Paul Reichenbachs Montag, der 13. November. 2006. Schach.

Schafft man es beim Schachspiel einen Bauern auf das achte Feld zu rücken,
darf man den Bauern gegen eine Figur seiner Wahl tauschen. Der Bauer
kann dann in eine Dame, einen Läufer, einen Turm oder ein Rössel verwandelt werden. Am Wochenende, die Grippe wurde mit Tee und Schwitzbädern aus dem Körper gespült , wünschte ich mir zeitweise ein Bauer auf dem achten Feld zu sein. Und wenn Gott nicht gerade würfelt, so hoffte ich, wird er vielleicht mit Lucifer Schach spielen und mich als Bauer in eine Dame tauschen. Dann hätte ich einen Laptop, säße im schönsten Zimmer des Hauses und würde rufen: Paul was willst Du heute kochen ? oder Paul, nerv doch den Jungen nicht , er ist so wenig da, lass ihn in Ruhe an deinem PC sitzen. Dem Einwand, ich müsste nach meinen Mails schauen, folgte der eifersüchtige Satz: Die Briefe von DER kannst Du auch später inhalieren. Und spätestens dann begriff ich, dass es meiner Frau nicht gut geht. Ich ging also in ihr Arbeitszimmer um sie ein wenig gnädiger zu stimmen. Sie saß am Notebook, auf ihrem Schreibtisch lag Simone de Beauvoirs „ Soll man de Sade verbrennen“ . Bei meinem Kampf gegen die Grippe hatte ich völlig übersehen, als ich ihr das Buch zum Lesen gab, dass ich einmal ein Foto von
>>> IHR
als Lesezeichen in das Buch gelegt hatte. Meine Frau hatte es gefunden und nach allen Regeln der Eifersuchtskunst in kleinste Teile zerschnitten Mit Tränen in den Augen warf sie mir die 1000 kleinen Schnipsel ins Gesicht.

12 thoughts on “Paul Reichenbachs Montag, der 13. November. 2006. Schach.

  1. Wenn der Mann eine Ehefrau hat, die er wirklich achtet, dann sorgt er dafür, dass ihm eine derartige „Schusseligkeit“ nicht passiert. Wenn er das nicht mehr tut, dann achtet er nicht mehr….

    Für mich gibt es eher Spontanreaktionen der Eifersuchtskunst in Form eines kontrollierten Ausbruches. Ich habe in einem solchen Fall während der Feierlichkeiten einer Firmenveranstaltung der „Zweitfrau“ – weil sie in trunkenem Zustand (es war seine Sekretärin) auf seinem Schoße saß, einen mit Eiswürfeln und Wasser gefüllten Sektkübel über den Kopf geschüttet, wovon er natürlich die Hälfte abbekam. Vor versammelter Mannschaft erklärte ich ihr sehr ruhig, dass sie ihm zwei Mal die Woche einen blasen könne, dass er aber nie etwas anderes von ihr wollen würde. Dann ging ich zum Tresen zu einer Blumenvase, holte eine rote Rose, gab sie ihm mit den Worten: „Kümmere Dich um sie, es geht ihr nicht gut“. Die Autoschlüssel gab ich ihm noch mit dem Hinweis: „Vergiß nicht, sie mitzunehmen, Du kannst sicherlich noch fahren“. Einen Tag später zog ich aus. Die Monate vorher summierten sich an diesem Abend, er hatte ihr in direkter Nachbarschaft eine Wohnung besorgt. Abends um 23:00 Uhr kam er aus der Garage, ging in den anderen Hauseingang und war morgens um 04:00 Uhr bei uns – dieses Verhalten mir gegenüber hatte nichts mehr mit Achtung zu tun.

    Ich bin damit einverstanden, dass ein Mann in einer langjährigen Ehe auch einmal „Aushäusig“ geht, solange ich nichts davon weiß, es „mal“ vorkommt und mein Mann die „Zweitfrau“ nicht in die Ehe trägt. Wenn er sich allerdings wirklich in eine andere Frau verliebt, und diese „Geliebte“ nennt, dann erwarte ich eine deutliche Ansprache, die ja letztendlich lebbare Lösungen – wenn auch mit Schmerzen verbunden – für beide bereitstellt.

    Ich weiß schon, warum ich keine Hemdenknöpfe annähe.

    1. Ein bisschen Stolz sollte… … man schon in sich tragen, das zeigt eine Szene wie die von Ihnen herbeigeführte, svarupa, sehr schön.* Wäre ich ein Mann, mich würden solche Frauen viel mehr beeindrucken als kichernde Sekretärinnen, die sich in aller Öffentlichkeit volltrunken auf meinen Schoß setzen. Aber kennen Sie ein Paar, das sich über viele Jahre hinweg achtet und wertschätzt, dabei aber gelegentliche Seitensprünge elegant im Verborgenen stattfinden lässt?
      * Bruno Lampe wünsche ich ein bisschen mehr Stolz, vielleicht würde seine Frau sich dann ein bisschen zügeln in ihren ihn abwertenden Äußerungen.

    2. @svarupa Auch Hemdenknöpfe annähen kann, ähnlich wie Fahrradreparieren, ein Zeichen von Zuwendung und Anerkennung sein. Ich weiß nicht wieviele Knöpfe ich in dreißig Jahren schon angenäht habe, es war mir nicht wichtig, also habe ich sie nicht gezählt.
      Zur “Schusseligkeit”: Das Bild ist dreißg Jahre alt gewesen, meine Frau hatte es einst fotografiert und das Buch, eine Rowohltausgabe von 1983, hat 23 Jahre in unseren Regalen geschlummert.

  2. gnädig stimmen? Will ein Mann eine Frau, die ihm gnädig gestimmt ist? Ihm Gnade zukommen lässt? Da ist doch tatsächlich jegliche Achtung, auf beiden Seiten, dahin!

    1. Zur “Gnade”. – Die Gefahr ist, daß b e i d e Ehepartner. Einander je zum Elternintrojekt werden: die Frau dem Mann zur Mutter und dieser ihr zum Vater. Matriarchal bricht durch, daß ersteres meist der Fall ist – im befriedeten Zustand. Möglicherweise gibt es auch eine “Elternverschiebung” über die Jahre: erst der Mann der Frau der Vater, dann zunehmend sich inversierend – bis der Mann das Kind geworden ist. Dafür spricht schon der, in aller Regel, frühere Tod des Mannes, dem frühere Vergreisung, verbunden mit Impotenz, vorausgeht.
      Dieses alles nicht ins Grobe, sondern ins Weiche gesprochen, gewähnt.

    2. Ja, da muss ich nicken. Ich kämpfe wohl selbst gerade sehr mit meinem Gnädigsein, das mir zwar leicht gelingt, aber dann doch zuwiderläuft, wohl weil ich zu wenig “Patriarchales” je erfahren hab.

    3. @ ConAlma Ich hätte auch besänftigen schreben können, nur “gnädiger stimmen” schien mir passender, weil es für mich einen Schuss von demütiger Selbstironie hat.
      Denn es ist nicht immer leicht zu erleben, wie eine sehr nahe Partnerin sich selbst zerfrisst. Bücher, eine Frau , der Stanmmtisch oder die intensive Beschäftigung mit Literatur und Kunst , alles was mich ihrer Meinung nach von ihr entfernen könnte, wird eifersüchtig skandalisiert. Sie ist sehr krank, wir haben ein Kind gemeinsam groß gezogen und sie hat sich in schweren Zeiten zu mir bekannt, ebenso wie ihre scheinbare Konkurrenz. Die Dinge sind verwickelter, meine Fähigkeit sie in ihrer Komplexität zu beschreiben ist (noch) zu begrenzt.

    4. Ja, daran mag es wohl liegen, an dieser sprachlichen Ohnmacht vor so viel Komplexität, dass so vieles missverständlich einherkommt. Angesichts von so verkürzten Fassungen neigen wir Frauen, die wir hier kommentieren, dann wohl dazu, alles als nichtendenwollende Lamentationes über schweigende oder vorwurfsvolle Frauen zu lesen und reagieren dementsprechend.
      Danke für etws Klärung.

    5. Und eines h a s s e n Frauen… nein, sie verachten’s! Klagende Männer. (Frauen sind da sehr viel patriarchaler, als ‘die’ Frauenbewegung vermeint(e); wobei mir zunehmend der Eindruck kommt, diese Verächtlichkeit sei an ihrem Grund matriarchal. Übelgenommen wird, daß man (frau) sich unterwerfen ließ von einem Geschlecht, dem die Kraft gerade f e h l t, mit der es unterwarf – vielleicht auch nur scheinbar unterwarf, da man durchaus dafür Belege findet, daß sich zumindest im inneren Bereich Matriarchales, nur halt mehrfach in sich gewickelt und in intrigierter Form, nahtlos durchgehalten hat.)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .