[Arbeitswohnung, 9.37 Uhr
Kokkonen, Zweite Sinfonie]
Mein Ofen bollert; ich hab grad nächste Kohle hochgeholt. Mal sehn, wie lang mein Vorrat reicht. Doch der ganze Boden meiner Kellerzelle ist mit Abbruchstücken bedeckt, die zusammengenommen eine ziemliche Menge ergeben. Es ist ein großes Privileg Berlins, das wir hier, anders als in den Städten fast des ganzen übrigen Deutschlands, zumindest noch über einige Tage die Jahreszeiten spüren, nicht ganz zur Kunstwelt geworden sind – seltsames Wort, Kunstwelt, insofern es mit Kunst nun gar nichts zu tun hat, sondern allein mit Scheinwelt, Fakewelt, deren Schein indessen zur Wirklichkeit wird. „Kunstwelt, ja. Das ist, damit wir uns recht verstehen: eine Welt ohne Kunst“, heißt es in >>>> Thetis.
Alles vergeht. Es werden sich neue Lebensformen entwickeln, sagt लक्ष्मी, die an die neuen, jedenfalls sich verändernden Klimata sich angepaßt haben. Am flexibelsten ist und bleibt allerdings der technische Mensch; unwahrscheinlich, daß er physisch Kiemen entwickelt; er wird sie im nötigen Fall auf Geräte auslagern, mit denen er verbunden, in die er eingewirkt ist. Ein Sieg des fundamentalistischen Islams wird uns vielleicht ins Mittelalter zurückbomben, aber die Art nicht bedrohen, „nur“, möglicherweise, ihre Menge dezimieren – wie andernorts andere Kämpfe und Kriege. Natur denkt nicht (sofern man, arbeitshypothetisch, von „Denken“ denn sprechen darf; es sind ja Prozesse) individuell, sondern sie – in fernöstlichem Sinn – „harmoniert“ sich aus. (Die harmonia mundi beschreibt eine Balance, ist keine moralische Wertung).
Sitze weiterhin über den Gedichten; eines gab ich gestern vorübergehend auf, d.h. verschob die weitere Überarbeitung nach hinten, weil sich der Rhythmus in meinem Kopf allzusehr verknäulte. Auffällig aber, wie viele Sexualverse sich angesammelt haben; immer wieder versuche ich, den Liebesakt zu fassen, in allen möglichen und mehr noch, tja, unmöglichen, sagen wir: ungehörigen „Spiel“arten; spannend dabei, daß sich um so Heikleres sagen läßt, je strenger die gewählte Form ist; auch hier gilt eine Art Gesetz des Harmonierens; obszöner Sprachgebrauch, etwa, bei obszönen Geschehen würde nur verdoppeln, dadurch verunklaren und bestenfalls pornografisch werden. Die hinter allem glühende Seele, ihr Ergriffensein, auf das ich in Leben wie in Kunst focussiert bin, kann sich nicht in entgrenzter Sprache äußern, sie würde drin ertrinken. Also brauche ich eine Strenge, die ästhetisch durchaus konservativ wirken könnte. Dieses Risiko, eines der Rezeption, ist mir bewußt.
(Wie gut, übrigens, daß >>>> La Befana seinerzeit zu spät zum Christkind kam; nun profitieren Italiens Kinder davon:
con le scarpe tutte rotte
il vestito tutto blu
la befana viene giu!
11.38 Uhr]
[16.05 Uhr, mit gepflegten Füßen
Madetoja, Zweite Sinfonie]
Also >>>> dieses ist nun einmal wirklich klasse! W.T. schrieb mir, wieder einmal ein Leser auf dem WerLebt … :
Es schneit weiter. So lange war der Winter krank, nun lebt er wieder, >>>> Petersdank.
Des Traumschiffs Phorkyasdank. In memoriam Frank Schirrmacher.
Maxim Biller und Herr & Frau Weider- sowie Westermann mit Frank Schirrmacher † bei satt.org >>>> im Gespräch.