III, 258 – Millionenschaden

Stabiles Welksein der Rosen, nach wie vor kein Entblättern. Kein Abfall der Haare vom Knochen wie bei der Hasenpfote. Unendlich lange Prozesse, dann scheinbar aber unaufhaltsam in ihrer Plötzlichkeit, ihrer Haltlosigkeit. Einen “Millionenschaden”, so der Saurausche von der Burg Hochgobernitz, habe ihm das Hochwasser verursacht. Zu Lire-Zeiten hätte das noch einen Sinn gehabt, sofern es auf meine Person zu beziehen wäre, die dennoch nie einen Hochwasserschaden erlitten. Eher einen Hochzeitsschaden. Als man selber mit lauter Ja’s über die Ufer trat. Gut, daß meine Ex die ganzen Fotos bei sich hat, ich käme von Unglauben zu Unglauben nicht mehr dazu, Luft zu holen, und begäbe mich in Gedanken (Gedankentäter) augenblicklich zum Brunnen auf dem Kapitol, dessen Figuren angeblich den Nil und den Tiber darstellen, um mich darin zu ersäufen, denn vor ihm hatte sich die ganze Anverwandtschaft zusammen mit mir, dem Angetrauten, fotografieren lassen, sofern mich mein Bildgedächtnis nicht täuscht.
Ja, ja, ich hatte schon behauptet, die Bernhard-Lektüre würde mich nicht im Mindesten beeinflussen. Er ist auch nicht der einzige, den ich lese. Montaigne lobt seine Faulheit, sein unzuverlässiges Gedächtnis, denkt oft darüber nach, daß es besser sei, ohne viel Aufhebens irgendwo zu sterben, das spiele alles keine Rolle. Und meint eine Freiheit, von der ich mich nicht wirklich weit entfernt sehe. Nämlich die Freiheit auch im Nicht-Handeln.
Gadda ein Auslöser zuweilen für lautes Lesen. Eine Art Gewitter, wo Verständnis die Strecke zwischen Blitz und Donner. Jenseits der römischen Definition von ‘Augenblick’, ‘momentum’, nämlich die Dauer zwischen dem Grün der Ampel und dem Hupen des Hintermanns. In eine Luthersprache müßte man es übersetzen.
Man könnte mich derzeit als soziophob einstufen. Der Kinoklub zieht mich nicht an. Das vegane Essen mit seinen zwanzig Gängen morgen im Pianeta Verde gegenüber zieht mich nicht an. Wem ich begegne, den grüße ich, bleibe aber nicht stehen. Es gibt keine gemeinsamen Themen mit Niemandem. Vertrackte Verneinung. Es gibt keine Themen, die sich mit wem auch immer teilen ließen.
Was für eine Qual neulich Ninno wieder, als er mir Wein brachte: Cafébar-Weisheiten, aufgeschnappt im Fernseh’. Schrecklichste Vereinfachungen. Und jede Einladung zum Reflektieren gebiert weitere Scheinheiligkeiten. Icke, meine Eltern, ehrliche Leut’. Jede Dauer reimt dann auf ein ‘Aua’. Es sagt es das Achselzucken, das Verschweigen der Relativierungen. Bewußt nicht: Meinungen.
Meinung ist ein übles Wort. Und öffentliche Meinung ist so schlimm wie medizinische ‘Wissenschaft’. Es gilt immer die je einzelne Empfindung im Verhältnis zu dem, was einen umgibt, einen triezt, einen auch mal aus SICH (!) selbst herausgehen läßt, im Positiven wie im Negativen.
Ich war, als er weg war, erleichtert, weil ‘froh’ auch so ein falsches Wort ist, denn es hält der Schwere der Erwartung nicht die Waage, sondern will immer egoman mehr wiegen, als das, was so ein Holzscheit hergibt, den man gerade in den Stampfer geworfen.
Finis.

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