… und das erste, was ich gestern tat, nachdem ich aus all den Gesprächen
heraus war, war — endlich wieder ein Brot zu backen, also den Teig anzusetzen,
mit eigenem lievito madre. Die erste Ruhephase des Teiglings endete heute
morgen um sechs. Dann noch zweidreimal falten und weitere drei Stunden Treibzeit.
Den Backofen vorheizen, den hellen Laib hinein — und voilà:
Jetzt muß er nur noch etwas bräunen.
[Arbeitswohnung, 6.18 Uhr]
Schostakovitsch, Sonate für Cello und Klavier d-moll, op. 40 (→ Schwestern Hack)]
Nein, Geliebte, ich bin völlig ruhig, sehr klar. Auch jetzt noch, am Morgen darauf. Nach dieser Diagnose, meine ich. Denn, wie ich gestern einer Freundin sagte — ich telefonierte nachher, whatsappte, facetimte quasi unentwegt; mit meinem Sohn und लक्ष्मी sprach ich persönlich hier bei mir; nachdem ich kurz nach Mittag schon zu dieser hinübergeradelt, kamen sie und er abends gegen 22 Uhr zu mir und blieben bis fast eins … also wie ich der Freundin sagte: „Meine Depressionen? Die kann ich mir nun nicht mehr leisten.“
Es ist bizarr. Sei dem Befund bin ich als ich zurück. Was ist zu planen, wie ist zu strukturieren, was muß ins Auge genommen werden? Das beschäftigt mich. Und der erste Gedanke, der mir, der Gastroenterologin gegenübersitzend, kam, als sie den Befund – genauso nüchtern, unverbrämt, ich möchte sagen: ohne auf meiner Glatze Locken zu drehen –, war: Dann bekomme ich auf jeden Fall die Béarts noch fertig.
Doch der Reihe nach.
Gestern früh → also erst die Magen-, dann die nach sechs Jahren für mich zweite Darmspiegelung, für die mich die Ärztin ein bißchen übers Ohr hieb. Denn wieder hatte ich mich auf eine Anästhesie nicht einlassen wollen, weshalb sie einen Kompromiß vorschlug: hinwegs betäubt, rückwegs klar. „Dann können Sie den ganzen Weg der Sonde durch den Darm noch am Bildschirm sehen.“ Fand ich okay, → meine erste Koloskopie war ja in der Tat, ich schreib mal euphemistisch, „anstrengend“ gewesen, allerdings auch – wegen der geradezu surreal-utopischen Bildwelt, in die ich hineinsehen durfte – rauschhaft; wenn Sie mögen, lesen Sie die Erzählung nach (ich habe sie dazu noch einmal verlinkt). Und das genau, die quasi psychedelische Form- und Farbwelt, hatte ich in Speiseröhre und Magen wiederholen wollen. Das Organische war mir immer ein Wunder, und ist’s mir noch jetzt, da es sich, sozusagen wider sich kehrt, wider also gegen mich.
Die Wiederholung gelang nicht, ich war ausgeknockt. Noch guckte ich, wie immer voller Neugier zu, wie mir der Bioport gelegt wurde. Dann tröpfelte schon das Narkosemittel in mich rein. Das nächste, was ich hörte, war ein fernes, tja, „Plaudern“ der beiden behandelnden Damen. Na, kann so schlimm ja nicht sein, dachte ich und fragte, als ich erwachte: „Und wann die Magenspiegelung?“
„Wieso, die ist schon vorbei.“
Grrr. Und daran, auf den Bildschirm zu schauen, hatte ich, als und während ich erwachte, komplett vergessen, mich statt dessen über das Geplauder der Damen im Wortsinn amüsiert.
„Wann werden Sie abgeholt?“
„Abgeholt? Nebbich! Ich kann alleine gehen. Außerdem steht mein Fahrrad vor der Tür.“
„Das geht nicht, aus juristischen Gründen. Dann müssen Sie ein Taxi nehmen.“
Was mir vor allem zu teuer gewesen wäre, aber auch objektiv so lächerlich war, daß es an Peinlichkeit grenzte. Ich meine, einen halben Kilometer, nicht mehr … Aber, dachte ich, red du nur. Und erstmal sollte ich sowieso nach nebenan auf die Liege, um die Narkose auszuschlafen.
Nur daß ich sie schon gar nicht mehr merkte. Fünf Minuten hielt ich hinter dem vorgezogenen Vorhang die Liegerei aus, dann schaute ich nach meiner Ledertasche, in der die ADA steckte — und begann zu lesen. Wo war mein Stift? Ah, da.
Doch ich kann im Liegen nicht lesen, konnte es, seit ich ein Mann bin, nie. Ich muß sitzen, am besten an einem Tisch und auf einem harten Stuhl. Also ließ ich die Beine lesend baumeln.
„Wie? Sie sind schon wach? Gibt’s doch gar nicht!“
„Gibt’s, is‘ immer so bei mir.“
„Na dann gehn Sie besser ins Wartezimmer, wo Sie auch mehr Licht haben. Ich brauche noch eine halbe Stunde, dann besprechen wir alles.“
Noch ahnte ich nichts.
Eine ungefähr sechzigjährige, wirklich Dame betrat das Wartezimmer, eine schöne Frau von großem Chic, vielleicht ein wenig streng um die Lippen. Sie setzte sich. Und nach einem Blick auf ihre Füße konnte ich nicht anders, als leis gesprochen auszurufen: „Was sind das für schöne Schuhe, die Sie da tragen!“
Wahrscheinlich war schon das wieder genderincorrect, denn sie reagierte nicht einmal. Nur ihre Lippen zuckten an den Enden noch ein Stück weiter hinunter – als wär mein Kompliment eine Beleidigung gewesen, die frau am besten ignoriert.
Gleichwohl, ich sah sie nach wie vor an, zog mein Notizbuch hervor und schrieb die Frau mir ab. Beschrieb den Silberschmuck und die deutlich echten, in ihm eingefaßten Steine, die Haute Couture der schmalgeschnittenen, nur bis zur Hüfte reichenden Jeansjacke und dann den auffällig schmalen Schnitt der Lippen. Und ihre, obwohl sie niemals zurücksah, hellen, schmerzerfüllten, spürte ich, Augen. Als ich schon aufgerufen wurde
„Was meinen Sie“, fragte ich, „bösartig oder nicht?“
„Bösartig. Brauchen Sie erst mal Zeit, um es zu verarbeiten?“
„Was soll ich verarbeiten? Was ist, ist.“ Ich war von Anfang der Eröffnung an komplett ruhig. Nicht die Spur von Panik. Die Béarts, war das erste was ich dachte, bekomme ich auf jeden Fall noch fertig. Diese Sicherheit machte mich enorm gefaßt. Später kam da noch anderes hinzu. – „Wie gehen wir vor?“
„Als erstes müssen Sie in die Klinik zur genauen Bestimmung der Tumors.“
„Und um herauszufinden, ob er bereits gestreut hat.“
„Ja.“
„Welche Klinik empfehlen Sie?“
„Sie haben zwei Möglichkeiten, entweder die Charité oder das Sana-Klinikum in Lichtenberg. Bei jener gibt’s das Problem, daß nie jemand ans Telefon geht, wenn man einen schnellen Termin ausmachen will. Zu Sana hingegen habe ich persönlichen Kontakt, weil ich dort lange Oberärztin war. Ich kann diese Kollegen nur empfehlen.“
„Dann rufen Sie an.“
Sie hatte den Hörer bereits in der Hand, sprach mit dem ihr vertrauten Kollegen. „Montag früh?“ Blick zu mir. „Gut.“
„Wie lange werde ich bleiben müssen?“
„Zwei Nächte. Der Tumor wird rundum untersucht, CT, nochmals Spiegelung, allerdings mit Ultraschall kombiniert. Markerbestimmung undsoweiter. Am Mittwoch können Sie bereits wieder hinaus. Da findet dann die Therapiekonferenz statt.“
Auf der, wie ich nachher im Netz las (ich las da viel, viel, viel), die möglicherweise beteiligten Spezialisten die bestmögliche Behandlung bestimmen und danach vorschlagen.
Ich war entlassen. Nach meiner Begleitung fragte niemand mehr, und keiner wollte mich noch in ein Taxi setzen. Ich war quietsch-wach, nahm nach Hause das Rad und las erst einmal den Arztbrief, den ich für die Klinik mitbekommen hatte. Auf dem Überweisungsschein stand, also steht, „Karzinom-Magen, G.“ Der Arztbrief spezifiziert es:
In Inversion Kardia morphologisch mit einer großen circumferentiellen Läsion wie Kardiakarzinom.
Das Fiese an dem Ding war (ist), daß, wenn es gestreut hat, die Bauchspeicheldrüse betroffen ist, was, ich weiß es nur zu gut (zu schlecht), bedeutet, mein Leben währt noch ein halbes Jahr. Und wieder dachte ich: Da bekommst du die Béarts auf jeden Fall fertig. Alles andre allerdings … Nun gut, wir wissen es noch nicht.
Nunmehr Statistiken gelesen. Nicht schön:
Aufgrund der zumeist sehr späten Diagnosestellung ist die Prognose schlecht und die 5-Jahresüberlebenschance liegt nur bei < 20% der Fälle.
Fünf Jahre immerhin bedeuteten, auch die Triestbriefe bekomme ich fertig. Den Friedrich allerdings … Es sei denn, formulierte ich später in Facetime, ich schiebe alles beiseite, was ich mir an Recherchen vorgenommen hatte, und schreibe „einfach“ runter, allein auf der Grundlage der ANDERSWELT-Poetik, die ich ja nun eh beiziehen wollte. „Fünf Jahre, in Ordnung“, dachte ich. „Das sind noch zweieinhalb Bücher.“ Hatte ich nicht, ahnend, das ganze letzte Jahr poetisch vor allem damit zugebracht, meinen literarischen Nachlaß zu sichern und es sogar hin und wieder in DER DSCHUNGEL genauso ausgedrückt? Denken Sie, Freundin, daran, daß ich sogar dazu überging, die alten DSCHUNGELBLÄTTER hier zu integrieren, aber auch nach und nach sämtliche Texte aus meinem ersten, dem Weblog bei Freecity. Auch das, auf jeden Fall, will ich noch beenden. Sie glauben nicht, wie meine Sicherheit sich da noch einmal festigte. Nicht die Spur mehr von Niedergeschlagenheit, dieser mutlosen Hilflosigkeit, von ich noch neulich geschrieben habe und die mich dazu trieb, mich ganz von mir aus, unabhängig von Corona, zu isolieren. Sondern Klarheit, ein Ziel vor Augen, den Gegner vor mir sehe, anstatt daß er sich ständig im Nebel aus Gesagtwerden, Ignorieren, schweigendem („klandestinem“) Mobbing verbirgt. Mit dem ich derart viel Erfahrung habe. — So bizarr es klingt, diese Diagnose ist für mich wie eine Erlösung, auch – oder eben, weil – ich die sehr möglichen Konsequenzen deutlich vor Augen habe. Ansehen können, was dich bedroht. Es benennen können. Und meinem Instinkt erneut vertrauen. Denn hatte ich’s nicht schon gewußt?
In der Tat. (Seltsames Idiom, das einen Zustand als aktiv sieht). „Es ist auffällig“, sagte die Gastroenterologin, „wie absolut genau Sie mit dem Finger auf die Stelle gezeigt haben, auch wie exakt Sie, was da passiert, beschrieben haben.“ Ich hatte ihr beim Vorgespräch mein Gefühl geschildert, daß sich genau der Ausgang der Speiseröhre in den Magen verengt anfühle, weil nun fast immer, schluckte ich, die Nahrung da hängenblieb, und wenn ich zum „Rutschen“ nachspüle, ist es, als stünde die Wassersäule noch zwei Sekunden lang drauf, bevor sie den Bissen dann doch noch, mit einem quasi Plumps, unter sich in das Verdauungsbecken fallen läßt. Tatsächlich ist es so, daß sich der Tumor wie eine Wulst um die Kardia gelegt hat und sie langsam zudrückt.
Daß es mich dort erwischt, ist außerdem kein Wunder. Mein Magen war seit Kindheit meine „Sollbruchstelle“. Wann immer ich mich in einer als ausweglos empfundenen Situation befand, weil sich objektiv gegen sie nichts ausrichten ließ, ich also hinnehmen, mich „abfinden“ mußte, reagierte ich mit meist einen Tag lang anhaltenden schweren Krämpfen. Im Schnitt einmal pro Jahr, selten öfter. Gewissermaßen kämpfte ich auf diese Weise immer weiter, nun allerdings nach innen. Da nun aber rein lebensgeschichtlich mein Zeithorizont zu nahgerückt ist, um noch, was immer meine Kraft gewesen, gegen Ignoranz und Mobbing Hoffnung und Trotz zu stemmen, wird dieser Innenkampf genauso eng: deutlichstes rien ne va plus. Dazu, es ist mir völlig bewußt, die Raucherei — Nikotin abuses, da gibt es keine Diskussion. Aber ich bedauere ihn nicht, auch jetzt noch nicht. Denn er hat mir für meine Arbeit gedient; andere Autorinnen und Autoren brauchten Alkohol, sehr viel Alkohol, wieder andere Drogen. Wer unter Tage arbeitet, bekommt die Lungenkrankheit stets präsentiert. Doch anders als die meisten Kumpels habe ich mir meine Arbeit frei gewählt und wußte, was sie bedeuten könnte. An Hölderin zu denken und an Kleist, auch Kafka, viele andre.
Zum anderen bin ich genetisch vorbelastet. Meine Mutter starb an Krebs, mein Vater, schon mit 62, starb an Krebs, mein Großvater, mit knapp siebzig, starb an Krebs, meine Großmutter starb an Krebs. Mein Leben im dauernden Widerstand, fast durchgehende, vor allem dann seit MEERE, Erfolglosigkeit – womit ich nicht eine poetische, sondern fehlende Anerkennung meine und vor allem versagten Respekt. Poetisch ist mein Leben von Erfolg gesegnet. Auch deshalb bin ich jetzt so ruhig und seit gestern mir, also dem Rang meiner Dichtung, völlig gewiß. Es kann und muß nun darum gehen, sie zu sichern, ihr, nicht mein Überleben zu sichern. Nur mein Sohn noch kommt an Bedeutung dem gleich.
Deshalb ist dringend mit meinen Verlagen zu reden. Sie müssen, wenn es gelingen soll, zusammenarbeiten. Mit Arco sprach ich gestern schon.
Aber erst einmal rief ich nacheinander die Frauen an, die ich liebe. Und als ich Phyllis Kiehl erzählte, ich sei unsicher, oh ich in DER DSCHUNGEL über den Krebs schreiben solle – eine Frage, die sich mir auch wegen Herrndorfs ARBEIT UND STRUKTUR stellte — allzu groß ist die Gefahr, daß mir nun auch noch Nachahmung vorgehalten wird —, antwortete sie, wenngleich einigermaßen erschüttert (alle, mit denen ich sprach, waren so erschüttert; ich hatte den Eindruck, der einzige ohne Not sei ich selbst): „Das mußt du sogar. Du darfst die Ästhetik Der Dschungel jetzt nicht zerstören.“
Also, meine Liebste, werd ich hier den Verlauf der Krankheit miterzählen — „mit“, weil es zugleich dabei bleiben wird, daß ich wie stets über Poetologie schreiben werde, mit der Krankheit vermischt, wechselseitig ineinandergebettet; und alles andre bleibt ebenfalls beim „alten“, seien es die Auseinandersetzung mit nicht von mir selbst stammenden Werken wie derzeit die Nabokovlesen-Serie, seien es die Überlegungen und Kritiken über Musik, seien es die eingestellten Entwürfe meiner eigenen, primären literarischen Arbeit. Doch der Krebs, bis zu welchem Ende auch immer, wird fortan stetig dabei sein. Eine wahre Dschungel halt; wäre ich Herrndorf, würde ich sie allerdings in MÖGLICHKEITEN UND VERMISCHUNG umbenennen. Ein feiner Buchtitel übrigens:
Möglichkeiten und Vermischung
Die Dschungel. Anderswelt
2003 –20??
(Wär aber ein dickes Buch.)
Gut, meine Lektorin anrufen, die nach meinem Ableben meine literarische Nachlaßverwaltung mit sämtlichen Befugnissen übernimmt, also die Ansprechpartnerin sowohl für meinen Sohn, der mein Erbe sein wird, als auch für die Verlage sein wird. Dann schon mal eine Liste sämtlicher Paßwörter anlegen, damit sie Zugriff auf DIE DSCHUNGEL hat, und die Struktur auf meinem Computer übersichtlich genug gestalten, damit sich andere drin zurechtfinden. Aber noch keinen Zeitplan erstellen; das ist erst sinnvoll, wenn ich nächste Woche den tatsächlichen Umfang und die genaue Art des Krebses spezifiziert weiß. Wenn er bereits gestreut hat, muß anderes und anders geplant werden, als wenn ich noch die fünf, vielleicht sogar zehn Jahre (also fünf Bücher) vor mir habe.
Das also meine Situation. Wobei eines sicher ist. Nämlich werde ich mich nicht auf eine Chemotherapie einlassen; ich habe im nahen Umkreis zu oft erlebt, worauf sie hinausläuft. Es wäre kein lebenswertes, weil eben unstolzes Leben. Ich möchte gehen so, daß meine Lieben eine deutlich konturierte Erinnerung haben — um es „incorrect“ zu sagen: als ein Mann. Im Zweifelsfall werde ich, wie Herrndorf tat, den Freitod wählen:
So, Sohn, vernarrt bin ich ins Leben; ich ginge freiwillig eher, als daß ich’s beklagte.
Das bleibende Thier, Neunte Elegie
Allerdings habe ich dafür einen anderen, ich sage einmal, Traum, den ich aber hier aus verschiedenen Gründen jedenfalls noch nicht erzählen will. Im übrigen gibt es auch immer noch die wenn auch sehr unwahrscheinliche Möglichkeit, daß ich einigermaßen heil aus der Geschichte herauskomme. „Leg nachher, wenn du schlafen gehst und liegst“, sagte लक्ष्मी gestern nacht zum Abschied, „einen Finger auf die Stelle und sprich in dich „heile“ hinein. Werde dir dieses „heile“s gewiß.“
Ihr, um 8.35 Uhr,
ANH,
der heute vormittag einiges zu erledigen hat. Es ist ein paar Empfehlungen zu folgen, über die ich auch mit meiner Hausärztin sprechen muß.
[Schostakovitsch, Sonate für Viola und Klavier op. 147,
aufs Cello transponiert: Schwestern Hack.]
Die CD wurde mir gestern zur Besprechung geschickt; sie ist noch nicht auf dem Markt, wird erst ab 5. Juni zu erhalten sein
In op. 147 singt berückt Freund Hein.
*
Ecco!:
„Ach du Scheiße!“ Mehr als die Reaktion von Hermann Gremliza auf die Diagnose Wolfgang Pohrts habe ich nicht zu bieten. Und dann diese Todesmusik dazu. – Kennen Sie die 6. Mahler von Currentzis? 1 Wort, und sie ist in der Post. D… 68 in 10437 stimmt noch? Oh Mann!
Lieber Herr Knelangen,
dieses ist ein Wort.
Ihr ANH
bei jetzt David Ramirers Bach-Variationen inversus REMIX.
So gehts mir auch beim Lesen dieses Eintrags. für alle Lesenden dieses Blogs sicherlich ein Schock.
„Ach du Scheiße“.
Ich wünsche Ihnen Weishaft und Kraft und hoffentlich noch sehr viel Zeit, das zu tun, was für Sie wichtig ist.
Weiter schreiben, ist sicherlich ein guter Ratschlag, Sie können das entscheiden, ob Sie sich dazu entschließen, niemand sonst.
Lieber franzsummer,
zu schreiben, zu dichten also, war mein Leben und ist es. Auch eben meine Art, es sowohl zu bewältigen wie zu feiern. Daran kann auch eine wahrscheinlich lebensbedrohende Krankheit nichts, aber auch gar nichts ändern. Im Gegenteil eher.
Dazu werde ich morgen die alte Reihe Das Leben als einen Roman begreifen wieder aufnehmen. Es war dieses das, was mir vorhin nach einem guten, so langen wie intensiven und zugleich menschlich einander zugewandten Gespräch mit meiner Hausärztin aus dem Festschonvergessenhaben aufstieg, gerade, als ich das rechte Bein über den Fahrradsattel schwang. Und denn… sehen Sie, das Brot … und schon, gerade kam ich heim, rief CAFFÈ E RICAMBIO an, um mitzuteilen, daß meine Pavoni repariert sei. Jetzt steht sie schon hier, und ich genieße den ersten Espresso wieder, höllisch schwer und süß mit brauner, himmlisch fester Crema.
Ihr ANH
1 Bild.
Das ist … ach, was soll ich sagen? Vielleicht, daß Mahler VI sehr viele Jahre meine liebste seiner Sinfonien war – bis ich in die Tiefen der IX hineinfiel und in Barshais Komplettierung der X, deren Uraufführung ich übrigens live mitgeschnitten habe. (Was hier in der Arbeitswohnung an Uraufführungen, teils gar niemals publizierten, in den Regalen steht, ist ein unendlicher Schatz-für-sich – der freilich aus Gründen des Urheberrechts niemals öffentlich genutzt werden darf.)
So schade!, doch freilich hat mich diese Diagnose nicht überrascht. Jetzt haben Sie eine „spannende“ Zeit vor sich und nächste Woche werden Sie mehr wissen. Ich kenne übrigens einige, die böse Magentumoren lange überlebt haben. Alles Gute !
Ich hatte bereits Einiges auf FB dazu geschrieben – wie lecker dieses Brot aussieht! Wow – ich bin sicher, es schmeckt hervorragend nur so mit Butter bestrichen oder so … beamen Sie mir doch mal eine Schnitte rüber….lach……RIvS
Lieber ANH, lieber Alban, (lieber Herr Herbst liegt mir wegen Alliteration und Metaphorik Herbst des Lebens nicht). Sie nehmen mir diese Anrede nicht übel?
Sie werden in DIE DSCHUNGEL über den Krebs schreiben und zwar in der Ihnen eigenen Weise. Allzu groß ist die Gefahr, dass Ihnen nun auch noch Nachahmung wegen Herrndorfs ARBEIT UND STRUKTUR vorgehalten wird, nicht. Wolfgang Herrndorfs Schreiben ist seine Variante; Ihre wird eine andere sein.
Novalis in seinen »Bruchstücke medizinischer Enzyklopädistik«:
Krankheiten, besonders langwierige, sind Lehrjahre der Lebenskunst und der Gemütsbildung. Man muss sie durch tägliche Bemerkungen zu benutzen suchen. Ist denn nicht das Leben des gebildeten Menschen eine beständige Aufforderung zum Lernen? Der gebildete Mensch lebt durchaus für die Zukunft. Sein Leben ist Kampf; seine Erhaltung und sein Zweck Wissenschaft und Kunst.
Jeder Mensch will alles und will auch alles nicht. Ein ähnlicher Grundsatz der Wissenschaft und Glaubenskunst: Jeder Mensch weiß alles und weiß auch alles nicht – oder glaubt alles.
Was den Magen reizt, kann den Kopf schwächen.
lieber alban – wenn ich hier erfahren muss, dass offenbar die parzen nun auf die ernsthafte suche nach deinem faden gehen, erinnere ich mich an das, was du vor jahren einmal mir schriebst, als ich über meine schwere erkrankung schrieb, die ich mit mir nun seit acht jahren herumschleppe: ich solle den parzen d r o h e n, und mir fällt kein besserer ansatz ein, wenn ich nun für dich um worte ringe…
du wirst mit diesem joch ebenso eloquent, weise und lebensbejahend umgehen wie mit all den anderen herausforderungen des lebens; und dein erster eintrag zu diesem thema ist bereits deutliches zeichen, dass man es nicht richtiger machen kann.
Lieber Alban,
in Gedanken bei Dir
Stark wie ein Löwe
Gaga
Lieber Alban, von Deiner Diagnose habe ich betrübt gelesen. Alle guten Wünsche sind bei Dir, wenn man Dir in der Physis herumfährt, ich wünsche Dir alle nötige Kraft. Axel
»Weil alles so normal, nicht fatalistisch, sondern temperamentvoll gelassen wirkt, weil die Hitze hier offenbar niemanden lähmt, sondern im Gegenteil den geistigen wie körperlichen Stoffwechsel erst in Schwung zu bringen scheint, kommt es mir ein wenig vor, als dürfe ich jetzt, in einer zwar sehr südeuropäischen, aber doch modernen Gegenwart angekommen, endlich aufatmen. Ein sehr erholsames Gefühl. … Trotzdem ist die Prozedur noch ziemlich umständlich. Ich bin sehr froh, zwei Pässe mitgenommen zu haben, weil ja einer immer im Hotel abgegeben werden muß. Der Mensch hat Schwierigkeiten mit dem Umrechnen des Kurses.«