Also, Leserin, also, Leser.
E.E. Cummings, den uns >>>> Gogolin nahegelegt hat, schied sehr schnell aus unserer Wahl: der Urheberrechte halber, die nicht mehr von ihm selbst eingeholt werden müßten, sondern vom Rechtenachfolger; etwas, das ich prinzipiell nicht einsehe, weil man dann auch noch mit Leuten verhandeln müßte, die selbst nie den Läuterungsberg auch nur beschritten haben, der die Kunst ist, sondern verstehen sie als Ware, Ding. Und Montale, auf dessen Finisterre wir die Augen schon wirklich geworfen, geht aus einem anderen Grund nicht. Christian Ferber hat im letzten Jahr >>>> eine nicht nur repräsentative, sondern referentielle Neuübersetzung von über zweihundert Montale-Versen vorgelegt; das macht man dann nicht, dem etwas entgegenzusetzen. Es wäre achtungslos, stillos. Und schließlich Hopkins. Ich habe ein tiefes Widerstreben gegen glatte, zumal von Anfang an viel zu abgefederte Lebensläufe, vor allem gegen fehlenden Zweifel; und Frauen, die ertrinken, in ein „Näher, mein Gott, zu dir!“ umzuver„schönen“, macht mich grantig; da möchte ich spucken. Hopkins‘ lyrische Größe sei ihm unbenommen, aber nicht ich mag ihr noch fronen. (Wie anders hingegen des gleichermaßen wohlsituierten Hofmannthals Chandos!) – Also das fiel alles weg.
Nun hatte mich schon seit vorgestern, weil wir „natürlich“ auch wieder ein bißchen Joyce gelesen hatten, permanent eine Übersetzung geärgert, und zwar so sehr permanent, daß mir das gar nicht mehr aus dem Leib ging:
Goldenhair,
I heard you singing
A merry air.
My book was closed;
I read no more,
Watching the fire dance
On the floor.
I have left my book,
I heft left my room,
For I heard you singing
Through the gloom.
Singing and singing
A merry Air,
Lean out of the window,
Goldenhair.
Geschlossen mein Buch,/Ich las es nicht ganz,/Am Boden bannt mich/Des Feuers Tanz.
Ich ließ mein Buch,/Mein Zimmer liegt weit,/Dein Singen hört ich/In Dunkelkeit.
Singend, singend,/Wunderbar,/Lehn aus dem Fenster,/Güldenhaar.“
Nicht nur, daß er Goldenhair ganz offenbar nicht versteht, nämlich als Anrufung >>>> Niams of the Golden Hair, die eben zu einem Dichter in Liebe verfiel, so daß das antiquierte „gülden“ vollkommen schief sitzt, – nein, Saxer unterschlägt vor allem die Kausalfolgen: For I heard; das wiederum führt dazu, daß er sogar die unmittelbare Gegenwart („I read no more“), das unmittelbare Erleben in ein vergangenes, also in Distanz, verfälscht. Dieses nimmt dem Gerundium „singing“ als ein, im Deutschen, „singend“ jede Präsenz.
Noch schlimmer sind Saxers Übersetzungen, wenn es um weibliche Geschlechtsmerkmale geht. Man kann da nur spotten. Hörn Sie nur mal d a s: „I would in that sweet bossom be“ (Joyce); „In solchen Brüsten wollt ich träumen“ (Saxer). Jaherrgöttin, als Milchkanal oder was? Anstelle sich wirklich dort einzuschmiegen und dann den Kopf eben im Busen ruhen zu lassen, der ja gerade n i c h t die Brüste ist, sondern die Bucht zwischen ihnen.
Je später unser Abend wurde, desto klarer auch, daß es nun das sei, was wir angehen wollen: Chamber Music, James Joyce, 1907. Das ist ein größeres Wagnis, als es unser >>>> Giacomo Joyce war, denn in einem hat Saxer schon recht: daß wir dem Reim nicht ausweichen können (noch wollte ich das); aber man darf nicht, um zu reimen, die Bilder schiefen noch den Liederrhythmus stören, nämlich Lieder, eigentlich, sind es. Wobei durchaus deutlich ist, wie sehr Saxer diese Gedichte liebt; bei aller Kritik ist das doch unbedingt festzuhalten, auch dann, wenn ich einmal mehr das Gefühl hatte, hier sei zu wenig Saft in den Hoden. Nur Herz, geschweige nur Geist, das reicht nicht.
Ein Gedicht hat Joyce übrigens selber vertont:
Wiewohl nicht auf meinen Stufen dabei sitzend, sondern in der Sala, weitere einhundert Handke-Seiten gelesen gestern, sogar etwas mehr, und das nächste Neapelgedicht vorgenommen, dessen erste Zeilen ich handschriftlich hingeworfen hatte, noch während der Zugfahrt hierher: Langverse. Damit will ich gleich weitermachen.
Aber die Sonne ist wieder herausgekommen seit etwa einer halben Stunde, so daß der Freund für den Nachmittag den Vorschlag eines Spazierganges machte. Deshalb jetzt: herannen!
(Mich übrigens hat nicht Niam, sondern >>>> Lan-an-Sìdhe geküßt, doch dafür – es war ein Zungenkuß bis hinters Zäpfchen – erstaunlich lange am Leben gelassen.)
Sonne!)
(18.40 Uhr.)
Mehr zu Handke heute >>>> dort; meines Kommentares wegen werden vielleicht einmal wieder die Wogen steigen: gischtend.
@read An. Wo ist die Skizze Ihres kleines Gedichtes geblieben, die Sie gestern eingestellt hatten?
Das was ich mit dem Bild sagen will, kommt mir im Wort noch sehr misslungen vor.
Die Chamber Musike … … hatte ich Ihnen ursprünglich ebenfalls vorschlagen wollen. Ich tats nicht, weil ich erstens dachte, dass Sie nicht schon wieder einen Joyce machen wollten. Und weil ich zum zweiten irgendwo in meinem Keller eine eigene Übersetzung von vor 30 Jahren oder mehr in alten Manuskriptkisten liegen habe, die ich nicht versucht sein wollte, aus der Verpackung zu schälen. Denn das ist alles schon Nachlass, wenn überhaupt, auf jeden Fall aus dem Sinn.
Ich wünsche Ihnen beiden viel Spaß bei der Übersetzung.
PHG
PS: Bei mir ist heut ein Büchlein rausgegangen, dem die italienische Post hoffentlich hold ist.
Nachtrag zu Joyce Sie hätten mit dem Übersetzen übrigens erst morgen anfangen sollen.
Am 07. Januar begann Joyce nämlich mit dem Entwurf zum Portrait of the Artist.
Wäre als kleine Verbeugung vielleicht angemessen.
Meint PHG
@PHG zu Joyces siebentem Januar. So haben wir es ja nun >>>> auch gemacht. (Es wird Zeit, daß Sie I h r e Übersetzungen hervorholen! Und: Ein Widerspruch wird nicht geduldet.)
Hervorholen …? … nie im Leben.
Das einzige, was ich aus diesem Keller hole, sind Weinflaschen. Was da an Literatur in den Kisten lagert, das ist so lichtdicht verpackt. dass meine Witwe das mal nach Marburg geben kann. Das werde ich nicht mehr öffnen, um darin nach schlecht übersetzten Gedichten aus meiner Jugend zu suchen.
Witz am Rande: Ich habe das damals für mich gemacht, ohne zu wissen, dass ein damaliger Freund, der heute Professor in Zürich ist, Wollschläger kannte. Als Wollschläger von ihm hörte, dass ich das machte, da soll er gesagt haben, „er soll es sofort an den Verlag schicken. Ich trete zurück. Den Kram brauche ich nämlich wirklich nicht.“
Ich habe mich damals so über ihn geärgert, dass ich beschlossen habe, nie mehr etwas von ihm zu lesen. Schon gar nicht die Herzgewächse.
Ach, alles längst vorbei. Ich freue mich auf Ihre und Schulzes Übersetzung von Herzen.
PHG
Wollschlägers Übersetzung ist nie herausgekommen, oder?
Doch, Herzgewächse sollten Sie lesen, auch wenn es den zweiten Teil nie gab. /(Der Titel, übrigens, bezieht sich auf eine Musik Schönbergs. Weiß kaum jemand, deshalb schreib ich’s, auch wenn S i e es ganz sicher wußten. Und wider das allgemeine Vorurteil: Schönberg kann ein ziemlicher Kitscher sein. Schon deshalb hätte Wollschläger sich mit seinem Urteil über die Chamber Music besser mal ein bißchen vorgesehen.)
Doch! Holen Sie Ihre Übersetzungen vor! Jugend hat mehr Kraft, als wir sie haben, und mehr Recht.)
wollschläger wirklich schade um den wollschläger (und für den wollschläger und dessen antwort) … Sie sollten ihm, ihn nicht lesend, nicht so die kalte schulter zeigen und ihn dennoch lesen
Hab ich ja gelesen … … also die Herzgewächse. Bin ein völlig inkonsequenter Mensch. Das Buch ist aber heute weit von mir. Das sind so Lektüren wie Maurice Roche „Kompakt“ oder Roggenbucks „Achtfacher Weg“ und der „Nämlichkeitsnachweis“. Oder wie die Filme von Alain Resnais, wie „Letztes Jahr in Marienbad“ etwa. Was will ich sagen? Ach, weiß nicht, vielleicht, dass es eine Moderne gibt, die es nicht mehr gibt bzw. so nie mehr geben kann.
„Angesichts der beharrlichen Aufforderung, Schwachsinn zu konsumieren und allmählich zu verblöden, um der unerbittlichen Gegenwart der Welt zu entfliehen, lassen wir Leser uns oft von von Druckwerken verführen, die vorgeben, richtige Bücher zu sein (gemacht von gewieften Literaturagenten oder als Verleger getarnten Geschäftsleuten), oder von elektronischen Objekten, die die reelle Erfahrungen simulieren (zu kommerziellen Zwecken von Technikern ersonnen, von skrupellosen Industriellen unterstützt).“ aus: Alberto Manguel: Eine Geschichte des Lesens
Gruß auf Ihrer beider momentaner glückseligen Insel, PHG