Tatsächlich ein Schneien gestern Vormittag. Das erste Mal in diesem Winter, der schon ein Frühling ist (immerhin die Osterglocken blühen im Hof). Und ein kalter heftiger Wind. Dennoch mußte ich mich durchringen, am Nachmittag nach langer Zeit mal wieder hinunterzugehen, diesmal zur Apotheke, immer noch ohne Gesichtsmaske (zwar bestellt, aber noch nicht angekommen (kann sein, daß der eine Handyanruf am heutigen Vormittag die Zustellung betraf, aber ich antwortete zu spät und somit der Leere (doch daran, es könne sich darum handeln, dachte ich erst 2-3 Stunden später))).
Typologie der vor der Apotheke Stehenden: Gesichtsmaske (die meisten, vor allem die Frauen), einer ohne, aber mit Gummihandschuhen. Einer ohne Maske und ohne Handschuhe. Ich nach wie mit Palästinenserfummel, die linke Hand in der Jackentasche und mit der langsam steif werdenden rechten, unbehandschuhten Hand, die die Verschreibung hielt.
Drinnen endlos lange Gespräche zwischen den Apothekerinnen (wann ist mir zuletzt ein Apotheker begegnet?, wahrscheinlich in “Schule der Atheisten”) und den Kundinnen mit den Gesichtsmasken, während die rechte Hand immer steifer wurde. Als ich an der Reihe war, unbedingt abgezähltes Geld hingelegt für die plexiglasbeschützte Frau.
Danach zum Geldautomaten, Tasten berühren. Back home aufwärts: seit langem nicht mehr die Waden gespürt, sie schmerzten auch gar nicht, wie noch vor einem Jahr. Es ging sich so hin gegen den fatal kalten Wind.
Heute ein denkwürdiger Anruf. Meine eine Schwester hatte es Sonntag schon angedeutet. Die einzige verbliebene Tante oder überhaupt die Einzige rief an, die von der Generation übrig geblieben, aus der man hervorgegangen. Der ich immer einen Besuch widmete, wenn ich denn mal im Dorf war. Sicher schon Richtung 90, genau weiß ich es nicht, aber es gibt ein Foto, wo sie mich, den Säugling, auf dem Arm trägt. Merkwürdigerweise gibt es kein Mutter-Sohn-Foto…
Ihre Stimme klang sehr gut, und ich konnte sie durchaus beruhigen.
Auch sonstige Anfragen trafen ein.
Soweit die Mosaiksteinchen, die ich gestern schrieb. Simple Chronik. Die Arbeit selbst, zwar nach wie vor heftig, was das zu Erledigende und lang schon Eingetroffene betrifft, doch für neue Aufträge scheint sie sich zu verlangsamen. Klar, imaginäre Szenarien: eingestellte Produktions- und sonstige Tätigkeiten (einschließlich Tourismusbranche), womit Bedarf fortfällt. — Also Projektionen noch und noch.
Um mich verständlich zu machen: Es ist die Rede von meiner Brotarbeit, dem Übersetzen von Gebrauchstexten, also das Eingebundensein in einen gewissen Mechanismus, der dem herkömmlichen Wirtschaftsleben entspricht (Rechtsstreitigkeiten, Produktanpreisungen, Produkterläuterungen, Ausschreibungen usw.).
Nichts natürlich wäre mir lieber, als mich dem entgrenzen. Mir ist die derzeitige Ent- (Ein?)grenzung fast willkommen, da es mit der Welt da draußen nicht so bestellt ist:
Diese Wohnung, die Seite des allgemeinen Elements oder der unorganischen Natur des Geistes, schließt nun auch eine Gestalt der Einzelheit in sich, die den vorher von dem Dasein abgeschiedenen, ihm inneren oder äußerlichen Geist der Wirklichkeit näherbringt und dadurch das Werk dem tätigen Selbstbewußtsein gleicher macht.
Hegel, Phänomenologie des Geistes
Ein Satz der hübt und trübt und drübt, wo das “tätig” nicht dem sich selbst bewußten und “eigentlich” untätigen und abwartenden Sein entspricht. Nunja, die Phänomenologie liegt ganz oben auf einem meiner Bücherstapel. Ist ja schließlich Hegel-Jahr. Das Buch besitze ich ungelesen seit Dezember 1978. Begleitet von einer Legende, den ein damaliger Freund kolportierte: er habe in der Bibliothek einen sich darüber den Kopf zerbrechenden Japaner gesehen.
Ich hätte doch lieber Japanologie studieren sollen, wie ich’s mir durchaus mal ausgemalt habe. カラフルな風船を回して!