Winter. In Befanas Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 6. Januar 2015. Und nachmittags ein Literarisches Quartett.


[Arbeitswohnung, 9.37 Uhr
Kokkonen, Zweite Sinfonie]


Es ist Winter in Berlin. Gestern nacht stapfte ich durch ziemlich hohen Schnee heim, der bis morgens fiel und weiter- und weiterfällt: immer wieder wehen, weißen Staubfahnen gleich, von den Dächern des hiesigen Gartenhauses Gazeschleier auf.
Mein Ofen bollert; ich hab grad nächste Kohle hochgeholt. Mal sehn, wie lang mein Vorrat reicht. Doch der ganze Boden meiner Kellerzelle ist mit Abbruchstücken bedeckt, die zusammengenommen eine ziemliche Menge ergeben. Es ist ein großes Privileg Berlins, das wir hier, anders als in den Städten fast des ganzen übrigen Deutschlands, zumindest noch über einige Tage die Jahreszeiten spüren, nicht ganz zur Kunstwelt geworden sind – seltsames Wort, Kunstwelt, insofern es mit Kunst nun gar nichts zu tun hat, sondern allein mit Scheinwelt, Fakewelt, deren Schein indessen zur Wirklichkeit wird. „Kunstwelt, ja. Das ist, damit wir uns recht verstehen: eine Welt ohne Kunst“, heißt es in >>>> Thetis.
Alles vergeht. Es werden sich neue Lebensformen entwickeln, sagt लक्ष्मी, die an die neuen, jedenfalls sich verändernden Klimata sich angepaßt haben. Am flexibelsten ist und bleibt allerdings der technische Mensch; unwahrscheinlich, daß er physisch Kiemen entwickelt; er wird sie im nötigen Fall auf Geräte auslagern, mit denen er verbunden, in die er eingewirkt ist. Ein Sieg des fundamentalistischen Islams wird uns vielleicht ins Mittelalter zurückbomben, aber die Art nicht bedrohen, „nur“, möglicherweise, ihre Menge dezimieren – wie andernorts andere Kämpfe und Kriege. Natur denkt nicht (sofern man, arbeitshypothetisch, von „Denken“ denn sprechen darf; es sind ja Prozesse) individuell, sondern sie – in fernöstlichem Sinn – „harmoniert“ sich aus. (Die harmonia mundi beschreibt eine Balance, ist keine moralische Wertung).

Sitze weiterhin über den Gedichten; eines gab ich gestern vorübergehend auf, d.h. verschob die weitere Überarbeitung nach hinten, weil sich der Rhythmus in meinem Kopf allzusehr verknäulte. Auffällig aber, wie viele Sexualverse sich angesammelt haben; immer wieder versuche ich, den Liebesakt zu fassen, in allen möglichen und mehr noch, tja, unmöglichen, sagen wir: ungehörigen „Spiel“arten; spannend dabei, daß sich um so Heikleres sagen läßt, je strenger die gewählte Form ist; auch hier gilt eine Art Gesetz des Harmonierens; obszöner Sprachgebrauch, etwa, bei obszönen Geschehen würde nur verdoppeln, dadurch verunklaren und bestenfalls pornografisch werden. Die hinter allem glühende Seele, ihr Ergriffensein, auf das ich in Leben wie in Kunst focussiert bin, kann sich nicht in entgrenzter Sprache äußern, sie würde drin ertrinken. Also brauche ich eine Strenge, die ästhetisch durchaus konservativ wirken könnte. Dieses Risiko, eines der Rezeption, ist mir bewußt.

(Wie gut, übrigens, daß >>>> La Befana seinerzeit zu spät zum Christkind kam; nun profitieren Italiens Kinder davon:

La befana vien di notte
con le scarpe tutte rotte
il vestito tutto blu
la befana viene giu!
Vergessen wir nicht, daß Maria Demeters Reinkarnation ist und und Jesus aus Nazareth seine Maria Magdalena sehr oft auf den Mund geküßt haben soll – eine sehr befreiende zumindest Vorstellung, in der die im apokryphen Thomas-Evangelium gleichermaßen über- wie hintertragene Aussage zu trocknem Staub zerfällt, daß jede Frau, wenn sie sich männlich mache, ins Königreich der Himmel eingehen werde. Vielmehr waren Hexen – Naturkundige. Schon in sechs Kilometern Höhe ist menschliches Leben kaum mehr möglich, wie also denn im Himmel? Vielmehr schmelzen der untertanen Erde die Kappen der Pole zu einer nächsten Sintflut heran.)

[Madetoja, Erste Sinfonie
11.38 Uhr]


Und um halb drei werden meine Füße gepflegt werden. Auch soviel zur Erde und meiner, also ihrer, Verehrung.

[16.05 Uhr, mit gepflegten Füßen
Madetoja, Zweite Sinfonie]

Also >>>> dieses ist nun einmal wirklich klasse! W.T. schrieb mir, wieder einmal ein Leser auf dem WerLebt … :

hatten sie >>>> das schon auf dem Schirm?… und schickt noch „3königliche“ Grüße hinterher!

Es schneit weiter. So lange war der Winter krank, nun lebt er wieder, >>>> Petersdank.

2 thoughts on “Winter. In Befanas Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 6. Januar 2015. Und nachmittags ein Literarisches Quartett.

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