Halten Sie sich also vor Augen, daß Sie Teilnehmer eines Versuchsmodells mit offenem Ausgang sind, und zwar einen Wirkzusammenhang betreffend, dessen Daten, soviel wir im speziellen der drei Modelwelten inzwischen auch ansammeln konnten, ausgesprochen reduziert sind. Denn die Realität, was eine potentielle Realität meint, ist ungleich komplexer und in ihrer gesamten Vielheit sehr wahrscheinlich prinzipiell unerfaßbar.
Ja bitte? – Jaja, bringen Sie den Kaffee rein… wenn es denn sein muß.
– Also.
Worauf es ankommt, das ist der Umstand, daß für die sagen wir Figuren unserer Modellwelten ihre Modellwelt so absolut real ist wie für Sie dieses hiesige Stuttgart. Deshalb wiederhole ich meine Meinung, daß die Avatare leben. Ihr Schmerz ist wirklich, ihre Bedürfnisse sind wirkliche, ebenso ihre Ängste und ihre Krankheiten, auch wenn jetzt Sie, weil Sie infoskopische Zeugen einer Simulation wurden, immer noch denken: Kann der sagen, was er will, wir wissen, was real ist. Da macht uns keiner ein U für ein A vor, und sozusagen hätten Sie nichts als einen Film gesehen, für deren Darsteller gilt: ‚Das ist ja nur gespielt.’ Dem genau ist eben – für sämtliche Ihnen vorgeführten Personen – n i c h t so, weder für die Hundsgötter noch die Landshuter Amazonen, noch für den Polizisten Marcus Goltz. Und eben auch nicht für Eckhard Cordes, der vermutlich seinerseits immer noch meint, mit seinem kleinen Sohn und dem Jungen des Freundes im Technikmuseum Berlin zu stehen und den beiden die Nebelkammer als sein Erzähl- und Erkenntnismodell vorgestellt zu haben. Tatsächlich ist es ein sehr gutes Modell, wenn wir es einmal von seiner naturwissenschaftlich-apparativen Primitivität und unseren kybernetischen, bis eben Ihre Imagnationen auslösenden Geräten auf unsere ganze Welt und damit auch uns selbst übertragen. Und wenn man das faktisch – als reales Fakt des Daseins – tut. Wobei mich Cordes’ Erzählwahn nicht so sonderlich oder nur insofern interessiert, als auch er realitätsmodifizierend und realitätsändernd auf die anderen Welten und fortan vielleicht sogar die unsere, von ihnen als einzig wirkliche so hervorgehobene ausstrahlt. Es stehen nämlich w i r an dieser Nebelkammer und blicken hinein. Was wir dabei übersehen und was Sie sich nicht vorstellen können, das ist die gigantische Nebelkammer, in der wir selber uns befinden und in die vielleicht in genau diesem Moment a n d e r e Probanden hineinsehen und ihrerseits u n s für imaginierte Darsteller und also auch u n s e r e n Schmerz und u n s e r e Nöte für simuliert halten. Wir haben, um Ihnen zu verdeutlichen, wie weit unser Experiment unterdessen ins Neuland vorgestoßen ist, sowohl Herrn Deters als auch Herrn Cordes mit der Fähigkeit ausgestattet, uns zu denken: das bedeutet, daß in beide Avatare ohnedies schon die Möglichkeit einprogrammiert worden ist, daß sie sich nicht nur uns vorstellen, sondern annehmen können, wir seien ihre durch ihr Bewußtsein manipulierbare Erfindung. Aus dem Vorherigen folgt: Daran kann etwas sein. Ganz unabhängig von dem Training, das Sie heute und in den folgenden Tagen absolvieren, dürfte sich also längst ein Kontakt und damit die Einflußnahme auf uns alle in Gang gesetzt haben. Wobei wir der Herren Deters und Cordes Gedankengänge vorführen können; insofern sind wir auf etwaige Entwicklungen vorbereitet. Es ist aber, meine Damen und Herren, nicht von der Hand zu weisen daß eine solche Fähigkeit potentiell in s ä m t l i c h e n anderen Personen der drei Modellwelten veranlagt ist oder doch signifikant vielen weiteren. Wir könnten es, falls das stimmt, nur nicht direkt verfolgen, weil keine abbildbaren Zugänge zu deren Psychen bestehen, jedenfalls noch nicht.