Übersinnliches.

Vor über fünfunddreißig Jahren etwa – als ich mich noch mit Astrologie beschäftigte, was als berechtigt gelten mag, weil ich damals heftig pubertierte – las ich eine Erklärung für die ‚Einwirkung der Sterne’ auf uns, die seither immer wieder mal in mir aufsteigt, weil sie vielleicht etwas Schlüssiges hat, das sich freilich ebenso wenig bestimmen läßt wie ein Medikament der Naturheilpraktik in D30-Lösung: die entspreche, argumentierte mein Apotheker-Onkel einmal, „einem im Bodensee verrührten Tropfen Wirkstoff“; man könne von daher nicht einmal sagen, ob überhaupt noch ein einziges Molekül des Medikamentes im Fläschchen sei. Dennoch scheint’s ja bei manchen zu wirken. Der Satz nun, auf den ich anspiele, geht so: „Jeder Wein hat Characteristica der Gegend und des Klimas, worin der Stock wächst und die Trauben reifen; weshalb sollte das beim Menschen anders sein?“
Nun wäre aber gerade auch d a s keine Begründung für Übersinnliches, vielmehr das völlige Gegenteil: Eingeständnis eines materiellen Zusammenhangs, eines bio/logisch-geologischen nämlich. Um einen akzeptierten Anschluß an die Naturwissenschaften zu erlangen? Hie wie dort kommt es sich offenbar um Determiniertheit nicht herum. Was also läßt einen ausgerechnet dort Freiheit suchen und Selbstbestimmung? Was ängstigt die Leute derart an der naturwissenschaftlichen Ausrichtung, an einer esoterischen, die doch ebenfalls notwendige Gründe anführt, aber offenbar nicht?
Und n o c h ein Gedanke beschäftigte mich heute früh. Der Mensch bestehe aus Körper und aus Seele, erklärte Zschorsch neulich meinem Jungen; der Körper verfalle, die Seele aber gehe ein in irgend etwas anderes. Nun ist’s aber doch gerade anders herum: der K ö r p e r geht in anderes ein, nämlich in die Erde, und der K ö r p e r – rein schon nach dem Energieerhaltungssatz – lebt in anderem weiter, indem er sich in anderes verwandelt (sofern man nicht den Unfug begeht, sich verbrennen zu lassen; sofern man sich nicht dem irdischen Wandlungsproze hoffärtig entzieht). Das ist direkt zu zeigen, man muß nur den chemischen Prozessen folgen, denen ein Leichnam ausgesetzt ist; man kann s e h e n, wie der irdische Kreislauf ihn wieder aufnimmt. Von der Seele kann man g a r nichts sehen, sie ist und bleibt eine reine Behauptung. Wieso wird dem mehr geglaubt, was man nicht sieht, als dem, was man sieht und was so ganz auf der Hand liegt? Und doch auch wunderschön ist, dieses Erde zu Erde. Wieso lästern Menschen die Erde so? (Lästerung steht zu Anfang jeglichen Raubbaus.)

32 thoughts on “Übersinnliches.

  1. Der Satz geht heute anders: Jeder Wein h ä t t e die Charakteristika von … Wenn ihm nicht spinning cone columns oder andere Eingriffe dazwischen kommen. Und der Erdbezug des Menschen, der ist wohl auch einem h ä t t e unterworfen;.

  2. “Es ist umsonst, wenn wir von einer Wildnis träumen, die in der Ferne liegt. So etwas gibt es nicht. Der Sumpf in unserem Kopf und Bauch, die Urkraft der Natur in uns, das ist es, was uns diesen Traum eingibt.”
    Henry David Thoreau

    1. Wer träumt? Zumal von einer Wildnis in der Ferne? D a ß uns die Urkraft – was nun immer das sei – diesen Traum eingibt, der nicht Traum, sondern Existenz ist, zeigt, daß sie wirkt. Jede Erektion, jede Ejakulation, jedes lustvolle, begeisterte Zucken des weiblichen Geschlechts, jede Geburt ist ein Spiegel, ein heiliger, davon. Das Unrecht – die Lästerung, wie ich schrieb – besteht darin, jungfräuliche Empfängni für heilig auszugeben und Reinheit für göttlich zu halten. Schon der Begriff “Sumpf” ist ja moralisch umgewertet – e n t w e r t e t. Daß wir die Erde lästern, daran besteht überhaupt kein Zweifel; die Ergebnisse erleben wir täglich. Allein die unfruchtbare Perversion, sich einen Gott vorzustellen, der n i c h t leiblich ist, kommt mir wie eine Idee des, christlich gesprochen, Antichrists vor. Sie ist im Wortsinn Antimaterie. Und wie diese zerstört sie Leben: jagt aus Daffke, also ohne essen zu müssen.

  3. ich denke, dass das übersinnliche hauptsächlich ein erklärungsmuster ist, um fänomene, die zu komplex sind, um sie umfassend zu begreifen, (oder auch zu unangenehm) gedanklich handhabbar werden zu lassen. übersinnliches reduziert weltkomplexität und stelllt mehr oder weniger umfassende heuristiken zur interaktion mit der mitwelt zur verfügung. undsoweiter.

    was das verbrennen angeht: ob man nun mehr energie oder mehr materie wieder dem restsystem zuführt, ist genaugenommen einerlei. höchstens beschleunigt es minimal die entropie.

    im übrigen: setzt gerade eine lästerung nicht etwas sakrales voraus? mithin also etwas, das vom alltagsdasein schon geschieden wäre, furchterregend, unberührbar etc.? was ja bis in die romantik hinein letztlich auch zumindest der abendländischen auffassung von «natur» entspräche… abgesehen davon, dass ich der meinung bin, dass «natur» nur dort sein kann, wo mensch nicht ist. das uns umgebende, zuhandene, sinnlich erfassbare ist immer kultur. dass «ich» «mich» letztlich für eine emergente erscheinung eines schwarms biochemischer automaten halte, die den körper der «mich» erzeugt bilden, sei davon unberührt. manch einen mag so eine vorstellung erschrecken – ich halte sie dagegen für äusserst zauberhaft. wäre ich kein agnostiker, ich könnte glatt zum pantheisten werden. 😉

    1. Sehen Sie, dem Pantheismus steh ich sehr nah. Er ist sinnlicher als der Agnostizismus. Deshalb. Im übrigen tendiere ich zur Auffassung, daß auch Kultur ein Teil der Natur ist. Schon, da sie sich nicht unabhängig von, wie Sie sehr schön schreiben, “biochemischer Automation” hätte entwickeln können.

    2. *lacht* ja, das macht in der tat kultur zum teil der natur, ich bin mir dessen vollkommen bewusst. nur: an dieser stelle wird jegliche unterscheidung zwischen natur und nicht-natur im grunde sinnlos, weswegen ich mich normalerweise auf den naturbegriff auch gar nicht einlasse.

      als unsinnlicher empfinde ich den agnostizismus als jemand, der sich als sehr stark lustvoll-triebhaft an seine sinne gekoppelt empfindet, übrigens auch ganz und gar nicht. 🙂 dafür erscheint mir die welt auch ohne in den dingen wohnende götter als erheblich zu reichhaltig.

    3. – eben nicht: …”in” den Dingen. Und ‘Dinge’ schon mal mag nicht. Doch die Annahme der Beseeltheit führt zu einer inneren Achtung, die der nicht-Beseeltheit fremd bleibt. Es hat mich immer beeindruckt, daß es Stämme gegeben haben soll, die sich bei den Bäumen, die sie fällten, dafür entschuldigt haben. Verinnerlicht jemand ein solches Verhältnis, dann fällt er nichts, wo es nicht sein muß. Und wehrt sich zwar, wenn er selbst gefällt werden soll, sicher, aber er beklagt sich nicht drüber. Und denunziert nicht Welt.

    4. warum? wenn ich mich ebenfalls als nicht-beseelt erfahre, stellt mich das nicht minder auf die selbe stufe, wie den rest der welt, selbst unbelebtes (notabene: es ist aus meiner sicht auch keine *geringere*). beseeltheit scheint mir keine notwendige voraussetzung für achtung, empathie, etc. – wohl aber die empfindung/vorstellung von ähnlichkeit und nähe.

      ich bin beispielsweise ansonsten auch immer mal wieder *in* der welt wie ein verwundertes kind, komme aus einem höchst ehrfürchtigen staunen nicht heraus. (gut möglich allerdings, dass diesbezüglich ein zusammenhang mit meiner übermässigen reizoffenheit besteht.) die dabei im extremfall hervorgerufene empfindung sich jenseits von zeit und raum eins mit allem zu fühlen, diese art tiefer ergriffenheit dürfte dem recht nahekommen, was oft als mystisches erleben o.ä. bezeichnet wird. mir scheinen soweit ich das beurteilen kann dabei u.a. bestimmte filter- und ordnungsmechanismen die normalerweise z.b. an der erzeugung von identität beteiligt sind wenigstens teilweise auszusetzen oder zumindest mit verringerter leistung zu arbeiten. was – kleiner gedankensprung – nicht zuletzt auch fragen aufwirft, wie z.b. sich die art und weise, wie persönlichkeit/identität/… auch in gesellschaftlichem rahmen begriffen bzw. erzeugt werden auf das verhältnis von mensch und welt auswirkt. innerhalb eines rahmens, in dem ich auch themen wie «freier wille» und konsorten ansiedeln würde.

  4. Geschichten Zwei Anekdoten

    Die Sternzeichen haben so lange gegolten, dass ein Stückchen Wahrheit darin steckt. Ein Beispiel: ich bin an einem 16. Dezember um vier Uhr morgen kurz nach dem zweiten Weltkrieg in Nordfrankreich geboren. Die Wohnung meiner armen Eltern war nicht geheizt. Keine Heizung. Als der Arzt um vier Uhr ankam (Helden gibt es überall, nur in Kriegskämpfen nie…), befahl er meinem Vater blecherne Becken mit Brennspiritus zu füllen und anzuzünden. Wie Oskar -“Blechtrommel”… (guten Tag Herr Grass; ich bin mit Ihnen gegen die Geier) – kam ich zur Welt im Licht einer 60 Watt Glühbirne und in der guten Atmosphäre von den bläulichen Flammen des Brennspiritus’ !!! Ich nehme an, ich atmete die echte Luft der Welt erst viele Wochen später und entdeckte die Aussenwelt mit Blumen, Bäumen und lauem Wind nach einigen Monaten Einsperrung in einer ungeheizten Wohnung. Deswegen bin ich wohl so wie ich bin: introvertiert, usw…..
    Die ersten Eindrücke sind sehr wichtig… Nehmen wir an, ich wäre im August geboren: ich hätte das Trillern der Vögel und das Licht der Welt völlig anders empfunden… und natürlicherweise hätte ich eine ganz andere Grundauffassung der Umwelt, des Lebens allgemein bekommen. Ich wäre wohl viel selbstsicherer geworden… ich weiss es nicht, aber ich wäre zweifellos ganz anders gewesen. Die Sternzeichen sind ein Echo dieser Wirkung der Umwelt auf uns in den ersten Wochen unseres Lebens… (ohne vom Leben in utero zu sprechen !)

    Was die Erde betrifft, möchte ich eine Anekdote erzählen. Ein Grossmeister der Bordeauxweine konnte beim ersten Schluck sofort erkennen, aus welchem Jahr der Wein kam und wo genau dessen Weinberge standen. Kollegen beschlossen, Weinstöcke zu pflanzen ausserhalb des Bezirks, wo Bordeauxweine normalerweise wachsen. Nach ungefähr zehn Jahren liessen sie Wein von diesen abseitstehenden Stöcken machen. Als dem Grossmeister dieser Wein serviert wurde, warteten alle Kollegen mit Ironie auf seine Reaktion. Nachdem er den Wein versucht hatte, erklärte er den Kollegen, die ihn testen wollten, und indem er das fast volle Glas in der Hand hielt: “Meine Herren, dieser Wein existiert nicht!”
    (Die Anekdote steht bei Michel Serres: “Die fünf Sinne”)

    1. prunier, Sie haben mich durch die erste anekdote nach langen jahren wieder die “unsichtbare loge” von Jean Paul aufschlagen und die stelle im kapitel “Auferstehung” suchen lassen, in der der kleine Gustav ans licht der welt tritt: Der Kleine bebte vor Freude und Angst. Merci.

    2. @prunier ich mag solche geschichten wie sie gerade ihre geburt beschrieben, es kommt mir allzu bekannt vor,( ich bin an einem montag morgen um 6.00 uhr pünktlich zur arbeit geboren ,wohlbemerkt im sonnigen august aber im schatten der berliner mauer zum geburtstag von fidel castro…also auch wenn die vögel sangen,mein gemüt ist nicht dauersonnig..).ich habe das jahrelang genau wie sie benutzt.wenn jemand zu mir sagte,arbeite nicht so viel…antwortete ich:”was kann man von jemanden erwarten,der montag morgen um 6.00 uhr geboren ist?”dennoch ich hätte auch das gegenteil werden können,wenn ich mich irgendwann dagegen gewandt hätte…und hätte es auch damit erklären können,warum ich anders bin…
      wir kreieren unser sein genau mit diesen geschichten(…und glauben ,erklären uns das warum …so….dennoch logisch betrachtet,hätten wir auch immer anders sein können…eigentlich mit den gleichen geschichten und dem wort “aber”)und manifestieren es damit…ich finde es sehr spannend,welche geschichten wir wählen,um unser sein zu erklären…

  5. @parallalie Jean Pauls Buch will ich heute noch bestellen; ich habe es leider zu Hause nicht.
    Ich danke Ihnen ebenfalls für den ergreifenden Satz.
    “Freude und Angst” sind noch heute, fast 59 Jahre später, die Grundzüge meiner Persönlichkeit. Dieses Beben hat mich nie verlassen.
    Der Duft vom Brennspiritus ist mein Parfum !
    Das Wichtigste ist trotzdem das Wort: Spiritus, Geist.
    Ach noch eins: ich bin (einige Jahrzehnte später !!!!) am selben Tag geboren wie Beethoven. Kann man den Ton seiner Musik durch dieses Datum erklâren? Aberglaube…

  6. @china blue Tragbare Religion
    Völlig einverstanden. Wir basteln uns Mythen von besonderen Etappen aus und bilden uns eine eigene tragbare Religion. Dieses Basteln hat unser Levi-Strauss für die Kulturen sehr gut beschrieben. Diese persönlichen Mythen arbeiten tief in unserem Unterbewusstsein und aus ihnen entsteht, was wir Charakter, Persönlichkeit nennen. Die winzigsten Reaktionen im Alltagsleben werden von diesen Mythen geführt. Und es ist gut so… nichts auszusetzen…
    Es sind Lügen, die uns helfen, weil sie ein Teil Wahrheit haben. Es sind Wahrheiten, an die wir glauben, weil sie Lügen sind/ Mythen.
    Genauso wie beim armseligen ergreifenden Horoskop übertragen wie auf diese Mythen, alles was wir erleben.
    Es ist ein Rest von Religion: im Mittelalter hätten wir einen Heiligen gewählt, um uns einen Mythos zu bilden. Der sog. Namenstag ist ein Fest, das uns an diese Sitten dunkel erinnert.
    Da wir aber “ohne Eigenschaften” sind, müssen wir uns diese tragbare Religion erfinden.
    Der Glaube ist aber kein Glaube mehr, sobald wir “glauben” sagen. Aus diesem Wort “Glaube” sehen wir die vielen Schwierigkeiten, die wir mit unserer “Persönlichkeit” haben. Wir meinen, dass wir keinen Grund haben, aber unsere bewusst/unbewussten Mythen lassen uns in der Welt agieren, als hätten wir tatsächlich einen Glauben. Wie glauben, dass wir frei sind, aber alles ist durch unsere Mythen, selbstgebastelte, organisiert. Die Urgeschichten bilden eine Art persönlicher Bibel und sobald wir entscheiden, unser Leben zu erzählen, schreiben wir eine Imitation der Bibel, die an sich auch keinen Funken Wahrheit enthält.
    Wir schweben hier zwischen Wahrheit und Mythos, deswegen ist es immer lustig, wenn man daran denkt. Meine Geschichte mit dem Brennspritus oder Ihre mit Fidel Castro finde ich unwiderstehlich lustig. Das Lächeln entsteht sofort. Es ist keine Ironie, wir befinden uns auf der Schwebe, über der Leere, und das ist tatsächlich zum Lachen.
    Sehr spannend, wie Sie sagen, sehr spannend.

    1. Irrtum. @ china- blue & prunier.

      Darum ist alle Kunst Entsetzen auf ihrem Grunde.
      Darum braucht sie die Schönheit, darum ist sie drum schuldig.
      darum ist Schuld insgesamt ein Begriff der Kultur. Und ist Irrtum.
      Aber grad darin besteht unsre Freiheit: was n i c h t ist zu fühlen.
      Das ist u n s r e Entgegnung, hybride, tollkühn, barmherzig.
      So ist kein sonstiges Leben, kein anderes hebt Illusionen
      wirksam aus der Verzweiflung: von Menschengeist geschöpftes
      Büttenpapier, das ein Wasserzeichen edelt mit Herkunft;
      Schwerter, natürliche, geistig in Pflugscharen wandelnder Wille
      hat uns geprägt und prägt uns unablässig weiter.
      „Nahlaaten nie!“ so ruft das und läßt auch nie nach und formt weiter,
      formt sie u m, mein Sohn, deine Not, deine Lüste. Und unsre.
      Unsere Art ist’s zu s e i n. Woher wir auch stammen, ob Russe,
      ob Orientale, aus dem Sudan, egal, ob Japaner.
      So sind wir Völker. Ich hätte, C., schreibst du, den Glauben verloren?
      Ja, ich hab ihn nicht mehr, doch ich finde ihm Gründe! Und stärk ihn,
      wollend, mit Gründen. Ein Gebet ist die Kunst, dem Irrtum entäußert,
      herrlichem Irrtum, epochalem, doch scheußlich als Dogma;
      kehrt sich drin um, kehrt zurück ins Entsetzen: so kehrt das wieder.
      Kunst, die er wurde, und Glaube, bombt er, barbarischer Rückbau,
      Säuglinge, sprengstoffgestopft, wie mit Quetschhafer Gänse gemästet,
      unheilgemästet, verheert der Irrtum sich selber. Und merkt’s nicht.
      Deshalb zweifelt, wer wirklich glaubt, der Kultur glaubt, am Glauben;
      sagt nicht „Allah“, sagt „Übersinnliches i s t“ nicht, sondernd
      sieht es bewundernd, was Irrtümer dennoch vollbrachten: alles,
      letztlich, aus Physiologie. Notre Dame und Mahalakshmis
      Tempel, in Bombay die Jama Masjid, Hō-ryū-ji und Edda,
      grande messe des morts op. 5, das Meer des Talmuds und Sphingen,
      Häuser ganz aus Luft. Und jedes, jedes aus Irrtum!
      Sechste Bamberger Elegie. Auszug (2).

      Bamberger Elegien (27).
      >>>> BE 28
      BE 26 <<<<
    2. genau das ist der charme…. eines lächelns …wissend der phantasie..ohne abwertung…denn egal welche geschichte wir hören,wir wissen nicht,ob sie sich wirklich zugetragen hat,aber wir erahnen ,dass diese geschichte den erzähler geprägt hat…ich musste vor langer zeit wirklich herzlich lachen .als ich eine biografie von madame coco chanel las-auf ungefähr 150 seiten wurde ihr leben in höchst abenteuerlichen farben beschrieben,um dann einen satz zu finden….dieses hat sich alles nicht zugetragen(den 1.teil hat m. chanel selbst erzählt)um dann knappe 20 seiten der wirklichen recherche zu lesen,die natürlich sehr viel schlichter waren…sie war dennoch die dame der ersten 150 seiten,denn sie hatte das so kreiert…und das macht bis heute ihren mythos aus… ihre ausführungen haben mir gut gefallen,es ist schon inspirierend,denn obwohl wir den gleichen grundgedanken haben,sind die ideen doch verschieden, diesen zu definieren…das gefällt mir in den dschungeln gut,dieser facettenreichtum….

    3. @ china-blue. Darum geht es Der Dschungel. Und ich nehm das jetzt mal (mit) auf m e i n e Kappe & Kuhhaut. So viel Welt wie nur möglich, irgendwie – und am besten mit einer guten Form – zusammenzubringen, hier und in den Büchern. Und auch zu irren. Und das zu zeigen und drauf losschlagen oder es streicheln lassen. Wie es halt kommt. Und das, w a s kommt, ebenfalls integrieren. Und auch Emotionen nicht scheuen, selbst wenn Ärger, Wut usw. dazugehören. Egal, ob man “bekannt” ist und sich so etwas “nicht leisten” können sollte. Drauf pfeifen.

  7. Kein Widerspruch Steht gar nicht im Wideerspruch zu dem was wir sagten.
    Eher eine wunderbare Antwort… stand nicht schon bei goethe “Es irrt der Mensch solang’ er strebt”? was manche negativ interpretieren !
    Sie haben recht; ich habe hier in der Altstadt, auf dem Plateau eine der ältesten Kathedralen überhaupt(Grundstein: 1145 !). Jeden Tag schaue ich durch das Fenster um mich zu vergewissern, dass sie immer noch da steht. Mein wunderbarer Irrtum. 30 Kilometer von der Stadt erblickt man sie schon auf ihrem Plateau. Der Glaube, der die Berge versetzt. Welch eine Energie !

    1. zur elegie und dem thema sehe ich ähnlich wie prunier,denn bei dem wort irren stellt sich bei mir der begriff suchen ein….und nimmt man mal die leidenschaft aus dem wort irrtum(ich weiss,leidenschaft und pathos ist ihr thema und das liest sich auch interessanter bzw…man fühlt es auch anders) ist ein irrtum nichts anderes als ein vergeblich erreichtes ziel,sprich man müsste sich ein neues definieren…wenn ich das so für mich lese,dann sehe ich da keine große diskrepanz….obwohl ich aus anderen teilen der dschungel,weiss…sie halten das ganz anders als ich…aber das ist widerum nur genau das,was prunier ausführte…und garantiert auch die spannung…denn wie langweilig wäre es,wenn wir alle die gleichen wahrheiten und glaubensätze vor uns herschieben würden und nur noch verstehend mitleidig einander zunicken würden…

    2. Ich hatte es auch nicht als Widerspruch gemeint. Indes ist, meinen Kommentar mir “Irrtum” betitelt zu haben, mißdeutig, da Irrtum hier zweierlei bedeuten kann: 1) die Überschrift, als die ich es meinte, nämlich aufs Thema dieser Elegie anspielend, sowie 2) als ein ‘Irrtum’, den Sie beide vorgeblich begingen.
      War unüberlegt. Dennoch stimmt das Wort als Titel. Und so laß ich’s stehen.

  8. @an ANH Widerspruch und Ironie

    Ich weiss, lieber ANH, dass Sie es nicht als Widerspruch meinten, ich auch nicht. Ihr Zitat war eher eine Bebilderung von dem, was wir meinten.
    Ausserdem ist alles, was Sie von Ironie anderswo schrieben, ebenfalls hochinteressant. Die Ironie ist der Ton unserer Zeit: recht abscheulich. Werbung, Politik, alle gebrauchen diese gefährliche Waffe, die den Ironisten ausserhalb der Realität hält. Sobald es um Pathos geht, barrikadieren sich die Leser hinter der Ironie, um nicht gerührt zu werden. Sie wollen nicht bewegt werden und wollen in ihrem unbewussten Narzissmus bleiben: keine Leidenschaft; die heutigen Menschen haben Angst vor ihrem Schatten, um sich selbst, und streben danach, nichts mit den anderen zu tun zu haben.
    Deswegen sind Ihre Elegien eine wunderliche Erscheinung. Sie sind “nützlich” (das Wort ist nicht sehr zutreffend), Sie helfen uns, aus uns selbst herauszukommen.

  9. @china-blue “Facettereichtum” gefällt mir sehr. Es ist eine gute Definition von dem, was ANH hier tut. Ihre Geschichte über Coco Chanel finde ich sehr lustig. Aber ist es nicht fast dieselbe Erscheinung, wenn wir “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” lesen und dann Painters Biographie von Proust? Eines Tages habe ich davon geträumt, eine Biographie von Amiel zu schreiben, der uns 10 000 Seiten Tagebuch hinterliess. Ich lächle über diesen Traum, über dieses irrtümliche Vorhaben; das war ein Lächeln über mich selbst.
    Was irren betrifft: das tun wir jeden Tag, fast bei jeder Geste. Irrtum steht im Hintergrund jeder Handlung. Darum entstehen Meisterwerke: sie beweisen uns, dass es nicht immer der Fall ist, dass manchmal Ziele erreicht werden können.

    1. @prunier ist das wort irrtum nicht sehr stark als gegenpol an die worte :”wahrheit,recht haben und richtig liegen” gekoppelt?je älter ich werde ,umso spannender finde ich die facetten…es gibt viele wahrheiten,einige widersprechen sich sogar,andere gelten nur für bestimmte persönlichkeiten und sehr wenige sind wirkliche wahrheiten,insofern ist es wahrscheinlich ein privileg der jugend recht zu haben und die wahrheit zu suchen , zu finden und sie zu verteidigen…mir jedoch ist der blick hinter diese meinungen,wahrheiten mehr…die vorstellung dessen :”wie kommt jemand dahin?”… hält meine vorstellungskraft intakt und ist mir oft wichtiger …denn es ermöglicht mir in viele muster zu schlüpfen und mein einfühlungsvermögen zu schulen,nachzudenken..allerdings hatte ich schon immer eine grosse leidenschaft für unebenheiten,brüche…einfach menschliches und zwar je glatter unsere medien versuchen zu bügeln um so mehr schürt das mein bedürfnis das besondere auch gern irrende,fehlerhafte zu entdecken,denn es gibt mir das gefühl von echtheit,wirklichkeit…und insofern kann ein irrtum (was ich für mich gar nicht so benennen würde)bei mir sogar freude auslösen…es ist die perspektive,der blick…und eben auch die zeit(ein schönes beispiel -ihre kathedrale)die wahrheiten relativieren und das einmal zur kenntnis genommen,ist es schwer ,das als verlässliche größe im leben zu führen…vielleicht gibt einem das die ruhe zu lassen und zu belassen,da man um entwicklung weiss?jedenfalls ist es sehr interessant wie sich hier die kreise scheinbar schliessen,auf sehr vielen ebenen..aber nie vollständig…lächelt

  10. @china-blue Wahrheit/ Irrtum… na, ja, was man hört, wenn man sehr genau vernimmt ist: ich / du. Ich bin die Wahrheit, du bist der Irrtum. Sie haben Recht mit Ihren Facetten. Ich persönlich würde eher denken: der andere hat wohl Recht und ich bin im Irrtum, weil ich mit mir selbst spreche. Weil ich allein bin. Weil ich nicht Recht haben kann, ich allein.
    Diese Opposition ist eine künstliche Auffassung. Das zeigt uns sehr gut ANH’s Blog. Es geht um eine Reihe von Facetten, die alle sehr überzeugend sind. Manche verblenden uns den Verstand, bis ein anderer uns die Augen aufschliesst. Offen bleiben, aber mit dem Lächeln, nicht das Lächeln des Skeptikers, sondern das Lächeln desjenigen, der das Leben des Geistes mag.
    ANH zeigt uns den Weg, selbst wenn er iirt, weil er den Kompass in der Hand hält. Weil er schafft und nicht zögert, uns sein Schaffen mit seinen Irrwegen zu zeigen. Wir haben eine grosse Chance hier mit ihm auf dem selben Weg – mit vielen Pfaden – zu gehen. Seine Elegien sind ein enormes Risiko, denn der esrte dumme kann fragen: aber wozu Elegier in dieser dürftigen Zeit?
    Wir werden mit unserem Lächeln antworten.

    1. Nee, lieber Prunier, ich halte keinen Kompaß. Und zeige schon gar keine (richtige) Richtung. Sondern mag Die Dschungel lieber als ein Abenteuer sehen, auf das einander nicht unbedingt Gleiche, sogar solche, die uneins sind, sich aufgemacht haben. Allerdings machte ich mich auch allein auf, mit nicht mehr als, sagen wir, einem Instinkt bepackt. Und f r e u e mich über die, die mitgehen. Und kann ganz schön dankbar sein, wenn mich wer – da ich ja doch in einigen Belangen, mit Karl May zu sprechen, Greenhorn bin – am Kragen packt und zurückzieht und erschrocken zischt: “Sag mal, Idiot, siehst du nicht, daß da ein Krater ist? Also faßt man’s?!”

    2. ja, ja Ja, aber Ihre Antwort zeigt das Gegenteil von dem, was Sie behautpen !
      Sie freuen sich und ich auch, dass Sie so etwas erreicht haben: ein Ort, wo man alles sagen kann, wo attackiert wird, ja, ja, aber trotzdem, eine echte Demokratie des Geistes, wo soviel gesagt wird, dass ich kaum Zeit habe, alle Reichtümer zu entdecken. Sie haben uns einen Palast von Ideen, von Einfällen gebaut, Herr Herbst. Keinen Krater !
      Danke !

    3. @prunier,recht haben jetzt hab ich mir solche mühe gegeben und dennoch nicht geschafft…es geht (mir..ich kann für niemanden anders sprechen)gerade nicht um wahrheit,irrtum,recht haben,darauf bestehen….ich möche die stelle jetzt nicht suchen,aber mir ist so…als ob in der hier gegebenen elegie von ANH …dieser part:”unsere art ist es zu sein ” vorkommt…das ist eigentlich mein lebensgefühl und das “wie” sind die facetten…und egal wie diese funkeln,sie spiegeln immer etwas…
      und schön,wenn sich etwas bewegt…tief innen…egal,ob es wütend oder glücklich ist,das sind momente…aber wer das überhaupt fühlen kann…hat das ganze spektrum…das mag ich wirklich hier…es ist bewegt,mal so ,mal so…deshalb auch, wenn ich mich mit pathos beim schreiben schwer tue,ich kann es fühlen ,verstehe es und wundere mich gleichzeitig wie man das gerade im hier und jetzt so schafft,in dieser form zu schreiben?…aber genau das ist das besondere……und lieber prunier,ich finde sie haben gedanken,die inspirierend sind und sie schreiben so,dass ich denke,was für ein interessanter mensch …zu bescheiden sollte man auch nicht sein…

  11. @parallalie Danke fürs Zitat. *Raymond* lacht, mit Benjamin.
    In den letzten Jahrzehnten wurde die Frage immr wieder aufgeworfen: “Soll man Unrecht mit Jean-Paul Sartre haben, oder Recht mit Raymond Aron?” (Philosophie gegen Soziologie). die Antwort war in der Frage.
    Alle haben geantwortet: man soll Unrecht mit Sartre haben…. er war viel glânzender als sein Kollege von der Ecole Normale Supérieure.

    Heutzutage wird auf der Universität öfter von Aron geredet als von Sartre. Komische Zeit….

  12. @china-blue Wahrheit/Irrtum/Recht haben: vielleicht ist sich selbst zu behaupten ein Irrtum. aber dieser Irrtum ist notwendig. Deswegen beharrt ANH darauf, widersprochen zu werden. E r hat Recht, weil er ahnt, dass er Unrecht haben kann.
    Die Facetten interessieren mich sehr, weil ich es trotzdem anders sehe als auf der Bühne der Wahrheit, des Spiels von Recht/Unrecht. Ich sehe alles so offen, dass ich bei 360° offen bin, also fast nicht mehr existiere… was Sie Bescheidenheit nennen, ist wohl Hochmut, Selbstüberschätzung. Alles hier hat aber mit Psychologie wenig zu tun. Wir sind tief im Schreiben… bin nicht sicher, dass meine Antwort klar ist !
    Das Lächeln bleibt sowieso sehr geheimnisvoll, es sollte aufgeklärt werden.

    1. @prunier…wunderbar besser hätte man es gar nicht ausdrücken können…ich verstehe das sehr gut,denn das gefühl “nicht zu existieren”macht einen eben gesellschaftlich zum außerirdischen…und bei all dem spiegelt sich dann das andere leicht von außen als merkwürdig,arrogant,hochmütig(weil ungewohntes sich so ohne viel nachdenken erklären lässt)…in manchen momenten ist man erstaunt darüber…warum das so reflektiert und in anderen ordnet man sich schon fast selbst dort ein… wenn man das permanent erfährt ist es sicher alltagstauglicher sich miteinzureihen in das bild von hochmut und überschätzung,obwohl es eigentlich nicht so sein kann,wenn man nicht existiert…
      das lächeln,die liebe und die kunst….unendlich viele varianten…….das thema war auch “übersinnliches”……..über sinnliches?!

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