III, 256 – Fluchten

Seit ich am Schreibtisch sitze, wo ich immer noch sitze (kein Stampfer heute), und die Sonne untergegangen und in ihren letzten Strahlen einmal mehr den Turm und die obere Fassader der Kirche Sant’Agostino hat leuchten lassen, habe ich ungefähr vier oder fünf Fruchtfliegen mit meinem Finger zerdrückt, sobald sie sich irgendwo niedergelassen, aber gänzlich unpfiffig nicht wie die eine Fliege in der Lage waren, die Gefahr vorherzusehen und ihr auszuweichen. Ob die “pfiffige” nun die eine Fliege ist, von der neulich schon einmal die Rede gewesen, sei dahingestellt. Ich traue ihr kein so langes Leben zu. Dennoch ist gelegentlich eine solche völlig solitär im Raume.
Andererseits habe ich neulich einem Rieseninsekt, das ich nicht in der Lage bin zu benennen und das dauernd gegen die Fensterscheibe in der Küche krachte, zur Freiheit verholfen, indem ich das Fenster öffnete. Hübsche Heuchelei: die Freiheit schenken! Ich wollte mich von der als garstig empfundenen Präsenz befreien. Fürchtete sogar ein wenig. Und war froh, als sie nach draußen schwirrte, die Präsenz.
So wird man im Kleinen zu einem kleinen Trump. Ich beobachte bei mir denselben Sog, Nachrichten über ihn zu lesen, wie damals zu B.lusconis Zeiten über diesen ital. “Egoarchen”. Gestern abend beispielsweise. Und es ist allemal abgründiger, als im Bernhard zu lesen.
Der Rest: kleine Gänge über den Platz hinweg, nie enden wollende, sich ständig überlappende Termine. Und morgen das Hinausschicken der Rechnungen, für die noch die entsprechenden Aufstellungen zu machen sind. Denn ich schiebe gern auf und:
Ich vermeide die Gelegenheiten, die mich verdrießlich machen können, und mag die Sachen, welche nicht gut gehen, lieber nicht sehen. Und gleichwohl kann ich es nicht so weit bringen, daß mir in meinem Hause nicht immer etwas vorkömmt, das mir misfällt. Montaigne, Essais (ü Tietz). Aber es kömmt dann doch auf einen zu. Und es rümpfet sich die Nase ein Mißbilligen zurecht. Nicht aber mit solcher negativen Unbedingtheit über dem Topf mit dem Minestrone, der nach wie vor sich hin kocht.

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