Samurai hat ihn, da war er fünfzehn, ein alter Anwalt
einmal genannt, und er war doch, und blieb es, herrenlos: Rōnin,
ausgebildet am Wortschwert, wellenverlorener Köter,
bissig den Wellen, die ihn, ganz gleich, ob er’s wollte, werfen,
Gischt bloß zerstiebt ihm zwischen den Kiefern, den schnappenden; salzig
schleudert’s ihn abermals hoch, haushoch und runter in Täler,
wogend brechende. Er aber, irgendwie, säuft nicht ab, sondern schafft es,
unter den Pfoten ist Land und ist auch plötzlich Familie
drinnen im Herzen. Als wär’s aber (ist es denn nicht?) noch immer
Meer, ein wuchtiges, um ihn, schnappt und schnappt er weiter.
Und verliert sie. Jault auf und rast noch. So sind Rebellen.
Immer. Sie können nur kämpfen, sind nicht gebaut für den Frieden,
hilflos wie mein Großvater war, mutterseits, wirklicher
Vater, als Krieg war, ein Schmuggler, pfiffiger Gauner am Schwarzmarkt,
aber verloren nachher, überschuldet, peinlich der Ordnung,
nicht für die Steuererklärung gemacht wie ich selbst, sondern
wild in seiner Fantastik, zwei Ehen, gleichzeitig, führend,
Vogelvolieren standen bis in die Küche, im Wohnraum,
Falken in der Garage, Kolibris und Orchideen,
all das zweifach, einmal, bei der einen in Bremen,
bei der andern in Düsseldorf, beide Frauen
ausgeliefert und heulend, wo ist mein Mann? über Wochen
ließ er sie hilflos, kein Anruf, kein Geld, sondern Zahlungsbefehle
haufenweise, Gerichtsvollzieher, Pfändung, Beschämung.
(Einmal kam fast ein Ameisenbär, vom Flugplatz die Meldung:
Wie ist die Kiste zu liefern? Entsetzt alarmierte den Tierpark,
panisch, die Frau.) Im endenden Krieg durchschritt allnächtlich
er, dieser Mann, gefangen von Russen, doch konnt’ so gut kochen,
nahrungsbepackt die Sektoren und nährte seine Familie,
wenige warn ihm drin gleich, verschob Kartoffeln nach Säcken,
klaute, brachte von hüben nach drüben und drüben nach hüben,
was sich immer tauschen ließ. Tat dann so weiter.
War das und blieb das. Kam in Konflikt. Stets war er flüchtig.
Rauchte HB, ich erinner mich der vielen blutigen Stipsen
auf seinem Kissen, weil er sich kratzte, dauernd, im Schlafen,
starb galoppierend am Krebs, starb früh mit all seinen Rändern,
trauernden, unter den Fingernägeln, die wie Schäufelchen
waren: hochgekrempelt zum Ellenbogen den Hemdarm,
rigoros steckt’ er ihn rein in den Ameisenhaufen,
ja! ich sah’s selbst, da war ich dreizehn, händevoll Eier
holte er schaufelnd raus den lieben Vögeln um Futter.
Manche fürchten den Schmerz nicht, sondern schmerzlose Ruhe,
und kaum den Tod: „Mein Leben“, schrieb er in einer Art Nachlaß,
„ist ein gutes gewesen, nun soll’s nur s c h n e l l gehn.“ So schied er.
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