III, 244 – Die verlorene Hasenpfote

Seit Tagen schon wunderte ich mich, daß im wild vermauerten Türbogen neben der jetzigen, brav rechteckigen Tür mit seinen viele Nischen, der Platz, an dem ich eine Hasenpfote aufrecht hingestellt, die ich seit nunmehr ungefähr vierzig Jahren besitze, gar nicht mehr das Volumen einer Hasenpfote erscheinen will. Ich nahm mir ein Herz (so als könnte man auch zwei nehmen, oder drei) und stieg das Treppchen um des Augenscheins willen hinauf: Nur noch der Knochen, das Fell vollständig abgebröselt.
Vor einem Jahr vielleicht legte ich sie noch stolz jemandem in die Hand. Vielleicht sollte ich weniger Geschichten lesen, die davon handeln, daß Treibholz manchmal so am Strand sich finden läßt, als hinge an ihm ein knöcherner Finger, während sich der knöcherne Hasenfinger die Löffel reinigt, um wie Jean Paul in ‘Meine lebendige Begrabung’ nach dem eigenen Tode besser hören zu können, denn: meine Natur und meine Ohren richteten sich ganz nach dem 112[.] Stücke des Arztes, worin Unzer Gründe und Beispiele genug vorbringt, daß Ohnmächtige und Todte noch aufhorchen.
Es ist auch vergeblich, ermitteln zu wollen, ob diese nunmehr zum Knochen gewordene Hasenpfote mir in den letzten vierzig Jahren (nehmen wir einmal diese runde Zahl) Glück gebracht hat. Möglich indes, daß ich viel Schwein gehabt. Die tägliche Nahrung beweist es zur Genüge.

Hasenknochen


Was mich aber nicht davon abhielt, ein Los der Lotteria Italiana zu kaufen, die am Tag der Epiphanie wahrscheinlich den Nordwind ausgelöst wegen der vielen stummen bis lauten Verwünschungen, weil einen das große Los wieder nicht erwischt. Das wäre aber nicht logisch, weil sich hier die Orte häufen, die als Centrum Italiae gelten wollen, als ließe sich der geographische Mittelpunkt Italiens wie die Knöchelchen eines Heiligen auf Orte verteilen, die dutzende Kilometer auseinanderliegen. Womit ich sagen wollte, daß ich zu >>>> dem Winde wahrscheinlich beigetragen, der dann diese Kälte brachte und nur scheinbar aus dem Norden, tatsächlich aus allen Weltgegenden sich hier zusammenblies, wobei alle Winde sich ihre kalten Schultern wiesen. Am meisten aber liebe ich es, wenn mir eine Taube die kalte Schulter weist. Trotz der liebevolleren Beispiele, die gestern noch am Feuer erzählt wurden.
Wobei wohl auch die Hasenpfote ihren Mut bzw. ihre Bepelzung verloren. Ein allerdings herber Verlust.
Und der ganze Trost, den ich Gemüse putzend nach der Arbeit “in compagnia” und in einer gewissen Gedankendissolvenz fand, geht am Postleporalen zugrunde. Es auf plattdeutsch zu sagen wäre noch besser. Denn vor ein paar Tagen starb der Freund meiner über 80jährigen Tante (der letzten Überlebenden der Generation, die unsereinen gezeugt). Saß mit den beiden noch beim Schützenfest zusammen. Er einer von denen, die nur plattdeutsch sprachen. Gibt’s auch nicht mehr.
Mein einstiger Schwager aus Rieti berichtete mal von einem, der bildlich oft und gern zwei selbsterfundene Verben gebrauchte: “s’allepora”, er entläuft gleich einem Hasen, “s’accornacchia”, er entfleucht gleich einer Krähe.
À propos Gemüseputzen:

sminzo verdurame pol
pastrelli immischiando
quel che sale al pepe
verifico con olio ver
la poltiglia
assaggio e mi
commuovo
non perché
ma
perché vivo qui
ma tanta è
la collina
e quel che
immischiar
si vuole e penso
come anche la rondine
colla saliva sua
il nido fa

(kein Link, steht nur auf Papier (digitallose (fingerlose) Zeiten).

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