Wer das Wort “vereinsamt” sieht, stattdessen aber Vereins-Amt liest, ist es wohl nicht. Kurz: demokratische Kleinschreibung. Zumal ich an den Spätnachmittagen letzthin gern Rap höre, während unten die Kartenspielerinnen raunen oder, wie jetzt, getrommelt wird: Der Stadttrubel des Palio hat begonnen. Ab dem 29. sind abends rigoros die Fenster zu schließen, weil unten auf dem Platz für zwei Wochen Fleisch und Würste gegrillt werden, die dann auf den Tischen auf dem Rathausplatz gleich um die Ecke landen. Nebenbei (nicht nebenan) wird gereimt, etwa AABCCBDD oder XAXBXXAB oder gleichsam stabreimlich ABC in der einen Zeile und ABC in der nächsten… Gut, daß es das Allgemeine deutsche Reimlexikon von Peregrinus Syntax gibt. Wie einen Reim auf “gaudentes” finden? Peregrinus hatte ihn: “Impudentes”. Fürwahr schamlose Zeiten.
Aber das ist eigentlich er, der das macht. Er schiebt, wie immer, bis auf die Arbeit alles auf die lange Bank, kommt gar auf die glorreiche Idee, sein “Gebrechen” mit Magnesium und Kalium zu behandeln, hat sich aber noch nicht wieder hinunterzugehen getraut, um dann zu Fuß den Weg hinauf in Angriff zu nehmen. Stattdessen sucht er verzweifelt nach den Transportbedingungen des “Pollicino” (“Däumchen”) genannten städtischen Verkehrsmittels, denn vielleicht, so meint er, könne er ja den für die engen Gassen bemessenen Minibus jenseits einer gewissen Altersschwelle (sagen wir 65, was in etwa bei ihm hinkommen würde) gratis benutzen, zumindest für die Hinauffahrten (hinunter flutscht es nach wie vor).
Morgen in aller Herrgottsfrüh (zumindest kompatibel mit den Öffnungszeiten des Supermarktes) wolle er mal wieder hinabsteigen (wie neulich schon, als er zur Post und zur Apotheke mußte, wo ihm, wie gesagt die Magnesium-Kalium-Nahrungsergänzung im Regal links zuzwinkerte): ihm fehlen so drei-vier Sachen. Die Nachmittage sind dafür z.Zt. eher “micidiale” (i.e. murderish).
In die Rap-Pausen klingt gerade Kirchengesang. Wenn heute Sankt Anna fällig ist, dringt er aus der eher unscheinbaren Kirche Sankt Anna gegenüber, die nur an diesem Tag ihre Pforten öffnet, auf den Platz hinaus. – Tatsächlich: Annentag! Aus dem Anlaß wahrscheinlich der für heute abend angesagte Remmidemmi auf dem Rathausplatz mit so etwas wie einem musikalischen Wettstreit so ab 22.00 Uhr. Natürlich kombiniert mit “gastronomischen (lies: gastroläsiven) Ständen”.
Ich sollte mich dazustellen, ein Bier in der Hand, der Menge zuschauen, ein bißchen “Einsamer nie als im August” (ist ja fast schon so weit) spielen. Bene, bene, Benn, er (also nicht Benn) hat es fast schon beschlossen. An eine Erfüllungsstunde glaubt er nicht unbedingt, es taucht eher eine Szene aus “Perrudja” wieder in seinem Hinterkopf auf, die sich der einstige Hinterhofneuköllner damals recht heftig eingeprägt: “Einsamer nie”. Aber wer weiß, vielleicht trifft er ja doch auf Norweger, es gibt gelegentlich Webindizien für ihre Anwesenheit in Amelia.
Kann sein, daß in der nächsten Woche trotz der trockenen Jahreszeit der Jordan hier kurz vorbeifließt. Es gab bisher unbestätigte Andeutungen. Denn er wolle sich zur Grenze zu Afrika begeben, was natürlich eine Anspielung auf meine Information war, die Florentiner seien der Meinung, Afrika beginne südlich ihrer Stadt.
Nun gut, man wird mich auf dem Platz irgendwann treffen. Das Feuer für die gastronomischen bzw. gastroläsiven Spezialitäten ist bereits angezündet: