[Arbeitswohnung. Cage, Singing through.]
Es braucht viel Zeit, mich durch alle meine Cage-Musiken zu hören; es sind über vierundzwanzig Stunden, wenn ich sie gesamt einmal durchlaufen ließe. Nicht alles überzeugt so, wie die Quartets, manches ist mir zu „rein“-meditativ, anderes, wie einige der Musiken, in denen auf die Straßengeräusche gelauscht wird, zu beliebig: da fehlt mir >>>> Wille. Aber das ist ein Eindruck, der neben der Arbeit, meiner, entsteht. Mit Wille meine ich auch ein Drängen. >>>> Gräßer beschreibt das, den Grund für Cages fehlenden Willen, sehr plastisch in seinem gestrigen Kommentar. Er will nicht mehr Autor seiner Musik sein; das macht ihn modern, ist mir aber fremd; ich arbeite mit quasi unentwegten Ich-Spaltungen, dennoch gibt es ein, wieder einmal Kant, Subjekt der Apperzeption, das sich auch so, das sich sogar besonders so fühlt. Ich bin Europäer, Abendländer, mein Flirt mit dem ZEN war immer nur kurz. Doch intellektuell verstehe ich. Hat Cage eigentlich gezeugt? Ich muß einmal nachsehen. Wiederum schön, die Geschichte, die mir gestern लक्ष्मी im Pratergarten von dem Schwarzen erzählte (ob man ihn noch so nennen darf, wenn man nicht inkorrekt sein will? er sei aber s e h r dunkel): daß er sich ein zweites Kind wünsche, seine Gefährtin aber nicht mehr, doch sei er in seiner besten Zeit, und sie hätten in seinem Land zuhause a l l e so schöne Körper wie er, die sich große Familien wünschten, ja nach ihnen verl a n gten, viele Kinder, so auch er, daß er mehrere wolle und jetzt nicht wisse, wie das mit seiner Partnerschaft vereinbaren… doch der Körper dränge und auch sein Geist und sein Wille. So daß er sich eine weitere Frau nehmen müsse. Nein, sie selbst, लक्ष्मी, ist nicht gemeint, sondern jemand nächstes; wer, gehört nicht hierher. Mich interessiert der Ausdruckswille. Denn auch dies ist einer.
Singing through: Hingegen man gerät ins Schwingen, entwollt.
Es ist wieder kühl heute früh, ich mußte mir schon einen Schal um den Nacken legen, wenn ich hier am Schreibtisch sitze und die Restnacht, die in den Morgen will, durchs Fenster hereinweht. Während es in Wien noch abends 30 Grad hatte, erzählte die Löwin, und bei TT steht Ähnliches über Frankfurtmain; ich habe >>>> nach meiner innersten Wahrheit kommentiert.
Latte macchiato, erste Morgenpfeife. Um genau halb fünf aufgestanden; das hat schnell wieder funktioniert mit meiner Morgendisziplin. Wille. Nachdem mir gestern nachmittag die Arbeit etwas auseinanderlief, als ich angerufen und gefragt wurde, ob ich nicht… im Prater… sei doch noch so schönes Wetter. Dem der nahende Vorherbst schon anzuriechen ist, er liegt in der Luft, wie ein Schmetterling den fünfzehn Kilometer entfernten Nektar wahrnehmen mag.
Argo-Übertragungen ff. Zurückgekehrt – wir waren bei einem Pakistani noch Kleinigkeiten essen, die ganze, meine, Familie, um mich – las ich dann Kennedys Roman weiter, der wirklich Höhepunkte kennt, mir immer näher rückt, wenngleich ich mich nachher fragte, aber ich bin noch nicht durch, es fehlen noch rund siebzig Seiten, – fragte, was von unserer Zeit in ihm sei, welch ein Spezifisches, außer, daß er trotz des eigentlich 20er-Jahre-Szenarios, bei indes aristotelischer Einheit des Zeits und des Raums, SMS erwähnt und Google: als Erscheinungsphänomene der Gegenwart. Wie auch immer, das Buch ist eine wunderbare Erzählung über die Liebesobsession einer restlos bürgerlichen Frau. Das gibt ihm einen weiten Leser:innenkreis und ist auch wichtig, trägt eine, will ich sagen, pragmatische Freiheit. Und nicht selten sind Formulierungen schön. Aber ich sollte hier noch nicht die Rezension schreiben; immerhin ist das
>>>> Das blaue Buch 3 (Podcast).
Das blaue Buch 1 <<<<
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Argo-Übertragungen ff. Das steht voran, einzwei Stunden. Dann setz ich mich an den heutigen >>>> Giacomo Joyce, ließe aber gerne noch einmal, wie gestern, Helmut Schulze den „Vortritt“. Es ist gut für das Projekt, wenn unsere Versionen jeweils direkt untereinanderstehen; man bekommt so einen klareren Blick. Stehen beide – das heißt, mit dem englischen Original, alle drei – Versionen drin, lasse ich abermals eine Rundmail hinausgehen. Irgendwo wird was hängenbleiben. Danach lese ich erst einmal den Roman zuende und fange vielleicht gleich mit der Rezension an. Für nächste Woche brauche ich dann einen Aufnahmetermin. Mal schauen, ob ich ein bißchen was bastle: ich könnte hier, als O-Töne, Tonaufnahmen >>>> von der Kreufahrt verwenden.
6.30 Uhr:
Es ist ein bißchen schade, daß es so gar keine Reaktionen auf den 277. Argo-Abschnitt, >>>> Vor dem Paradies, gibt, den ich gestern eingestellt habe. Aber auch bei Giacomo Joyce >>>> war es, im Vergleich zu den beiden Vortagen, eher ruhig. Wie auch immer, ich darf nicht vergessen, daß heute nachmittaf Ricarda Junge herkommt, weil wir unsere Veranstaltung im Literaturhaus Wiesbaden besprechen wollen. Hübsch, das: >>>> „Junge trifft Herbst“. Wobei… ärgerlich wiederum: die Elegien gelesen hat dort niemand, sondern den Vorstellungstext einfach aus der Verlagsvorschau kopiert. So viel Desinteresse ist.
[Cage, Europeras III.]
Tolle Klangcollage, dieses Europeras! Wirklich großartig. Irgendwie ein, im Wortsinn, Abgesang, auf das Europa der E-Musik seit der Renaissance, aber mit einem deutlichen Akzent auf Spätromantik und Verismos; seltsam fort, bislang, sind die Barockmeister, betont ist das, was Sloterdijk als „weltweiten Export der Hysterie“ bezeichnet hat, nämlich, so in seiner Sicht, die Oper besonders der vorletzten Jahrhundertwende.
Und eben kam eine Einladung >>>> Abendscheins, die mich sehr gelockt hätte, müßte ich nicht eines Seminares wegen absagen, das mir aber einen ganzen Monat Existenz sichert. Zur Basler Literaturmesse solle es eine Veranstaltung zu Literatur & Netz geben. Schade. Da wäre ich gerne dabei.
Der >>>>> vierter Part des Giacomo Joyce steht jetzt drin, sowohl mit Schulzes als auch meiner Übersetzungsversion je in den ersten beiden Kommentaren. Mal sehen, wieviele Fehlklicker es wegen des geteasten High Heels geben wird. Selbstverständlich hab ich das bewußt genommen.
22.10 Uhr:
[Cage, Thirteen Harmonies (1985).]
Nachdem Ricarda Junge dann fortwar, sowas gegen 17.30 Uhr, noch ins Birkenwäldchen gefahren, wo sich, लक्ष्मी rief an, die Eltern der neueingeschulten Kinder trafen, zu denen auch die Zwillingskindlein nun gehören. Bis knapp 19.30 Uhr dort geplaudert, die Familie heimgebracht, denn nach dem Celloüben kam unser Großer auch hinzu, dann hier an den Schreibtisch und Das Blaue Buch zuende gelesen. Bis eben. Noch auf >>>> Schulzes Kommentar zu Giacomo Joyce reagiert. Damit will ich denn den Arbeitstag schließen. Morgen geht es an die Rezension.
Wieder einmal zum Träumen schön, der Cage. Noch so ein Tag, und ich dürfte das meiste kennen, was er schrieb.
John Cage Sehr oft begegnet mir zur Zeit John Cage, auch bei der Ruhrtriennale 2012. :
http://erpery.wordpress.com/2012/08/16/weil-ihr-mich-darum-gebeten-habt/
Diese Musik! Sie wissen ja, der Zugang dazu fällt – wie auch mir- nicht jedem leicht. Sie hören zu lernen, damit werde ich wohl bis ans Ende meiner Tage beschäftigt sein.
@Cellofreund. Das werde auch ich. Wir lernen nur immer von, jedenfalls nach einigen Jahren, verschiedenen Niveaus aus. Andere sind auf andere Ebenen hinaufgeklettert, zu denen wiederum ich nur hochsehen kann, ohne eine Chance, sie, sofern sie nicht dort verharren, einzuholen. Muß man ja auch nicht. Aber manche rufen herunter: “Kletter noch ein Stück! Hier, dreißig Meter unter uns, ist eine Aussicht, die glücklich macht.” Und sie drehen sich um und kraxeln weiter. Zum Beispiel Physiker, deren Einsichten auch ich gerne hätte. Oder Atlantik-Übersegler. Oder Raumfahrer.
Klettern Danke für diesen Vergleich, sehr schön, sich das Erobern des noch Unbekannten so vorzustellen. Sie locken mich wirklich in Neuland. Immer wieder.
“Neuland” ist ein anderes Wort für Glück. Pioniere wußten das. Es ist aber auch ein Wort für “Risiko”. Deshalb bleiben so viele Menschen Gefangene ihrer vier Wände – wohl wissend, daß alles, was es verlohnt, auch Gefahren birgt. Doch sagen sie sich: “Besser das vertraute Elend als eines, das noch größer würde, selbst wenn die Chance besteht, das Elend zu beenden. Denn das immerhin habe ich, und niemand kann es mir mehr nehmen.”
Sie wollen, kurz gesagt, behalten. So auch das klassische Ansinnen gegenüber Therapeuten: “Helfen Sie mir, Herr Doktor, aber so, daß sich nichts ändert.”