III, 466 – und beten gemeinsam

Schon traute ich mich wieder seit ein paar Tagen, tagsüber die Tür offen zu lassen. Der Grund fürs Gegenteil: eine dicht mit rot-weißem Fell bedeckte Katze, die zuweilen einen Nachmittag unter dem nun gar nicht mehr blühenden Flieder im Hof verdöst, was mich indes nicht weiter stört. Nur daß sie bei offener Tür eben doch in die Wohnung geschlichen kam. Bin gern Herr der Fliegen, mache mich ihnen zuweilen sogar dienlich (Herr und Diener), indem ich, genervt von dem Gerumse besonders der dicken Brummer oder Bienen oder Wespen gegen die Fensterscheibe bei ihrem Versuch, ins vermeintlich Blaue zu entschwinden, zwar nicht anfange, “Volare” vor mich hin zu singen, aber eben doch gelegentlich caritatevolmente und somit eigennützig das Fenster öffne.
Einladung ins Weite. Indes kein “Komm hinaus ins Offene“, sondern ein “Geh!”. Ins Offene bzw. Weite lade ich derzeit niemanden ein und schon gar nicht eine Katze zum Bleiben. Es sei denn, mich lockt ein Trommeln vom Rathausplatz her, wie gerade jetzt. Was mich wunderte: die Festlichkeiten für den heurigen “Palio” (der jetzt bereits seinen Anlauf hätte nehmen sollen) sind abgesagt. Auf diese Weise hinausgetrommelt wohnte ich letztlich einem Gottesdienst bei “in dieser Kathedrale unter freiem Himmel”, womit der Priester in seinem grünen Ornat den Rathausplatz meinte.

Anlaß: Der Tag der heiligen Anna und des heiligen Joachim, Christi Großeltern. Und in Richtung Familie (Oma, Opa, Mutter, Vater (oder sagte er umgekehrt “nonno, nonna, padre, madre”?) ging denn auch sein Reden. Ohne richtige Familie keine richtige Gesellschaft. Jetzt trommeln sie wieder, nachdem alles vorbei und ich wieder hier am Tisch sitze. “Im Grunde möchte man in Rom und in Moskau ein und dasselbe: von unten her die mythischen Kräfte erneuern und von oben her einen Glauben schaffen, der alle Menschen verpflichtet. […] Soll die Masse aufhören, Masse zu sein, so bedarf es der Sakramente…” (Kracauer, Georg, wobei er einen gewissen Soziologen namens Rosin zitiert (es wird Salon gehalten, der mit einem reichhaltigen, für Inflationszeiten wahrscheinlich sogar luxuriösen Buffet beginnt)).

In der Tat, während des Gottesdienstes trommelte niemand. Meine Blicke waren auf die frühabendlichen Lichtspiele (Lichtspieltheater!) und speziell zwei Körper gerichtet, was sich im jeweiligen Blick insgesamt zu Formen entpersönlichte. Was nicht wie der Katzenblick etwas wollte. Nur Sehen und Wahrnehmen ohne anzunehmen. Mochte den Gottesdienst auch nicht verlassen wie einer, der sich davonstiehlt. Sondern wartete bis zum Ende, als diejenigen, die sich freiwillig für die “comunione” gemeldet hatten (per Handzeichen auf die entsprechende Frage hin, wie in der Schule), nach vorne “stürmten”, um sich die Oblate in den Mund schieben zu lassen.
Und war tatsächlich so: “Menge und Schliff, / bis keiner mehr glaubt, was er glaubt, / doch allewir tun, als wären wir einig, / und beten gemeinsam.” (ANH, Béart II, in: Der Literaturbote, Nr. 118 & 119, Dezember 2015). Und wohnte den Gebeten bei und, da ich sowieso an die Mauer der schon geschlossenen Bar am Platz gelehnt stand, mußte ich mich nicht extra in den bestimmten Momenten der Liturgie erheben, die ich eh’ nicht kenne. Unvermeidlich, daß auch eine Großmutter mit einem Kinderwagen aufkreuzte. Bekreuzigen war auch ausgeschlossen. Ich kann’s nicht. Es würde ausfallen, wie bei der Person des “Ugly” in “The Good, the Bad and the Ugly”.
Ugly enough, habe ich mich jetzt in eine Situation hineinbugsieren lassen, in der mir nur noch bleibt, die schnellkochenden Fertigtortellini in kochendes Wasser zu werfen. hUnGrY! Etwas, was auch im Blick der Katze lag und immer liegt. Sträun du, ich sträun’ anderwärts. Und vermeintlich nur ins Weite.

III, 465 – wo ich sein werde

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .