Nachruf auf Zarah Wolf. Im Arbeitsjournal des Mittwochs, den 25. Oktober 2017.


[Arbeitswohnung, 6.51 Uhr
Schon winterdunkle Stille.]

Um sechs hoch. Nachts >>>> Zarah, Wilde Jahre in einem Zug durchgesehen; jemand hatte mir die Serie empfohlen:

Zarah Wolf 1
[© ZDF]


Ich habe die Zeit der Siebziger noch gut in Erinnerung, der dokumentarischen Einsprengsel – sie dienen der quasi Kapitelunterteilung – bedürfte sie, die Serie, nicht. Ästhetisch sind sie schlecht verdoppelnd, also redundant.
Denn ich roch das Wohnzimmer meiner Großmutter; Zarah Wolfs Mutter sieht sogar fast aus wie sie; das reicht bis in Bewegungen und Blicke. Leicht problematisch fand ich allenfalls, daß Frau Wolf, also die emanzipierte Tochter, Lesbierin ist. Daraus ergibt sich eine Gegnerschaft zu Männern auch triebbestimmter, also psychologischer Natur, was ihre sachlichen Argumente indirekt schwächt. Aber das ist ebenso Krittelei wie die Vorgabe, daß diese Kämpferin eine erfolgreiche Bestsellerautorin des Feminismus ist („Ich verdiene im Jahr 200.000 Mark, Mama!”), die es sich also leisten kann, aufsässig zu sein. Umso ärgerlicher allerdings. Denn die „einfachen” Frauenrechtlerinnen wirken ihr gegenüber verstockt und dumm, in milderen Fällen naiv. Man könnte dahinter eine Infamie „männlicher” Produktions-, sagen wir, -umstände vermuten: Die patriarchalen Strukturen wiederholen sich unter den widerständigen Frauen-selbst.
Dennoch wird deutlich, weshalb es – fast oder tatsächlich notwendigerweise – schließlich zu dem >>>> dort von Rauch und mir so scharf monierten (und weiter zu monierenden) „Correctness”-Wahn gekommen ist: Dialektik der Aufklärung. Befreiung wird zu Gefangenschaft und neuer, wenn auch andrer Enge. Mit diesen Männern dort indes, fürwahr, war abzurechnen, und zwar hart; Verunsicherung tat ihnen schon gut.
Hingegen führt die eleganteste Frau der Serie vor – gespielt von der ausnehmend schönen Theresa Underberg -, wie auf dem Patriarchat wenn nicht bis zum Worldcup, so doch der deutschen Meisterschaft erfolgreichst wellengesurft werden konnte und wohl auch weiterhin kann. Perfideste Szene des Strangs: der mächtige Verleger lackiert ihr, der wirklich mächtigen Frau, über deren Füße er, sitzend, gebeugt ist, die Nägel. Sein untersetzter Körper, neben ihrem beinahe phallisch gestrafften, wirkt wie ein Schwamm.
Dann, nach einer Verwicklung in Deutschland im Herbst, wird die Kämpferin Wolf brutal aus der Serie genommen und diese damit beendet; die Volte soll vielleicht ihre „Menschlichkeit” zeigen oder dem Sender (ZDF) ist das Geld ausgegangen oder die Einschaltquoten genügten ihm nicht. Jedenfalls ist das übelst herbeigebrochen. Eine Frau wie Frau Wolf, lebenslang mit der Vorstellung eines harten Nazivaters belastet, bräche ganz sicher nicht zusammen, wenn sich herausstellt, daß der tatsächlich leibliche Erzeuger die lächerlichste Karikatur eines Puffbetreibers ist – schon gar nicht raste sie, darob erschüttert, in einen Verkehrsunfall, der sie, mag sein, nicht das Leben, die Serie aber ihre Fortsetzung kostet.
Für das ZDF war diese Frau zu stark.
Meiner Verehrung, allerdings, sei sie sicher.

Heute >>>> bei Ecker eine Allegorie: „Die Bedeutung der Geschichte” – unter der dieser Autor eine Narration, nicht die Historie versteht – „ist das, worauf die Therapie hinauslaufen muß. Zeit ist jedoch, auch davon sprechen die alten Schriften nicht, weder ein Garant für Erfolg noch Trost” – was bedeutet, daß Zeit nicht Trost ist, denn vor „Trost” steht kein „für”.
Diese Art stilistischer Präzisionen lassen Eckers Prosa >>>> flirren:

Auch >>>> Marcus Brauns Letzten Buddha zu lesen begonnen: in seiner klaren Knappheit raffiniert gebaut. Bis S.76 gekommen; nachher, wenn mich die Putzfrau vertreibt, lese ich mehr. Wiederum die >>>> Schaefer/Peirani-Kritik will ich jetzt für >>>> faustkultur schreiben und erst nachher in Die Dschungel übernehmen; wenn Google sie, Die Dschungel, nicht mehr listet, hat eine Veröffentlichung-hier nur einen bedingten Durchschlagswert. Verzeihen Sie mir, liebe Freundin, aber ich muß „die Realien” sehen, auch wenn sie mir nicht passen.

Außerdem sind eine Menge Videos und Bilder, für den Ghostroman, anzugucken. Und mit dem Finanzamt muß telefoniert werden, was ich tun will, nachdem ich die Löwin geweckt haben werde. Also jetzt gleich.

(—)
(Erledigt; die Löwin erbat eine halbe Stunde Schlafes mehr; der Finanzangestellte beruhigte mich: „Nein, keine Post verloren.”)

Erster Morgencigarillo, zweiter Latte macchiato, Andreas Schaefer gleich. Und halt Ihr ANH.

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