Das Wiener Arbeitsjournal des Freitags, dem 13. Mai 2016.

[Canettinahchicparisien, 6.16 Uhr
Wiener Melange.

Bartlet, O all the birds that I do know]

Seit kurz nach halb sechs auf; bereits um halb eins, noch vom Vorabend schwer alkoholosiert, zu Bett und offenbar spontan in Tiefschlaf gesunken, unter dreißig Wassermeter offenbar, aus denen ich soeben halt, kurz nach halb sechs, quietschmunter auftauchte. Also habe ich die Sicherheitsstops beachtet. Andernfalls wäre mir die Lunge geplatzt. Oder ich werde bis übermorgen an >>>> Gasübersättigung sterben, was ich für wenig wahrscheinlich halte, weil ich, ich bin mir sicher, nicht schlimm geträumt habe, weshalb ein Aufschrecken unnötig war.

Mit den Gedichten fast „durch“. Bis Mitternacht an ihnen gearbeitet, jetzt sind nur noch sechs halb-, bzw. einfünftelroh. Immer mal wieder dem Freund, der noch lange >>>> an seinem Herbstkatalog weiterarbeitete, eines der Gedichte vorgelesen. „Dafür wird man dich mal wieder hauen“, sagte er zu einem. „Aber wer über so etwas schreibt, muß es halt auch richtig tun.“ Die Anmaßung liegt aber mehr im Titel als im Thema: Unter Gleichen, neben wen sich also das GedichtIch als „Gleicher unter Gleichen“ stellt. Dabei sollte ich statt der Madrigale eigentlich Anton Webern hören, denn schräg hier gegenüber, in der Nr. 53, wurde er geboren. Es gibt an dem Haus eine Gedenktafel dort. Da es, seit ich ankam, regnet und er mir also fehlt, entscheide ich mich für Im Sommerwind:


Sinopoli starb im Alter von 55 Jahren an einem Herzinfarkt, der ihn mit dem Taktstock in der Hand in der Deutschen Oper Berlin durchfuhr. Webern wurde, versehentlich, heißt es, im Alter von 62 Jahren in Mittersill von einem US-Soldaten erschossen; zeitgenössische Zyniker interpretieren den Vorfall als frühfundamentalistischen Ausdruck des Rauchverbots. Im Sommerwind aber, anders als Weberns spätere Arbeiten, atmet noch ganz der Paradeisgartlduft des Wiener Fin de Siècles. Die Verklärte Nacht drum – in den Kopfhörern, noch schläft im Nachbarzimmer der Freund – schließe ich an:


Das teuerste Mehl meines Lebens gekauft, ich wollte ein Brot backen, was ich auch tat. Von dem, das ich aus Berlin mitgebracht hatte, war im >>>> 777, als wir davonwankten, nur dieses da übriggeblieben:


Also mehlhalber losgezogen, mir den dritten zum ersten Bezirk erschritten. Nachher hatte ich Wasserflecken an meinen schönen handgefertigten Neapelschuhen. Im >>>> Buongustaio, Singerstraße, kostet un chilo di farina 00 sechsneunzig, ebenso die semola di gran duro. Ich war so geschockt, daß ich auch noch eine Salsiccia picante mitnahm, für die ich dreizehn Euro berappte. Is‘ ja für den Freund. Zumal kann man paar Schritte weiter fünfzigjährigen Wein kaufen, der, lockt die Inschrift über dem Eingang der Faschetta, sogar „kostbar“ sei:


Als ich, wieder im Dritten zurück, >>>> ins Duran auf ein paar Brötchen einkehrte, sackte mir fast, als ich saß, der Kreislauf weg. Doch gab es frei ein Glas frischen Wassers zu den allerdings sehr weichen Baguettescheiben dazu.

Nun weiter mit den Gedichten, vielleicht bekomme ich sie vor meinem Aufbruch fertig. Treffen um halb elf mit >>>> Thomas Keul, wieder im >>>> Café Bellaria, wo mich, freilich an der Wand, auch Karajan erwartet, der so viel wert auf sein „von“ gelegt hat, daß er‘s gegen das österreichische Adelsverbot als Teil des Künstlernamens durchgesetzt hat; nun jà, ein „mag.“ hätte er ungern vor seinen Namen gesetzt, und Dr. Karl Böhm klang in der Tat verspießt; akademische Ränge versteht man hier als Prädikat. Zum Rauchverbot auch so viel.
Danach, um 13 Uhr, erstes Treffen mit Nikolitsch, deren Stück >>>> heuer, am Abend, im Schauspielhaus vorgestellt werden wird. Ich denk mir, daß sie jetzt schon bibbert. Es geht‘s ja wirklich um was. Den Freund werde ich dann wohl erst nachts wiedertreffen, und zwar in seiner zwar schmalen, doch heißgeliebten >>>> Filmbar.

Ah-schoan‘s-Ihna: Es lichtet sich draußen!

Er sank nicht, sondern stürzte.
Ihn zu töten, nicht zu lähmen
hatten sie die Kraft.
Er stürzte, um selbst noch den Tod zu begatten.
*

3 thoughts on “Das Wiener Arbeitsjournal des Freitags, dem 13. Mai 2016.

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