III, 332 – Atlas der kleinen Welt

Als Wort ergibt weder Honolulu noch Hawaii noch auch beides zusammen in den Anagramm-Maschinen ein Anagramm. Nach “null” bleibt von Honolulu “hoou” übrig: oho! Somit etwas wie “null u. oho!”. Es gibt aber auch geographische Anagramme. Irgendein geheimer Biomechanismus schrieb mir ein solches Anagramm auf den linken Unterarm. Nur die Augen merkten’s, sonst war nichts zu spüren. Rot unterlaufene Flecken. Die größte und erste Insel in die Mitte gerückt, also Hawaii, gleich links daneben Oahu, entsprechend versetzt Molokai, Lanai und Kahoolawe, Kuai noch etwas blaß, Maui muss aber erst noch erscheinen. Fehlt irgendwie. Juckt aber auch nicht. Es schreibt sich die Haut immer mal wieder selbst oder selber. Die Nebeninseln von Hawaii tauchten erst zwischen gestern und heute auf. Wann, weiß man nicht. Man merkt’s erst beim Umziehen. Und natürlich der Gedanke, es Äskulap zu zeigen, dem Dermatogeographen.
Was schläfst du, Bergsohn, liegest in Unmuth, schief,
Und frierst am kalten Ufer, Gedultiger!

(Hölderlin, Ganymed)
Frieren nicht wirklich, nicht mal Bergsohn. Hügeleinwohner, schon eher, flachlandgebürtig, eigentlich. Und schreibest, zu später Nachmittagsstund’ noch ein Mailchen, ob denn diese Übersetzung einer Hauptseminararbeit (dahinter steckt eine deutsche Universität, aber der Text ist auf Italienisch) bestätigt sei, die sich deutend heranwagt an ‘Ganymed’ und ‘Der gefesselte Strom’, denn ich hatte seit dem Vormittag nichts mehr davon gehört. Sie sei, schrieb der Gewährsmann, bestätigt. Was alles auf eine Haut geht, selbst der Hölderlin als nunmehr Brotarbeit! Selbst die schwarzen Flecken auf der weißen Kuhhaut. Jedenfalls noch vor ehestem auf dem Cover von ‘Atom Heart Mother’. Paßt im Nachhinein irgendwie zum Friedensnobelpreis.
Natürlich ist bei Hawaii auch Paul Kuhn im nicht mehr so ganz jungen Hinterkopf. Was er da anfangs der Sechziger so alles mitbekam aus der Bildzeitung. Und wie mich die Kennedy-Geschichte aufwirbelte und der Mauerbau, während Freddy und Paul Kuhn und sonstwer sangen. Über Sylvia Plath war für mich nichts Wahrnehmbares in der Bildzeitung zu sehen, die der Vater von der Arbeit nach Hause brachte.
Abgesagt habe ich dem ‘Oltre il Visibile’-Fulvio dann doch nicht, weiß aber schon ungefähr, wie ich mich aus Affäre ziehe und ihr, Sylvia Plath, einen kleine Kotau fabriziere. Den Film sah ich mittlerweile bei youtube. Nunja, nicht ganz so verschlunzt, wie ich fürchtete. Aber eher doch auf Bildhascherei erpicht. Etwa ihr Profil, wie man’s kennt aus dem Plath’schen Proträtkanon: es wird oft und oft versucht, es zu reproduzieren.
Morgen nachmittag Märchenstunde für Erwachsene im Bioladen: “Una favola con il tè”. Die Märchentante sah ich schon: wallende weiße Haare. Ihr Vorname sei Genji. Worauf ich sie ansprechen werde. Auf diesen japanischen Prinzen. Nun ist es mir allerdings unangenehm, mich als Teilnehmer eines Teekränzchens zu sehen. Ich sollte so dreist sein, stattdessen ein Bier zu trinken. Fragte auch nach heute, um was es da gehe: um irgendwie Anthroposophisches, viel Grimm, und sie lese die Märchen auch auf Deutsch, bevor sie sich darauf einlasse. Nun gut, es diene als kleine Ablenkung vom Rest. The old curiosity. Ohne shop.
Kleine Welt! Und über das Dorf hinaus – ein Wort, das durch dreiste Zähne ging, erreiche dreißig Dörfer. Egger, Herde der Rede

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