Poetische Schärfung: Nun erst recht! | Waltraut Lewins Federico (4). Friedrich Anderswelt, ff.

 

Er aber wollte nicht Gott spielen, wie ich ihm stets vorschlug, nein, er wollte Gott sein

Pietro della Vigna in: Lewin, Federico, 556.
Sowie 557 (Selbstidentifikation!):

Gesagt sei übrigens, daß Niederlagen dem Imperator immer ausgesprochen gut bekamen. Sie schärften seine Verstandeskräfte, mobilisierten seine vitalen Energien und ließen ihn, nachdem der erste cholerische Zornesausbruch vorbei war, meist zugänglicher für Argumente werden, geduldiger, geschickter in der Taktik. Außerdem entwickelte er im Unglück einen schönen Zug der Selbstironie, die ihm in Zeiten der Hochstimmung meist recht schwerfiel.

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6 thoughts on “Poetische Schärfung: Nun erst recht! | Waltraut Lewins Federico (4). Friedrich Anderswelt, ff.

  1. Mir ist die Faszination für Herrscher, gleich welcher Art, stets fragwürdig gewesen, verachte ich doch schon die Herrscher selbst.

    Vor Jahren hat meine damalige Freundin Ingeborg, die sich dafür begabt glaubte, eine sogenannte Rückführung mit mir durchgeführt, die sie selbst sehr erschüttert zurück ließ. Sie meinte nämlich herausgefunden zu haben, dass ich in einem meiner früheren Leben hingerichtet bzw. geköpft worden sei. „Warum?“ fragte ich. „Weil du den König getötet hast“, antwortete sie. Ich entgegnete ihr, dass ich das, falls nötig, auch in meinen künftigen Leben so zu halten gedenke.

    Ansonsten bin ich der Meinung, dass der Schriftsteller den normalen Menschen eine Stimme zu geben hat, die den ganzen Dreck der Herren erleiden müssen. Könige brauchen meine Stimme nicht.

    1. Ihre – für Sie selbstverständlich berechtigte – teile ich nicht, ganz besonders nicht in Hinsicht auf etwas, das „der“ Schriftsteller zu tun habe. Ihre Position reduziert die Kunst auf einen moralischen Zweck, woran ich bereits als notwendiges Movens die Moral (oder Ethik) ausgesprochen bezweifle. Ein mir sehr viel näheres Movens etwa ist Schönheit. Aber auch die grundsätzliche Verachtung für Herrscher teile ich nicht, auch wenn meine Skepsis gegenüber jeglicher Macht >>>> bezeugterweise skeptischt ist. Doch ich selbst dem Mefistofelischen zu nah, um nicht zu wissen, daß uns die „normalen“ Menschen weder eine Ethik noch irgendwelche Fortschritte sonst erkämpft hätten; „normale“ Menschen sind vielmehr extrem selbstzentriert und tendieren ausgesprochen zur Fremdenfeindlichkeit. Man muß nur mal ein paar Bliche zu Pedida und AfD hinübertun, um das zu begreifen. Und ohne Menschen die Friedrich II – dessen Konstutuentien von Melfi das erste festgenormte Gesetzbuch des gesamten Mittelalters war – und zum Beispiel Bomnaparte oder anderen Ähnlichen (aber immer: den Wenigen) gäbe es noch heute kein Bürgerliches Gesetzbuch, sondern das pure gewaltsam-faustrechtlihe Chaos auf den Straßen. Der auch menschliche Fortschritt braucht Krieger.
      Gilt auch für Sie selbst, wenn Sie „den König“ tatsächlich „getötet haben“ sollten: Ohne zuvor intensives militärisches Training wären Sie nicht einmal durch die Dämme der Wachen gekommen. Aber auch das ist nicht die Frage, sondern sie wird jetzt erst gestellt: Und nun, da der König tot ist? Wer regelte jetzt den Umgang? Die Nachbarn gleich, die sich vor den Migranten fürchten und lieber Leute im Mittelmeer ertrinken lassen, als die auch nur entfernteste Gefahr auf sich zu nehmen, den Arbeitsplatz zu verlieren und dann „stempeln gehn“ zu müssen
      Ich fürchte, Sie hegen eine große Gute-Volks-Romantik.

      1. Das ist halt die Herrscher-Perspektive. Die teile ich nicht.

        Man meint den Tod von Millionen rechtfertigen zu können, wenn am Ende sowas wie eine Art „Kulturleistung“ rauskommt, die die armen Sumpfbewohner nie von allein hingekriegt hätten. Siehe den Bau von Sankt Petersburg. Siehe die Pyramiden usw. Siehe auch die architektonischen Vorstellungen von Hitler und seinem unsäglichen Architekten. Der ganze kulturelle Ramsch der Jahrhunderte, den heute die schwabbelbäuchigen Touristen anglotzen dürfen.

        Seit es Herrscher gibt, sind die von Ihnen so verachteten Normalmenschen als Material verbraucht worden. Darum ist die Geschichte ein abgrundtiefer Brunnen voller Leid, der von denen, die die Kathedralen der Kultur anstaunen, geflissentlich übersehen wird.
        Ich schätze auch die Leistungen der Kultur, doch weiß ich, wieviel Schweiß, Blut und Tränen sie gekostet haben. Und darum ekelt mir auch vor ihr.

        Natürlich muss Ihnen das aus der Herrscher-Perspektive romantisch klingen. Aber wissen Sie, zur Zeit Ihres guten Friedrich hat man im Winter, wenn den reisenden Rittern kalt war, mal schnell einem Bauern den Bauch aufgeschnitten, um sich die Füße etwas zu wärmen. Wussten Sie nicht? Ich kann Ihnen erzählen wo es geschrieben steht. Aber das wird für Sie vermutlich ein Schriftsteller sein, der für Sie an einer „Gute-Volks-Romantik“ gelitten hat.

        Aber sei es drum, ich habe nie erwartet, dass man meinen Blick auf die Welt teilt und werde weiter über „normale“ Menschen schreiben. Könige gehen mir am …
        untertänigst Ihr PHG

  2. Aber die Königsmörder waren meist die nächsten Könige 🙂
    Führer und Masse hat ja schon viele beschäftigt. Hier zum Beispiel:
    https://www.textlog.de/freud-psychoanalyse-masse-urhorde.html

    Ich denke, sogar eine Hitlerbiografie hat ihre Berechtigung, dann nämlich, wenn zukünftige Generationen daraus die Lehre erfahren, so ein Monster darf nie wieder an die Macht kommen.
    Welchem Thema sich Schriftsteller widmen sollten, müssen diese allein entscheiden. Vielleicht kann man sagen: Sie sollten es möglichst gut machen.
    Brecht stellte mal die Frage: „Wer baute das siebentorige Theben?“, aber er schrieb auch den „Der unaufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“.

  3. „Außerdem entwickelte er im Unglück einen schönen Zug der Selbstironie, die ihm in Zeiten der Hochstimmung meist recht schwerfiel.“

    Selbstironie bei Herrschern eher selten, um so bemerkenswerter, bei normalen Menschen eine Notwendigkeit, um zu überleben.

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