Ein Nächstes zum Giacomo Joyce, nämlich 16. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 4. September 2012. Mit einem bißchen Scott dazu und einer besorgten Frage zu http://wortschatz.uni-leipzig.de/. Und danach ein Gedicht, das ich nicht, aber Ögyr dem Gephyll gewidmet.

4.45 Uhr:
[Arbeitswohnung. Brahms, Zweites Klavierkonzert (>>>> DCG).]
Latte macchiato. Morgenpfeife. Brahms.
Schöne Idee eben, mir >>>> dieses Konzert noch einmal anzuhören, -zusehen allerdings (noch) nicht, wiewohl ich‘s ja könnte. Aber das lenkte von der Arbeit ab. Von Argo also erst einmal. Danach vom >>>> Giacomo Joyce, der, weil ich des Kieler Start-Seminars wegen keine „Außenwerbung“ mehr verschickt habe, zwar ruhig weiterfließt, aber die Zugriffe sind doch ein wenig zurückgegangen, vor allem auch die nächsten Mit-Vorschläge von Leser:innen. Darum noch einmal: Es geht mir bei dem Projekt nicht, >>>> Parallalie aber schon, um eine Formulierungstreue, die in der Musik der Werktreue entspräche, sondern darum, Bilder zu finden, deren Seele Joyces englischsprachigem Text im Deutschen möglichst nahekommt; das bedeutet dann aber eben nicht oder nicht unbedingt, daß tatsächlich deutsche Wörter verwendet werden, die den englischen entsprechen; >>>> gestern gab es ein gutes Beispiel für das, was ich hier meine: wo Joyce „molluscs“ schrieb, kam Parallalie für der jungen Dame sinnliche Lippen auf Muschelfleisch, ich hingegen hatte ihre vorher beschriebene erotische Verschlagenheit – wahrscheinlich eine Projektion Giacomos – im Blick und das Berechnende, Kühle des Lolita-Vamps und schrieb deshalb von Fischblütigkeit. Wobei mir Parallalie Idee näher ist. Der Reiz besteht für mich mehr als in einer „Übersetzung“ in einer deutschen Nachdichtung, etwa so, wie man auf dem Theater klassische Stücke „modernisierend“ inszeniert. Der schließliche deutsche Text kann dann neben in diesem Fall >>>> Reicherts Übersetzung wie ein eigenes Kunstwerk stehen, so, wie die Interpretationen Bachs von Glenn Gould neben denen der oft werk- das heißt notentreueren zum Beispiel Argerichs oder Pollinis. Um es so zu sagen: meine eigenen Übersetzungsvorschläge haben noch die Freiheit nicht, die mir eigentlich vorschwebt. Mein und Parallalies Projekt wird möglicherweise darauf hinauslaufen, daß wir eine Edition herausbringen, die beide Intentionen nebeneinanderstellt, oder aber eine, die unsere Ansätze füreinander in Bewegung setzt und schließlich eine Dichtung schafft, die beider großen Momente vereinigt. In der nächsten Woche will ich in Der Dschungel einmal alles Bisherige in einem „Zwischenlesen“ zusammenbringen, vielleicht unter-, vielleicht direkt nebeneinander gestellt. Das braucht dann eine Spaltenprogrammiererei, zu der mir in dieser Woche noch die Zeit fehlt, zumal ich meine Übersetzungen dazu „freischreiben“, das heißt, sie in einer Weise überarbeiten will, wie ich das mit eigenen Texten tue, allein aus jeweils der Szene heraus, ohne noch ins englischsprachige Original zu schauen; bei Parallalie wird es wahrscheinlich die entgegengesetzte Bewegung geben. Anders ausgedrückt: wenn ich die Partitur im Kopf habe, also auswendig spiele, will ich nach meinem musikalischen Temperament spielen.
Reichert und seine Frau haben mich, der Brief ist gestern angekommen, wieder zu ihrem traditionellen Buchmessenabend, daheim in ihrem Haus, eingeladen. Diesmal freue ich mich doppelt darüber, weil es die Gelegenheit schafft, mit ihm, Reichert selbst, das Projekt zu bereden, das dann ganz sicher abgeschlossen sein wird. Vielleicht werde ich ihm eine kleine Selbstedition basteln, mit Parallalies und meinen Übersetzungen, und als Gastgeschenk mitbringen; unsere endgültige Version hingegen, zu deren Erarbeitung ich auf jeden Fall nach Amelia reisen will, wird noch etwas brauchen, bis ins neue Jahr vielleicht. Das, weil Argo in ihm erscheinen soll, für mich ein entscheidendes sein könnte.

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Ich habe gestern endlich mit der Übertragung der Lektoratskorrekturen an dem Essayband begonnen, den gesamten Fußnotenapparat geschafft und ganz einen der Aufsätze und dazu tatsächlich auf meine Originaldatei zurückgegriffen, nicht auf die bereits von den >>>> Kulturmaschinen korrigierten Fahnen, in denen sämtliche Fußnoten zu Fließtext geworden sind. Das bedeutete, daß ich die ja bereits übermittelten Korrekturen meines ersten Fahnendurchgangs selbst in diese Datei einbauen mußte. Dem Himmel sei Dank, daß ich die zugrundeliegende Fahnendatei als pdf abgespeichert hatte; so mußte ich „nur“ abschreiben: mühsam, nervig, an sich überflüssig, nach Unfallsstand der Dinge nun aber eben nicht mehr.
Das ging so bis in den Abend. Deshalb hab ich mich auch um Die Dschungel nicht weiter kümmern können gestern. Und für heute hat sich die Löwin angesagt. Eigentlich habe sie mich überraschen und überraschend vor meiner Tür stehen wollen, aber geahnt, daß ich dann möglicherweise nicht aufnahmefähig sei. Also rief sie mich an. Der Flieger landet mittags, danach wird das hier ein wüstes Paaren, denk ich, geben. Ich leg schon mal Heil- und Zinksalbe zur Seite: Löwinnen, wenn man sie nicht richtig im Genick packt, schlagen schon mal zu. Was nicht unbedingt angenehm ist bei ihrer Krallenbewehrung. Deshalb hat Nietzsche, wahrscheinlich, an die Peitsche gedacht, ohne sie freilich anders führen zu können als verbal. Dies dürfte zu seinem Unglück einiges beigetragen haben – indes der sexuellen Vereinigungen geradezu zugrundeliegende Kampfaspekt in langjährigen Partnerschaften zunehmend verloren geht, so notwendiger- wie unabwendbarerweise. Jedenfalls will sie, die Löwin, nicht die Salbe bis zum Freitag in Berlin bleiben; sie werde, wenn ich am Donnerstag >>>> nach Wiesbaden zur Lesung reise, einen Museumskollegen besuchen, aber Freitag morgens wieder zurück nach Wien fliegen, so daß wir uns nicht mehr sehen können, wenn ich von der Lesung zurückkommen werde. Das ist mir insofern recht, als ich meinem Jungen versprochen habe, mit ihm nun endlich am Freitag abend in Ridley Scotts „Prometheus“ zu gehen, von dem ich leider gehört habe – Phyllis Kiehl erzählte es >>>> im Kieler Louf -, er, Scott, habe leider ausgesprochen am Drehbuch gespart. Mir hat das etwas Lust am Kinogang genommen, aber für meinen Sohn wird‘s recht sein. Drei wirklich große Filme hat Scott, soweit ich sie kenne, gedreht: „Legende“, „The Blade Runner“ und „Alien“. Alles danach, schon „Thelma and Louise“, war aufs Publikum geschielt und nicht auf die Möglichkeiten des Themas als Kino, also Unterhaltungsware.

Jetzt erst mal an Argo, dann die Übersetzung ff, danach der Essayband. Dazwischen die Löwin wecken, damit sie ihren Flug nicht verpaßt.

Eine der germanistisch wichtigsten Sites im Netz läßt sich nicht mehr aufrufen: der von der Uni Leipzig gesammelte und neu und neu ergänzte >>>> Deutsche Wortschatz. Was ist da los? Hat der ideologische Urheberrechtskrieg, hinter dem alleine Verlags-, also Marktinteressen stehen, bereits begonnen, zu zertreten, was an demokratischer allgemeiner Wissensvermittlung geschaffen worden ist? Aber vielleicht gibt es nur einen Serverausfall, der dann allerdings schon drei Tage dauern würde. Hm. Weiß jemand unter meinen Leser:innen Näheres?

[ Lutosławski, Dritte Sinfonie (aus der >>>> DCH.]
9.10 Uhr:
[Bach, Wohltemperiertes Klavier (Kirkpatrick am Cembalo).]

Sò, ein Riesenglas Bananenmilch mit einer halben Zitrone: Vitamin- und Ballaststoffzufuhr an Johann Sebastian Bach. Bin jetzt in Argo dort angelangt, wo erstmals >>>> E.A.Richter, damals härter: Richtex, eingeführt wird. Das hält auf, weil im Typoskript nur Hinweisanmerkungen stehen, für die spätere, eben jetzige Ausführung. In den Materialsammlungen die archivierten Briefe geöffnet, die wir seinerzeit gewechselt haben, auch den einen und/oder anderen Artikel, der über ihn erschienen, Fotos angeguckt usw. und alles das in das Typoskript direkt hineinkopiert, um von dort aus neu zu formulieren, Zusammenhänge herzustellen oder zu erfinden. Damit werde ich heute aber nicht mehr weitermachen können, sondern jetzt geht‘s an den Joyce; dann muß Ricarda Junges Text gelesen und, sie bat mich drum, beanmerkt werden, den sie am Donnerstag abend vortragen will. Wiederum danach die Endfassung des Gogolin-Artikels an Volltext schicken. Fußpflege, fein, sodann. Und darauf, wenn etwas gegessen und geschlafen ist, an die Lektoratskorrekturen für den Essayband. Das Buch sei wichtig, schrieben mir die >>>> Kulturmaschinen gestern nacht, ich möge nicht hasten.
Wann ich heute ans Cello komme, also, kann ich bei alldem gar nicht sagen. Aber, sage ich m i r, ich habe ja nicht vor, eine weitere Karriere zu starten, ganz abgesehen davon, daß das aussichtslos wäre. Ich muß mir nur irgendwie angewöhnen, etwas, das ich tue, als Hobby und nicht immer gleich auch als Beruf zu sehen. Ich habe schlichtweg keine Hobbies, jedenfalls noch nie welche gehabt, und weiß als Liebhaber nur in einer einzigen Hinsicht, wie sich da verhalten. Steckenpferde sind mir wahrscheinlich deshalb so fremd, weil ich mit dem Begriff Freizeit nichts, wirklich gar nichts anzufangen weiß.
Wunderbar übrigens, das Gieren, welchem Ögyr nach unsrem >>>> Kieler Treffen – so poetisch meinethalben n i c h t – sich hat überlassen: >>>> Ögyr & Gephyll.

11 Uhr:
Jetzt steht auch >>>> der siebzehnte Giacomo Joyce drin, mit beiden Übersetzungsvorschlägen und einer Anmerkung zur Interpretation der Szene:


Foto (©): >>>> Michael Krasser



Nun an die Fahnen.

16.30 Uhr:
Vom Flughafen schon lange zurück, gut gemeinsam zu Mittag gegessen, dann wieder ans Werk. Der Profi habe sie angeworben, erzählte mir die Löwin noch in Tegel, quasi sofort; deshalb müsse sie noch einmal zum Kanzleramt. Nein, es wäre besser, ich käme nicht mit.
Was hat sie mit dem Profi zu tun? Der mir überhaupt nichts angedeutet hat.
Ich krieg‘s schon noch heraus. Allerdings war’s schon ein Schock. Ich habe mir, selbstverständlich, nichts anmerken lassen.
>>>> Ricarda Junges neuen Text gelesen, den sie für Wiesbaden ausgewählt hat. Es ist ein Auszug aus ihrem neuen Roman. Eine schöne Erzählung, ausgesprochen plastisch. – Aber jetzt weiter mit den >>>> Essay-Fahnen und um Viertel nach fünf hinüber ans Terrarium, weil ich auf die Zwillingskindlein aufpassen werde, während ihre Mama beim ersten Elternabend der ersten Klasse unsrer Kleinen ist. Mit denen werde ich hinaus und ein Eis essen gehen. Ganz bestimmt. Weil das der Tag verlangt.

6 thoughts on “Ein Nächstes zum Giacomo Joyce, nämlich 16. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 4. September 2012. Mit einem bißchen Scott dazu und einer besorgten Frage zu http://wortschatz.uni-leipzig.de/. Und danach ein Gedicht, das ich nicht, aber Ögyr dem Gephyll gewidmet.

  1. Wortschatz Uni Leipzig – Serverausfall In Google findet sich nur noch ein Suchergebnis, das bruchstückhaft auf eine Umstellung der Server hinweist:

    http://asv.informatik.uni-leipzig.de/
    ASV-Logo · Universität Leipzig … Topic Maps Lab; Wortschatz … In dieser Zeit ist mit Ausfällen einzelner Services und Systeme und zeitweisem Komplettausfall …

    Leider ist diese Seite momentan auch nicht aufrufbar und auch nicht im Google-Webcache oder Archive.org.

    Unserem Schätzchen geht es also vermutlich gut.

    Viele Grüße
    Edmund

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