ich pflege meine Texte konsequent gegenzulesen, aber der zugegebenermaßen schwer erträgliche Schrifttyp dieses Blogs macht es sichtlich (und zwar im wörtlichen Sinne) schwer, seine eigenen Tippfehler zufriedenstellend zu detektieren. Daher zwei Anregungen: Eine Edit-Funktion für Kommentare (etwa der von Facebook vergleichbar) würde erstens sicherlich für einen Diskurs auf Augenhöhe zwischen Ihnen und Ihren Kommentatoren in diesem Forum auch nach editorischen Maßstäben sorgen. Zweitens sollten Sie dringendst die Typographie Ihres Blogs zu einem serifenlosen Schrifttyp umstellen. Serifenschrift auf einer Internetseite (schauen Sie sich mal den Online-Auftritt der FAZ an und berichten, wie lange Sie es ausgehalten haben), stellt zwar vielleicht noch keine Körperverletzung (obwohl Sie in Einzelfällen durchaus mit brachialen Kopfschmerz-Attacken korrelieren kann), wohl aber eine sinnesphysiolgische Beleidung für den optischen Apparat des Lesers dar!

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