W a h r leben. Auf zur Frankfurtmainer Buchmesse: Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 13. Oktober 2015. Mit einem Glückwunsch an Frank Witzel.


[Arbeitswohnung, 5.59 Uhr.]



Um kurz vor fünf auf; nicht aber die Dichtung trieb mich hoch oder >>>> meine Videoarbeit, sondern das Brot, z w e i Brote gleich, die ich backen will und backe: Gastgeschenke. Also erst einmal den Ofen angeheizt und noch einmal den ersten der beiden frischen Teiglinge gefaltet. – Nun duftet die Wohnung bereits.
Da ich, kein Geld für Kohlen, nicht heize, brauchen die Backstücke deutlich länger, um zu gehen, als im Sommer; das ist nun immer einzukalkulieren und wird in den kommenden Monaten jahreszeiten- und also naturhalber nicht besser werden. Ich las gestern in einem Forum, man solle pro Grad C. zu wenig eine Stunde mehr rechnen. Wird noch lustig werden, also.
Aber das erste Brot, im Ofen, ging nun schon wunderbar auf.
Dann die Annonce für den >>>> Clip von gestern abend geschrieben und eingestellt, danach die Annonce für >>>> die Traumschiff-Lesung morgen abend; gegen Mittag wird sie das Programm automatisch einstellen.

Buchmesse. Meine Haltung ist aus mehrerlei Gründen hochnervös, deren einen ich nicht hier hinschreiben mag, deren andere auf der Hand liegen. Seit die Longlist des Buchpreises das Traumschiff überging und sich auch sonst kein deutsches Feuilleton zu dem Buch zu Wort meldet, sehe ich, meinen Dschungelleser:inne:n bekanntlich, keine wirkliche Chance mehr. Mein Name, im Betrieb, ist verbrannt, die Ignoriererei setzt sich unerbittlich fort.
Interessant das Telefonat mit einer vertrauten Kollegin gestern: „Wenn ich deinen Namen erwähne, heißt es sofort: Das ist doch nur ein Aufreißer“, womit mein Verhältnis zu und mit Frauen gemeint ist. Abgesehen davon, daß diese Nachrede nicht stimmt, vielmehr eine Legende ist (nicht aber, daß ich Leben sexualisiert wahrnehme, so gut wie immer, und deshalb selbstverständlich auch die Frauen), – also abgesehen davon, was, um alles in der Welt, wenn es denn meinethalben stimmte, hätte das mit der Qualität meiner Dichtung zu tun? Hier wird ein Werk nicht betrachtet und beachtet, weil man seinen Urheber für moralisch misfits hält, wofür man zudem nicht mal einen Beweis braucht; das Hörensagen genügt. „Die Menschen“, sagte die Kollegin, „rufen zwar immer nach Authentizität, begegnen sie ihr aber, können sie nicht mit ihr umgehen, sondern wehren sie ab.“
Jemand, der w a h r lebe, so in der Nacht die Löwin, sei für viele wie ein lebender Vorwurf, und zwar allein, weil – und daß – er existiere. „Da muß jemand schon s e h r viel Kraft haben, um nach so vielen Jahren über solch einer Abwehr nicht schließlich wahnsinnig zu werden.“
Sie geht mir aber langsam aus, diese Kraft, und kommt aus der Puste.
M i t Puste trotzdem nun aber zur Messe.
Es gibt ja auch Gutes, meinen Verlag etwa, >>>> mare. Und bei aller Kränkung wegen der Longlist – daß Frank Witzel den Buchpreis bekommen hat, freut mich zutiefst, und ich gönne ihn ihm sehr. Auch er hat ja über Jahre hin kaum bemerkt publiziert. Daß ich >>>> sein nun so hoch bepreistes Buch überaus schätze, habe ich sowohl mehrmals hier in Der Dschungel als auch, in einer langen Rezension, bei >>>> Volltext geschrieben.
Jedenfalls wird diese Buchmesse für Witzel ein Fest sein, und das soll sie auch. Wenn ich mir heute früh den amazon-Verkaufsrang seines Romanes anschaue, wird er für die nächsten vierfünf Jahre völlig sorgenfrei leben können. Daß so etwas über einen der Guten gekommen ist, einen, der nicht hinter den Kulissen gemitmauschelt und mitgezogen und mitgekumpelt (unter Ausschließen anderer mitgelobbyt) hat, gibt mir Hoffnung, nicht für mich, nein, dafür ist‘s zu spät, aber für die Romandichtung-an-sich. Und auch „rein“ objektiv wäre als „Konkurrent“ zu Witzels monumentalem Zeitroman von mir nur >>>> Argo für den Buchpreis infrage gekommen, also wenn man fälschlicherweise davon ausgeht, daß ästhetische Kriterien angelegt werden und nicht ideologische und persönliche Vorlieben, bzw. Ressentiments die Hauptrolle spielen. Aber Argo wurde ja insgesamt nahezu verschwiegen. Und Witzel ist meines Wissens nie aggressiv aufgetreten, niemals fordernd, sondern immer, auch in seiner Erscheinung, zurückhaltend geblieben; so etwas liebt man, es ist bequem, und also hatte sogar dieser Roman eine Chance. Man hat ganz sicher das Gefühl, gefahrlos mit ihm umgehen zu können (muß zum Beispiel seine Frauen vor ihm nicht verstecken). Das ist bei mir anders, bzw. wird anders gemeint und vielleicht auch geglaubt. Wiederum Christopher Eckers – eines ähnlich bescheiden wie Witzel auftretenden Mannes – in seiner hohen Qualität ebenfalls vergleichbarer Roman >>>> Fahlmann kam für den Buchpreis, der ihm zweifellos zugestanden hätte, nicht infrage, weil >>>> sein Verlag nicht wirklich ernstgenommen wird, indessen derzeit >>>> Matthes & Seitz ein überaus gehätscheltes Lieblingskind des Betriebes ist – was nicht zuletzt damit zusammenhängen dürfte, daß der Verleger Rötzer – als Axel Matthes‘ Nachfolger – dessen antirealistische literar-ästhetizistische Linie zumindest sehr relativiert hat.

Also zur Buchmesse. Meine S- zur Eisenbahn geht um Viertel nach drei; abends essen mit Do, die mir ihre Wohnung für diese Woche überläßt. Ab morgen früh dann die Kampftage. Dennoch wird es weiterhin Tag für Tag einen neuen Clip geben; ich habe die Videos für diese gesamte Woche bereits vorbereitet und werd zu ihnen morgen früh noch etwas schreiben.

Das erste Brot muß aus dem Ofen genommen, das zweite eingeschossen werden.


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