„Erbschuld“s- und Arbeitsjournal. Mittwoch, der 23. Januar 2013.

9.35 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Es gibt keine, absolut keine >>>> Rechtfertigung der Erbschuld; ihr Gedanke selbst, als tätige Forderung an Menschen, ist ein Verbrechen und ist das durch alle Jahrhunderte schon gewesen – einmal abgesehen davon, daß es, im Christentum, die in ihrer, für die Antike betrachtet, historischen Dimension ungeheure Leistung des Nazareners war, sie durch seinen eigenen Tod ein- für allemal aufzuheben. Mit den Völkermordverbrechen des Dritten Reiches kehrt sie, die Erbschuld, nun wieder: auf diese Weise läßt sich die Dynamik mythisch verstehen. Die Vernichtungslager des Dritten Reiches wären der Zweite Sündenfall, der gegen die Entsühnung durch den Nazarener die Erbschuld neu etabliert. Das ist schlüssig und erklärt die Schärfe des Tabus (Auschwitz als negatives Telos der Geschichte, nämlich – christlich gesprochen – Hölle; man kann da durchaus an Bosch und Dante denken), ist aber „rein“ auf die Interdependenzen zweier Bruderreligionen bezogen und damit, bezieht man es auf die Völkergemeinschaften insgesamt, scharf religionskolonialistisch. Für etwa China, Vietnam oder Japan sind Hitlerdeutschland und die Folgen ohne empfundene moralische Relevanz, weil dort je die eigenen Völkerverbrechen in der je eigenen Verarbeitung stehen und das, was hier geschah, kein Maßstab für dort sein kann. Wir sind weltpolitisch ja noch nicht einmal so weit, daß die Menschenrechte-an-sich von allen Völkern anerkannt sind. Wir wollen das zwar durchsetzen, weil wir an sie glauben, aber es i s t für andere eben ein Glaube, den sie nicht unbedingt teilen. Der Erbschuldgedanke ist denkbar ungeeignet, für unseren Glauben zu werben, auch denn, wenn wir ihn eine Überzeugung nennen.

Weiter mit der ziemlich drögen Protokollierung, d.h. Verschriftlichung, meiner O-Ton-Aufnahmen. Ich brauche aber je die genaue Sekundenangaben, um nächste Woche konstruktiv montieren zu können. Hinzukam ein schriftliches Interview, das ich nun in Rollenprosa umschreiben muß – immerhin, endlich, eine wirklich literarische Arbeit. Wobei auch >>>> diese Debatte, wegen des Umschreibens von Kinderbüchern, immer weitergeht.
Guten Morgen.

10 thoughts on “„Erbschuld“s- und Arbeitsjournal. Mittwoch, der 23. Januar 2013.

    1. Zu Erbschuld fällt mir noch etwas ein, es gab mal zwei Kinder die erbten von ihrem Vater die Schulden, sie wussten vorher nix von seinen Schulden, das nennt man auch eine Erbschuld, aber im wahrsten Sinne des Wortes.

  1. @„Erbschuld“ Ich habe – mit Verlaub – die Debatte mal zusammengefasst – nicht was den Diskurs über die Texttilgungen in (Kinder-) Büchern betrifft, aber meine darob angezettelte „Erbschuld“-Debatte. Vielleicht ganz gut, sie auch mal wo anders zu reflektieren, zumal ich selbst darüber nachwievor nachdenke, wie dort nachzulesen – falls dieser Abweg denn noch interessiert.

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