Pünktlich waren alle, wie ich das gewohnt bin. Es blieb sogar noch etwas Zeit, um in der „Pusteblume“ gegenüber dem Funkhaus einen Kaffee, einen Espresso, einen Cappucino und einen weiteren Espresso zu nehmen. Nervös wie immer Gerald Schaale, der diesmal das Problem hatte, „meine“ Partie sprechen zu müssen, was bedeutet, sich ganz auf meinen Sprechrhythmus einzustellen, während ich selbst mich auf Mellies’ Parts einlassen mußte, die ich ja bewußt auf seine Stimme hin geschrieben, bzw. montiert habe. Doch er mußte wegen einer Zahnbehandlung absagen, und der Freund, den ich an seiner Stelle vorgesehen hatte, weil er sehr viel tiefer spricht als ich, hatte mich ohne Rückmeldung gelassen und erschien auch nicht. – Eigentlich hätte ich die Aufnahme lieber vom Regiepult aus überwacht; nun war es ein wenig wie bei René Jacobs, wenn er eine Aufführung zugleich dirigiert und das Cembalo für den basso continuo spielt.
Ich wollte die Sprecher nicht getrennt aufnehmen, sondern die Lebendigkeit des gemeinsamen Sprechens – eine Aufführung, gewissermaßen – eingefangen haben. Was ohne sonderlich Proben nur dann geht, wenn alle Beteiligten ein Gespür dafür haben zum einen, was der Text verlangt, zum anderen, was die Idee des Regisseurs ist. Allerdings bin ich ganz gut darin, sie zu vermitteln. Dabei kommt mir jedesmal zugute, daß Leidenschaft ansteckend ist. Also sprachen wir wirklich „am Stück“, sprangen gleich hinein in diese Arbeit, unterbrochen immer mal wieder von der Tontechnikerin, die auf Fehlgeräusche achtete, auch auf Aussprachen mit, was ebenfalls ich tat. Das Originaldokument nun wird spannend klingen; noch habe ich es nicht ganz angehört. Sondern werde es erst einmal sowohl auf den Arbeitslaptop als auch auf die Sicherungsplatte überspielen. Dann erst wird die Schneidearbeit beginnen.
Von einigen Szenen habe ich hernach die Sprecher:inne:n noch Varianten sprechen lassen, solche der Emphase, des Rhythmus’, auch Lieblingsstellen noch einmal formen lassen: ganz, nunmehr, nach dem Wunsch der Beteiligten:
Damit liegt nun genug Material vor, um während der Produktion noch improvisieren zu können. Lustig war, daß die Technikerin mich einmal knapp zurechtwies: „Herr Herbst, bitte nicht mitdirigieren. Das hör ich im Mikro.“
Natürlich hatte sie völlig recht, aber ich muß dann wirklich an mich halten, möchte mit den Händen die Worte vor- und mitformen, jedes Mal; es ist fast eine Art Zwang, das Wort in den Klang zu bringen. Und wie so oft nach einer glückhaften Aufnahme: Umarmungen hernach. Ein tiefes Danke an Antje von der Ahe, Kavita-Janice Chohan, Gerald Schaale und Andreas Nickl, sowie an Inge Görgner für die sensible Technik.
*******
Glück. Eine kleine Anmerkung zum heutigen Aufnahmetag findet sich auch noch im >>>> zehnten PP unter 21.45 Uhr. Sie handelt vom Gefühl.