III,40 – Honey for the Bears

Gestern war er nicht mehr gekommen, Ninno. Auch heute ließ er sich den ganzen Tag nicht blicken. Erst vor kurzem nach dem Abendessen tauchte er auf mit der Damigiana. Ich brauchte gar nicht zu fragen, was los gewesen sei. Er sprudelte schon von selbst. Er sei dieser Tage dabei, Bienenvölker einzufangen, denn er macht auch Honig. Ein Dutzend Meter hinauf auf einen Baum auf einer entsprechend langen Leiter, “allein!”, in einer Hand das Bienenhäuschen. Und dann bei diesem Wind heute. Dann zwei Stunden da oben, man müsse Geduld haben. Wie er es dann aber schaffe, daß sie ins Bienenhäuschen gehen, fragte ich, und hörte tatsächlich sehr gern zu. Natürlich, es käme auf die Königin an, die wirklich tüchtigen Imker wüßten sie sofort in dem Riesenhaufen zu erkennen. Kurz, das Häuschen wird mit der Öffnung nach unten über die Bienen gehalten, und dann wird Rauch mithilfe von Jute von unten erzeugt. Er bedauere, daß seine Neffen sich für so etwas überhaupt nicht interessierten, seine jüngeren Brüder litten an Schwindel. Er schaffe es noch, aber reich würde man damit allerdings auch nicht. Es sei vor allem das Gefühl, etwas Gutes zu tun. Für die Natur. Indirekt über die Bienen. Die aber völlig ruhig gewesen seien heute. Aber, wie gesagt, für solche Sachen sei kein Interesse da. Morgen gehe es an einen Haselnußbaum, der zwar nicht so hoch sei, aber dennoch seine Tücken habe. Und überhaupt, den richtigen Honigduft bekomme man nur mit, wenn man ihn frisch aus dem Bienenhäuschen hole. Danach verfliege er gleich. Manchmal beneide ich ihn ja. Vielleicht für die nächste Honigernte anmelden? – Jetzt erkannte Paul die Musik. Es war der letzte Satz der fünften Symphonie von Sibelius. Plötzlich war er von einem trunkenen Selbstvertrauen erfüllt: Das finnische Bier schien doch nicht so schwach zu sein, wie er angenommen hatte. ‘Sie haben mich fast nackt fortgeschickt’, sagte er, ‘ohne Zähne, ohne Frau – nun ja, macht nichts. Ich weiß nicht einmal mehr, was ich bin – sexuell, meine ich. Immerhin, auch über Shakespeares sexuelle Neigungen ist man sich durchaus nicht klar. Und dann gab es noch Sokrates…(Burgess, Honig für die Bären, dt. von Dorothea Gotfurt). Bienenweisheiten.

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