Nichtarbeits-, immerhin Weiterlesejournal: Elontril 2. Freitag, der 11. März 2016.

Denn das „Wünschen“ ist auf eine Vorstellung hin gespannt, in der die Begierde das Ihre sich ausmalen läßt. Das Behren ist gewiß viel älter als das Vorstellen des Etwas, das begehrt wird. Doch eben indem das Begehren zum Wünschen übergeht, legt es sich die mehr oder minder bestimmte Vorstellung seines Etwas zu, und zwar als eines besseren Etwas. Das Verlangen des Wunsches steigt gerade mit der Vorstellung des Besseren, gar Vollkommenen seines erfüllenden Etwas. So daß zwar nicht fürs Begehren, wohl aber das Verlangen des Wunsches gesagt werden darf: Wünschen geht, wenn auch aus Vorstellungen nicht hervor, so doch erst mit ihnen auf. Es wird durch sie zugleich weiter aufgereizt, im selben Maß wie das Ausgemalte, Vorgemalte Erfüllung verspricht. Wo also die Vorstellung eines Besseren, schließlich wohl Vollkommenen, da findet Wünschen statt, gegebenenfalls ungeduldiges, forderndes. Die bloße Vorstellung wird so zu einem Wunschbild, sie ist mit dem Cachet versehen: So sollte es sein. Aber hierbei ist das Wünschen, so heftig es auch sei, vom eigentlichen „Wollen“ durch seine passive, dem Sehnen noch verwandte Art unterschieden. Im Wünschen liegt noch nichts von Arbeit und Tätigkeit, alles Wollen dagegen ist ein Tunwollen. (…) Das Wünschen kann unentschlossen sein, trotz der bestimmten Zielvorstellung, auf die es hingespannt ist; das Wollen dagegen ist notwendig aktives Fortgehen zu diesem Ziel, geht nach außen, hat sich mit lauter als wirklich gegebenen Dingen zu messen. Wobei der Weg, den das ums Wollen vermehrte, damit gehärtete Wünschen einschlägt, selber unerwünscht, nämlich rauh oder bitter sein kann.
Bloch, Prinzip Hoffnung, 50/51
[Arbeitswohnung, 8.14 Uhr]

Von Elontril 1 weiß ich noch nichts zu berichten; als >>>> der Abschiedsbrief kam, bäumte sich die Depression noch einmal, doch wohl nur, weil sie sich mit „wirklicher“, weil einer erneuerten Trauer noch anfüllen konnte und sofort diese Nahrung herunterschlang. Es ist vielleicht nicht falsch, so zu personalisieren, ihr, der Depression, etwas Wesenhaftes zu geben, das mir erlaubt, mich gegen sie zu distanzieren. Dann ist sie zu bekämpfen – bekämpfbar – vielleicht wie ein feindlicher Intruder, den man exorzieren muß; Depression also materiell begreifen, wie der Freund sagte: „Ist doch alles Chemie“, und materiell dann auch verscheuchen. Nicht anders tun weiße Blutkörperchen, indem sie ihn fressen. Einfall: Stoffwechselausschied Poesie.
Nachmittags ein bißchen Gejucke, das aber anderswoher stammen konnte, ebenso wie auffällig-müd reißende Oberschenkel gegen abend. Höchst unsicher, ob das vom Elontril stammt.
Ebenfalls nachmittags ein Notanruf: – der Zwillingsbube! – Krämpfe – muß ins Krankenhaus. Ich da fast gleich rüber, mußte eine Welle Passivität beiseitewischen erst. Es war auch ein Fehlalarm, wie sich in der Kinderklinik herausstellte, was ich mir auch schon gedacht hatte. Den Jungen zu tragen, wie ich’s selbstverständlich tat, fand ich körperlich schwer. Dabei sind‘s nur achtundzwanzig Kilo.
Also Elontril 2: – runter damit.

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Weiterlesen, Bloch zu Melville. Ich fand auf dem Schreibtisch zehn, zwanzig, dreißig Zettelchen mit handschriftlichen Notaten. Die will ich heute abtippen. Jetzt gehe ich aber erstmal mit dem Mops hinaus, der gegen zehn Uhr wieder abholt werden wird.
Man riecht den Frühling kommen.

(Diese schmalen Füße, eleganten Fußsohlen, diese schmalen Hände, wie ich jede Vene sah, eine jede Ader: bewund’rungsvoll beglückt. Wie ich dem nachfuhr und immer ihm, war es nicht nahe, vorsann. Und höre das Seufzen, ein helles, von Luftwesen, Wasserwesen, denen ich zu schwer bin. Die einen fallen herunter und zerschellen, die anderen, weil sie ja doch Lungen haben, ertrinken.)


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