[Arbeitswohnung, 8.46 Uhr
Zweiter Latte macchiato
Enescu, Erste Cellosonate]
Zu erschöpfen ist das Thema wohl auch nicht; zu viele Prägungen, sowieso, spielen ihre Rolle. Ach, sage ich mir jetzt, soll der alte Mann diesen Preis doch h a b e n… Wenn man neuerdings auf dem Konto, das man endlich auch hat, wieder, Geld hat, fällt einem das „Sei‘s drum“ nicht mehr wirklich schwer. Not macht klein, wir dürfen‘s nie vergessen. Meine Polemik gegen die Preisvergabe an Dylan ist darum eine strukturelle: welche Faktoren wirkten bei der Entscheidung unbewußt mit. Imgrunde ist es nur dies, was mich interessiert, auch in meinen Büchern interessiert: Muster sehen und zeigen, in denen wir alle gefangen sind.
Die meisten verteidigen letztlich ihre Jugend, die von ihnen verklärt wird, wie frühere Generationen die Kindheit verklärten. Die neueren, also Generationen, sind insofern einem reifen Erwachsensein in der Tat etwas näher gerückt.
In den Höhen, schrieb Nietzsche, sei‘s kühl. Thomas Mann sprach vom ersten Aufzug Walküre als von musikalischer „Kuhstallwärme“; er sah das Problem sehr genau. Und wenn man sich die Harmonien anhört… und Dionysien in den Rhythmen… Erstaunlich immer wieder, daß gerade auch Dichterinnen und Dichter, die in ihrem Fach tatsächlich modern sind, so wahnsinnig zurückfallen, wenn es um die Klangkünste geht. Als wenn sie in zwei Welten lebten, einer erwachsenen, der ihrer Arbeit, und einer kindlichen, die ihres Gemütes ist (‚Gemüt‘ nicht >>>> mit kantschem ‚h‘ am Schluß, das ich aber damals beim Verlag nicht durchsetzen konnte).
Ab morgen Buchmesse. Das wird viel Lauferei, aber auch einiges Glück werden, wiewohl mir meine Lektorin schrieb, daß sie nicht kommen könne. Ich habe ihr noch gar nicht geantwortet, so, wie ich auch anderen Menschen Antworten schuldig geblieben bin. Mich beschäftigt derzeit meine Konsolidierung zu sehr. Jetzt habe ich sogar wieder eine Kreditkarte. Und >>>> Elfenbein hat den Satz der zweiten Auflage von >>>> Buenos Aires fertig; >>>> Thetis wird folgen. Wiederum >>>> Dielmann bereitet die nächste Auflage des >>>> Wolpertingers vor; seine Vertreter, schrieb er mir, hätten dies sehr begrüßt und auf eine Sonderseite dazu im nächsten Verlagsprospekt gedrungen.
Manchmal denke ich, wenn man sich nicht mehr bemüht, laufen die Dinge von sich aus, und sie sperren sich aber, wenn man sie vorantreiben möchte oder sogar, innerlich, muß. Ist uns etwas wirklich wert, bleibt es uns versagt. – Das sind nun graue Gedanken, auf die ich nicht länger Lust habe. Heller ist, daß ich am kommenden Sonntag abend, >>>> in Karlsruhe, wieder einmal >>>> die Vergana vortragen werde, die ich nach wie vor für meine beste Erzählung halte. Und aus den Béart-Gedichten will ich lesen, vielleicht einmal den gesamten bisherigen Zyklus am Stück.
Also sind auch noch Bücher mitzuschleppen, die aber hoffentlich auch verkauft werden (werden).
So, jetzt aber! Packpackpackpackpackpackpackpackpackpack….
Mehr, oh Freundin, dann vielleicht, wenn ich im Zug sitzen werde.
ANH
„Manchmal denke ich, wenn man sich nicht mehr bemüht, laufen die Dinge von sich aus, und sie sperren sich aber, wenn man sie vorantreiben möchte oder sogar, innerlich, muß.“ genau so ist es! psychologisch auch ganz klar. sobald du merkst, da will jemand was von dir und du bist in der mächtigeren position, zu entscheiden, gebe ich dem wunsch nach, oder nicht, kostest du sie aus, schiebst die entscheidung vor dir her. zeigt der oder diejenige dir aber den rücken, musst du selbst handeln. und genau so funktioniert auch jeder betrieb. im grunde muss es einem scheißegal sein, dann ist die chance noch am größten, dass man dir hinterherrennt. siehe auch dylan, der geht nicht ans telefon.
wenn es einem nur dann letztlich wirklich scheißegal ist, dann findet man nur auch nicht zusammen…
vieles kommt zudem viel zu spät, timing ist auch nicht unwichtig dabei.
Das Perfide an @diadorim dieser Dynamik ist, daß, wenn einen etwas nicht mehr interessiert, seine Erfüllung kaum noch Lust bereitet; man nimmt sie halt hin. Es ist, als wäre sie, diese Dynamik, darauf gestellt, uns in jedem Fall Lust zu versagen – oder nenne es Beglückung, Glück, gleichviel. Auf diese Weise machen sich die Menschen anderen und sich das Jammertal selbst.
Hiergegen anzuschreiben, anzumusizieren, anzumalen ist deshalb derart wichtig. Das Lustverbot, übrigens, stammt meiner Kenntnis nach aus dem Monotheismus; es hat sich den Menschen eingepflanzt wie ein Krebs, der wuchert.
(Muß weiterpacken, echt kompliziert diesmal).
hast du richtig erkannt. manches versagt sich aber auch, weil klar ist, zumindest einer der beiden seiten, ein gemeinsames wäre nicht beglückend, weil es auf falschen annahmen und projektionen beruht. ich hab mir auch schon manchmal was gewünscht, von dem ich nicht wusste, dass seine erfüllung nicht lust oder glück gebracht hätte, sondern ziemlich genau das gegenteil. und, ich glaube auch dran, dass das gesetz so nicht zur gänze gilt, wo es wirklich was bedeutet. keiner hält dich wirklich lange hin, für den es selbst dringlich ist. das denke ich schon auch, sonst wäre es in der tat total deprimierend. ist es aber meist nicht, manche antworten kommen schnell und auch dann, wenn man sie braucht. ein stück weit sind wir ja auch fixiert, uns ausgerechnet um die zu bemühen, denen wir nicht so viel bedeuten, ist natürlich auch ziemlich bescheuert!
das produziert im übrigen auch genau die abgefuckten charaktere im betrieb zumindest, denen man dann privat ganz gern aus dem weg geht. aber vielleicht erschafft es eben auch die art unabhängigen künstlertypus, den man am liebsten noch hätte, ungebunden, meinungsunabhängig, keiner zuneigung bedürftig. sprich, wenn schon gefeiert, dann wenigstens als emotionales wrack und mit blut jeden kontrakt schließen. so kommts mir manchmal vor, wirfst du dich dem betrieb nicht ganz zum fraß vor, verschmäht er dich auch gern.