Das zweite Frankfurter Messejournal. Am Donnerstag, den 11. Oktober 2018.

[Schreibtisch hinter der Brücke, 7.20 Uhr]
Die Auseinandersetzung um die Béartgedichte >>>> geht weiter, nachdem sich erst >>>> auch Aikmaier, danach, am Abend und seinerseits poetisch, >>>> Bruno Lampe eingeschaltet haben, und geht tatsächlich um das durch die Béartgedichte angeblich oder tatsächlich transportierte Frauenbild; jetzt müßte ich imgrunde nur noch auf einen *metoo-Angriff warten. Immerhin hat so die Lyrik eine Relevanz auch jenseits der Form, nämlich diesseits des Diktats der Correctness. Um ein solch handelt es sich längst, um eine Atmosphäre des permanenten Geduckes und Gedruckses. (Doch um es deutlich – noch einmal und wieder und wieder – zu sagen: Ich finde es unerträglich, daß im Schnitt Frauen schlechter bezahlt werden als Männer, daß sie nicht in gleichem Rang an Führungsstellen sitzen, bzw. stehen usw. usf.; aber dies betonen zu müssen, um nicht in falschen Ruch und überhaupt Ruch zu geraten, ist seinerseits skandalös und zeigt, wie vermint das Gelände längst worden ist, und zwar ideologisch.)
Ich halte die Vorstellung der Geschlechterneutralität für eine direkte Ableitung aus dem kapitalistischen Ungeist der Äquivalenzform – und, zu jedenfalls einigen Teilen, auch das Diktat der Correctness. Es öffnet außerdem der Denunziation Tür und Tor, also den anonymen Briefkästen unserer virtuellen Dogenpaläste. Dazu gehört, daß der nicht-correcte Traum nicht mehr sein darf; zumindest darf er nicht mehr erzählt werden, schon gar nicht in einer Dichtung – ein einer Stigmatisierung durch Schuld gleichkommender Wegdrück-, also machtpolitischer Verdrängungsmenchanismus.

Dagegen standen gestern auf der Messe einige Stimmen, die, für mich ganz unvermutet, den Gedichten beisprachen, nicht denen der Béart, aber den bereits erschienenen letzten beiden Bänden, Ungeheuer Muse und Aeolia. Das tut denn doch gut. Zudem ist in Volltext ist meine Rezension zu Wondratscheks, “auch” einem Macho, Selbstbild mit russischem Klavier erschienen, ich habe die neue Ausgabe aber noch nicht in der Hand gehabt, und heute wird, bei faustkultur, meine Rezension zu Kjærstads Das Norman-Areal folgen. Ich reiche den Link jeweils nach.

Ansonsten viel umhergestreift, sehr meine Lektorin vermißt, die erst heute, SMSte sie, auf die Messe kommen werde; es ist ein wichtiges Gespräch mit Septime zu führen, heute oder morgen: Wie ordnen wir die Erzählungen a n? Herbert Wiesner, gestern abend auf dem Österreich-Empfang, hatte eine Idee, über die ich mit Elvira und dem Verleger gern nachdenken möchte. Und der Verleger, während einer Rauchpause draußen vor der großen Halle 3, kam bereits mit einer Gestalteridee für die erst einmal zwei Bücher.
Im Lauf des Tages dann von diaphanes die letzten Fahnen der neuen Béart-Abdrucke; da werde ich mich für eine Stunde zurückziehen und korrigieren müssen, denn morgen soll alles bereits fertig wieder in der Redaktion sein. Jetzt aber erst mal : duschen.

[8.46 Uhr]
Erledigt, Freundin, ich (lächelt) durfte. — Übrigens wär hier zu fragen, welche Projektion denn wohl S i e sind? und ob ich Sie projezieren darf … Denn gendercorrecterweise müßte ich Sie ja erst fragen, ob Sie projeziert werden m ö c h t e n. Es wird uns dieses wohl all unsren Romanfiguren gegenüber in die höchste Bedrängnis bringen.

Mit diesem Satz im Kopf brech ich zur Messe auf, mag hinspazieren, “weil erstens etwas Sport” und zweitens ist solch wundervolles Wetter: schmiegsam wie erträumt das Weib.

Ihr, mal wieder,
U n h o l d

9 thoughts on “Das zweite Frankfurter Messejournal. Am Donnerstag, den 11. Oktober 2018.

  1. unsinn, der unhold. vielleicht würdest du gern einer sein, so lese ich es und frage mich, warum eigentlich? es ist die zeit der netten männer angebrochen, könnte auch deine sein, wenn sich das mit dieser unholdinszenierung mal legte, die dir eh niemand so richtig abnimmt, so kommt es mir vor. aber irgendwie brauchst du das, keine ahnung, warum. ich denke dann, verkauft sich vielleicht besser, ist süffiger, so wie die 50 grauschäden. dann würde ich vielleicht aber doch den kontakt zur filmbranche auch suchen, die ist im wachsen begriffen und braucht ja auch leute für geschichten. babylon berlin zeigt es doch ganz gut. so verkehrt wärst du da nicht. meere und traumschiff mal verfilmen, das würde mit sicherheit laufen. auch im fernsehen, harr harr. nein, ernst gemeinter vorschlag, gibt ja nicht wenig drehbuchschreiber*innen unter autor*innen.

  2. und, ja, frag doch mal, frag doch mal irgendeine frau, gar keine so schlechte idee! neulich sagte ein autor, der einen yakuzajapanroman schrieb, sich sehr gut auskennt mit tee und keramik und vielem mehr, er war selbst noch nie in japan, hätte sich nie ergeben, aber er gäbe es schon leuten zu lesen, die japan nicht nur aus büchern kennen. frauen kennt mann ja nun mal auch nicht nur aus büchern und ich finde, taucht halt wenig von dem auf, was ich so von frauen kenne und mir selbst, aber du hast ja auch lektor*innen, die haben ja weniger probleme damit, als ich, vermutlich bin ich gar keine richtige frau. und der nicht korrekte traum wird aufs schönste noch verlegt, adornos traumbuch z b. ich vermute oft etwas ganz anderes, dass dein und vieler anrennen gegen die correctness dabei ein scheingefecht ist, um sich den schwächen des gemachten nicht stellen zu müssen. so, das wars auch jetzt erst mal wieder von mir. ich fühle mich hier nicht mehr zuhaus, ich bin längst ausgezogen.

  3. Wenn ANH von Frauen dichtet, dann ist das so, als wenn Giger Aliens malt. Sein sogenanntes Begehren ist das Begehren Ripleys.

    PS: Giger war freilich ein Meister, das soll hier nicht vergessen werden.

  4. wusste gar nicht, dass boris becker hier spricht, so allmählich versteh selbst ich es dann auch. alles eher ne indoortätigkeit, geht auf den herbst zu, verstehe.

  5. liedtext für eine junge, moderne und aufstrebende sopranistin :

    es geht um
    anpassungsleistung
    – eingliederungswilligkeit –
    sowie um
    toleranzfähigkeit
    ohne toleranzfähigkeit ist selten eine
    stimmige anpassungsleistung
    zu erreichen
    unabdingbar ist
    vor allem toleranz gegenüber
    (super)reichen mitmenschen
    sowie gegenüber
    überhöhten mieten
    und vor allem dem sogenannten
    billiglohnsektor
    – eigentlich gegenüber allen deutlich unterbezahlten arbeitsverhältnissen –
    erst diese
    toleranzfähigkeit
    völlig losgelöst
    von der jeweiligen
    gesellschaftlichen situation
    zeichnet eine
    erwachsene
    ausgereifte
    und
    vorbildliche
    persönlichkeit

    aus

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