Körnigkeit. Argo. Anderswelt. (193).

Klirrende Kälte war, also kann es kaum der späte Oktober, frühe November s e i n, an dem dieser Roman eigentlich spielt; seine Entstehung braucht mehr Zeit als die Handlung, vergessen Sie das nicht. Will er also Gegenwartsroman bleiben, dann müssen die Geschehen die Gegenwart vor sich herschieben oder wenigstens mit sich ziehen, und zwar jeweils in die neue Gegenwart hinein; dem entspricht die Vorstellung von Gleichzeitigkeit (geschichtsmoralisch ausgedrückt: der Anwesenheit der Vergangenheit im Jetzt). Das fiel Eckhard Cordes zur Erklärung soeben ein, und er dachte, es müsse dieses sich-ineinander-Verhaken dazu führen, daß die einzelnen Erzählfragmente dadurch immer kleiner würden, narrative Punkte schließlich, die insgesamt wie lauter Pixel das flächige Bild, das Tableau, über die Entfernung bewirkten, die jemand dazu einnimmt. Stehe er zu nahe daran, dann zerfalle das Bild. Unsere Wirklichkeit sei nämlich schon deshalb nicht stetig, weil sie pointilliert sei. Die Wahrnehmung eines Geschlossenen stelle sich rein deshalb her, weil das Gehirn die Wirklichkeit so interpretiere; ähnlich einem Spielfilm, dessen 24 Bilder pro Sekunde*) wir eben a u c h als etwas Stetiges erlebten, ohne daß das der Realität entspreche.
Nun wirkten die Wirklichkeitspunkte selbstverständlich aufeinander, das halte die Wirklichkeit überhaupt zusammen wie die Anziehungs- und Fliehkräfte innerhalb der Moleküle und wiederum diese die Zelle und die den Körper, welcher wiederum auf eine ganz analoge Art mit anderen Körpern, schließlich der Welt und dem Kosmos interagiere; die Art dieser Kräfte sei aber ganz unterschiedlich: hier nennt man sie Inspiration.
Da mußte er lachen, unser Eckhard Cordes, leise lachen, er wollte ja den Jungen nicht wecken. Der Kaffeebecher war geleert, Cordes goß aus der gläsernen Maschinenkanne nach, goß Milch hinzu, und sann weiter. Auf was ich so komme morgens um halb sechs, dachte er, andere Leute machen sich statt dessen fürs Büro bereit und zögern meist den Ausbruch hinaus, über ihre Morgenzeitungen oder lethargisch das Brötchen oder ihren Toast gebeugt. Tausende, Hunderttausende Leute, ganz irr wird, wer sich das vorstellt. Lauter Welten, Millionen Welten, die in Busse und Bahnen steigen. Grüne Welle für Vernunft. Tausende Busfahrer wiederum und ein paar hundert Polizisten, die diese Ströme bewachen. Und die inneren Polizisten, man nennt sie unsre Überichs, die bewachen diese Ströme auch.

[*): nachprüfen.]

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2 thoughts on “Körnigkeit. Argo. Anderswelt. (193).

  1. kein Widerspruch tolle Darstellung, diese Körnigkeit. Spreche oft mit einem Freund darüber, dass die Zeit gequantelt ist. Daraus würde die Körnigkeit ziemlich leicht abzuleiten sein.

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