Das Machojournal des Montags, dem 26. Oktober 2015. Mit Christa Nebenführ im ORF und Quignards Sexualität & Schrecken.


[Arbeitswohnung, 8.05 Uhr]

Sehr schöne >>>> Traumschiff-Besprechung Christa Nebenführs gestern im ORF; >>>> wieder Österreich also. >>>> Dort nachzuhören.
Anfangs, als es wieder mit dem Ribbentrop losging, dachte ich, oh je, zumal auch über >>>> Meere wieder gesprochen wurde, über meine seinerzeitige Ebay-Aktion (deren Ertrag ich übrigens nie gesehen habe) und sogar über die Verlagsodyssee, die >>>> Argo hinter sich hat und zu der ich mich fragte, woher Frau Nebenführ das hat, daß dieser Roman auch bei >>>> mare gelegen habe; ich jedenfalls habe dergleichen nie verlauten lassen. Aber sie wußte von den Rezeptionsschwierigkeiten, die das Buch mit sich bringt, notwendigerweise; sie wußte auch den richtigen Begriff, Polyperspektivität, und in dem Moment fast, in dem sie das Wort ausspricht, schafft sie eine ungemein elegante Wendung ins Traumschiff, indem sie den erzähltechnisch quasi entgegengesetzten Begriff, stream of consciousness, in Anwendung bringt, nämlich die andere Grundhaltung eines modernen Erzählens. Und fortan hat sie immer den Stil im Blick. Für mich ergab sich aus Frau Nebenführs Rezension sogar eine Evidenz: daß auf Argos multiperspektivisches Erzählen ein subjektives folgen geradezu mußte. Dies war mir bis gestern in der Tat nicht im Kopf. Aber es ist wirklich logisch. Statt dessen habe ich bislang gedacht, mein Traumschiff sei in seinen Grundzügen konservativ erzählt, erzähltechnisch fast ein Regreß und insofern sogar ein Kompromiß, den ich für den Markt eingegangen sei. Dieses schlechte Gewissen ist nun fort.
Ehrenvoll, ausgesprochen ehrenvoll, Frau Nebenführs Schlußbemerkung, die ich allerdings für falsch, zumindest arg übertrieben halte, mir sei, ich zitiere, „gelungen, was Thomas Mann bei seinem Zauberberg angestrebt haben soll“ – falsch deshalb, weil der Zauberberg fürs Traumschiff überhaupt nie in meinem Horizont gewesen ist, anders als beim >>>> Wolpertinger, und zwar schon deshalb nicht, weil Lanmeisters innere Geschichten von Thomas Manns durchweg auktorialem Erzählen restlos entfernt sind und der Topos des abgeschlossenen Raums ein Archetypos (also hier Schiff, dort Sanatorium) und selbst diese Abgeschlossenheit eine scheinbare im Traumschiff ist, die von einer ganz anderen Abgeschlossenheit permanent unterlaufen wird. Daß Frau Nebenführ dies nicht sagt, ist allerdings wunderbar, weil sie den Leser:inn:en diese zweite Realität des Romans so nicht verpetzt, sondern die „letzte“ Entscheidung – darüber, was wahr und was eingebildet sei – ihnen selbst überläßt.

Ärgerlich dafür >>>> das da. Es hat meine Depression, mit der ich gestern neuerlich schon aufwachte, einige Zeit lang um einiges Viele verstärkt, dieses Gefühl dauernder Hilflosigkeit, fast Isolation, das erst Frau Nebenführ sanft vom Tisch wischen konnte. Fast wäre nicht einmal das geschehen, hätte ich nämlich nicht die angekündigte ORF-Rezension in meinen elektronischen Kalender eingetragen, der mich kurz vor der Sendung erinnerte. Da hockte ich tief in dem Buchmessen-„Medley“, das ich gerade für >>>> die Youtube-Serie bastle, die seit Ende der Messe darniederliegt. Ich werde auch heute noch einiges daran arbeiten müssen. Aber vielleicht bekomme ich den Clip bis zum späten Abend fertig. Übrigens will ich die sechs Clips auf Weberns Bagatellen noch einmal in einem gesonderten Beitrag zusammenstellen. Auch das also liegt an, vor allem aber die nächste Anthologie für S.Fischer, von der ich gemeint hatte, sie sei erst im Januar abzugeben; tatsächlich war Ende Oktober ausgemacht. Nun habe ich mir zwei Wochen mehr herauserbeten und erhalten.
So ist der Tag randvoll.
Dazu sind noch Briefe zu schreiben, und um ein Finanzzeugs, nein, um gleich z w e i solcher Zeuge, muß ich mich kümmern, um kleinere Katastrophen abzuwenden. Die dauernde Finanznot geht mir sowas von auf den Keks! Aber so lange das Traumschiff nicht in vielen Buchhandlungen liegt, wird sich an ihr nichts ändern. लक्ष्मी bemerkte gestern abend, in keiner der Buchhandlungen, in der sie gewesen, habe das Buch gelegen. Ja, wie auch, wenn hierzulande niemand drüber schreibt? Ich bin ein Unbekannter, dem Handel und den Käufern, die bekanntlich vor allem Käuferinnen sind und mich allenfalls für einen nichts als eitlen Macho halten, den man meiden muß: so mein fast ständiges Grundgefühl.

Wie gut, sagte die Löwin gestern, daß du deine Geschichte in Der Dschungel dokumentiert hast: Man wird sie erfahren. (Hingegen „monströs“, erzählte >>>> Martin R. Dean, bei dem ich >>>> in Basel übernachtet habe, habe ein Bekannter, dem er Meere gegeben, meinen Roman genannt. Trotzdem möchte Ihnen das Monstrum, das ihn geschrieben, heute ein ganz anderes Buch empfehlen, und zwar unbedingt; eines, über das ich >>>> bei Amazon eine kleine Rezension verfaßt habe:)




2 thoughts on “Das Machojournal des Montags, dem 26. Oktober 2015. Mit Christa Nebenführ im ORF und Quignards Sexualität & Schrecken.

  1. Über Pascal Quignards Sexualität und Schrecken. diaphanes 2015.

    [Geschrieben >>>> für amazon.]

    In drei Tagen quasi am Stück gelesen; ich konnte nicht mehr aufhören. Quignards Essay hat die ästhetische Zugkraft von Roberto Calassos Hochzeit von Kadmos und Harmonia; anders als dort aber erzählt der Franzose denkend von heute aus; immer wieder blitzen überraschende Erkenntnisse auf, die mich haben gegenwärtige Haltungen (“correctnesses”) als verwandelte Fortsetzungen antiker Normen begreifen lassen. Und alledies erreicht Quignard letztlich allein über die Betrachtung und Interpretation der vom Vesusausbruch verschütteten und wieder freigelegten Fresken von vor allem Pompeji und Herculaneum. Als Interpretationen erinnert sein Verfahren an Camille Paglias genialen Text ihres nicht von ungefähr im Titel ähnlich klingenden Buches “Masken der Sexualität”. Auf Masken, also “personae”, bezieht sich deutlich auch Quignard.
    Wer ästhetische Spekulationen nicht ablehnt, sollte sich dieses Buch auf jeden Fall besorgen. Allein die Begriffslehren (Was meinen wir eigentlich, wenn wir von Faszination sprechen? Was ist der eigentliche Sinn von Inspiration/inspirare? usw), die wir ziehen können, lohnen es.

    Erschienen bei >>>> diaphanes.
    >>>> Bestellen.

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