[Frankfurtmain. Nach >>>> Otello:
Palais Bijou, Zimmer 41.]
Yüe-Ling stellt niemals Fragen.
Ich hatte keine Zeit für sie, legte nur meinen Rucksack ab, machte mich frisch, zog mich um, schoß zur Oper los. Was von hier aus einfach zu Fuß geht, alles andre dauert länger – nur die Taunusstraße runter und dann schräg übern von Fahrtrassen durchschnittenen Platz, unterm Sprengobjekt Nr. 1 quasi durch, die Augen dabei zusammengekniffen, weil ich abermals keine Bombe dabeihatt‘ (habe ich eigentlich nie) und drüben in den Eingang. Karte und Programmbuch lagen bereit. Da ging auch schon los, wovon ich nachher, wenn ich im Zug nach Berlin sitzen werde, schreiben will, unbedingt. So wenig aber schon jetzt: perfekt.
Yüe-Ling, wiewohl ich sie selbstverständlich fragte, mochte mich nicht begleiten; es seien ganz sicher zu viele ihrer Kunden da, jedenfalls stehe das zu befürchten. Sie denkt, Oper sei bei uns noch bürgerliches Ereignis. Ich wandte ein: nur Repertoire, keine Premiere, aber sie ließ sich nicht umstimmen; auch hatte ich nicht genügend Zeit, um wirklich in sie zu dringen. Was Sie gern im Doppelsinn verstehen mögen. Nachher war ich zu bewegt, sagen wir: ohnedies zu müde.
Immerhin, hier funktioniert mein Netz wieder trefflich. Dennoch werde ich die >>>> gestern versprochenen Bilder erst in Berlin in das Arbeitsjournal nachträglich einstellen; ich bin schon wieder in Eile, will meinen Zug nicht verpassen, habe zumal, bevor ich ihn um 9.20 Uhr bestiegen haben werde, noch eine Besorgung zu erledigen. Der junge Tansanianer gab mir für Frankfurt etwas mit; „eine Angelegenheit des Herzens“, hat er gesagt, und wie seltsam! wie sehr ich an ihn denken mußte, als ich im Otello saß und dort den Schwarzen sah, der als Geist dessen, was er sei und aber auch verriet, mit seinem Sänger einherging. (Nein, ich will nichts vorwegnehmen; die Kritik schreib ich im Zug; spätnachmittags werden Sie sie lesen können.)
Vom Profi lag bißchen Geld hier, als „Bonus“, hat er auf dem Umschlag notiert. Mit spukt mir der Epilog, der >>>> für Argo zu schreibende, im Kopf herum. Per Email mit >>>> Elfenbein für den kommenden Dienstag einen Termin ausgemacht; da werden wir den Vertrag schließen, die Unterschriften druntersetzen also und für die Vorbereitungen planen: was im „Vorfeld“ zu tun ist oder wäre, hätte man die Möglichkeiten; und wie man sie arrangiere.
Draußen liegt nun auch hier wieder Schnee: nur hingepustet, aber er liegt auf den Dächern. Mal eben gucken, was mich daheim erwartet.
O meine Leserin, ich bin zurück. Doch mir im Rücken schläft Yüe-Ling.
10.15 Uhr:
[Grad Halt in Fulda. Speisewagen im ICE 1559: Richtung Leipzig.
Verdi, Otello.]
Irre voll, dieser Zug; eine Völkerwanderung, möchte man meinen. Ich hab mit sehr viel Glück noch einen Platz im Speisewagen ergattert, muß noch die Restauration beanspruchen, aber habe immerhin einen Platz für den Laptop, von dessen Akku ich hoffe, daß er bis Leipzig, wo ich umsteigen muß, halten mögen.
Immer wieder Blick ins Programmbuch, den Otello-„selbst“ in den Ohren, dessen Meisterschaft ich zunehmend mehr bewundere. Und getippt, erstmal als Entwurf, was ich festhalten und bemerkt wissen möchte. Sollte mich der Akku dann doch im, na ja, Stich lassen, werde ich in D‘Annunzios >>>> Alcyone weiterlesen und Ihnen am Abend vielleicht ein weiteres Beispiel der poetischen Meisterschaft >>>> Ernst-Jürgen Dreyers geben können. Wer irgend an Gedichten interessiert ist oder sie gar liebt, m u ß dieses Buch kaufen:
[Arbeitswohnung. Verdi, Otello.
Sundowner: Talisker.]
So, zurück.
Kaum hatte ich den Rucksack hochgewuchtet, klingelte es, und mein Sohn kam.
„Bin grad zur Tür rein. Auch einen Latte macchiato?“
„Gerne.“
So wurde denn geplaudert, bevor ich meine Sachen nun ausgepackt und zugeordnet habe; nur die finanzamtstechnische Abrechnung für die Reise ist noch zu skizzieren (Belege auf DIN-A-4-Blätter kleben, kurz zu den Treffen was schreiben, Personen, Orte, Bewirtungen, was halt so zusammenkommt; dann wegheften für die spätere Erklärungsnutzung in, schätze ich, anderthalb Jahren). Und endlich den Laptop anschließen, den großen Bildschirm anschließen, die Tondateien sichern.Dann, das >>>> habe ich eben getan, die Bilder nach-einstellen, die ich gestern wegen der Netzprobleme nicht hochgeladen bekam.
Während der Zugfahrt, so voll war es wirklich, die Kritik zu gestern abend immerhin entworfen; fertig werde ich heute aber nicht mehr. Mitteldeutschland liegt unter Schnee
(Irgendwann meinen Text Text sein gelassen und wieder im Alcyone gelesen, darüber auch ein bißchen eingeschlummert. Auch die nächste Lockung D’Annunzio stelle ich Ihnen heute noch ein, aber erst nachher. Will erst mal wieder heimfinden.]
Das Credo dieser “Geständnisse”. Des jetzigen wie des’ von gestern und einiger meiner vielen zuvor: Man wird nicht verdächtig, wenn man offen erzählt, und dies poetisch tut. Alles wird für eine Erzählung gehalten. Nachrichtendienste können nicht lesen; Kenner der literarischen Künste sind ihnen rar und ein Rätsel: wie diese selbst.
Bluffs der Dichter.