Am Tag zuvor immer die feste Entschlossenheit, wie abends da, als ich mir wie ein altes Weib vorkam, das mit einem Reisigbündel aus dem Wald kommt. Der Entschluß, dem Abhilfe zu schaffen, indem man zum Friseur geht, dann doch eher ein Antidepressivum, das Allheilmittel: “si finisce col cercare soluzioni. Assoluzioni.” Las ich grad. Lösungen = Loslösungen. Am nächsten Tag Wasser, dieses reinigende Element. Und es fiel mir wieder der Schleier vors Gesicht, wenn ich an den Spiegeln vorüberging. “Quando i miei occhi e i tuoi si toccano è giorno o notte?” Las ich grad. Wer ich und du ist, bleibt sich gleich. Ich fuhr nicht zum Friseur. Und du ließest es nicht fallen auf die grünen Fliesen des Salons, während ich und der Friseur darüber lästern, daß man den Leuten, die wie er und ich hierin der Oberstadt wohnen, die Parkplätze wegnehmen will, die, nach der Meinung etlicher Leute, die wahrscheinlich außerhalb der Stadtmauer wohnen, zu sehr mit Autos vollgestellt ist. Ach, früher…
Kamen wohl die Leute auf Eselsrücken herauf.
Am nächsten Abend, es muß Freitag gewesen sein, holte mich das Bild der alten Frau und der Spiegel wieder ein: “Now I am a lake. A woman bends over me” und “In me she has drowned a young girl, and in me an old woman”.
Ich hatte mal wieder Sylvia Plath hören wollen und stieß – na, auf was wohl? – auf “Mirror” (curious link). Die sofortige Zwangshandlung der Aneignung, aber nicht Spiegel sollte er heißen, sondern “Speigel” (even more), denn das war’s doch: ein Speien auf das Abbild, diesen depressiven Moment. Und so ist das wohl auch zu lesen.
(O)
spiegelei
speak a lie
überall
überfall
( _ _ ‚ ) : ( ‚ _ ‚ ) : ( ‚ _ _ )
(von hier). Der Samstag kam: statt Lebowski lieber wieder mal Aliens zuhaus’. Die Schauspieler konfektioniert wie geschlechtslose Comic-Figuren. Als ich am Ende lauter japanische Namen sah, wunderte ich mich nicht mehr. Der Sonntag kam. Regenwetter am Vormittag. Windstöße. Dann beruhigte es sich. Etwas aufgeräumt, denn es hätte ja sein können, das sie vor dem Arien-Abend vorbeischaut. Aber das passierte nicht. Und ganz ohne Schirm (eigentlich gewagt) dann zum Palazzo Petrignani die fünf bis zehn Minuten Fußweg, diesen ihren Spiegel sprechen zu lassen. Und das ward mir vollends klar: Spiegel lügen!
Ich stand noch an der Kasse, da kam die Riesin, ich meine Ulpia, schon auf mich zu. Schwarze Abendrobe, Perlenhalsband, das rötliche, unregelmäßig herabhängende Haar, naja, und die Augen halt, die sie hat. Und hätte ich einen Schalter in mir gehabt mit Rotwerden On/Off, ich hätte On drücken müssen, so wie sie mich in ihren Worten schönspiegelte.
Der nicht allzugroße Saal füllte sich für die fünf aus Rom angereisten Sängerinnen nur fürr zur Hälfte. Vier, fünf Bekannte darunter. Die Ex-Schwägerin setzte sich neben mich. Sie schien es für angebracht zu halten, dauernd Kommentare von sich zu geben. Bis ich ihr dann doch mal einen zum Munde geführten Zeigefinger zeigte, während ich immer gespannter zuhörte. Mein Urteil zur “Performance” mag sich zwar im immer lauteren Beifall spiegeln, fiele aber laienhaft aus, und so sage ich dazu nur diesen einen Satz, der mir gestern einfiel:
Ein koreanisches Streichhölzchen, das im Singen einer berühmten Traviata-Arie zum Baum wird, aus dem es entstanden…
Es gelang mir sogar, ihm bzw. ihr, der Koreanerin, die in Straßenkleidung noch mehr wie ein Streichhölzchen wirkte, ein Kompliment zu machen, bei dem ich mich sogar traute, auf ihren Kleinwuchs anzuspielen, und das Wort “crescere” einzubringen usw. (ich habe normalerweise kein Talent für Komplimente, sie fallen bei mir eigentlich immer recht drög aus), nachdem man sich nach der Völlerei in Valdas Pizzeria gegen Mitternacht verabschiedete und sie alle wieder nach Rom zurückfuhren.
Mi cerco nello specchio. Provo a cambiare i pensieri. Vedo che faccia ne esce.
Ma sono piccoli frammenti d’identità, quasi inservibili. Tensione che non
mi guida. …
(Roberta Boccacci, Oltre la linea gialla, presentarsi alla cassa di Oltre il visibile per acquistarlo (hieraus die anderen Zitate in ital.)).