[Arbeitswohnung. Brahms, Erste Cellosonate a-moll.]
„Wer weiß, wie lange wir noch diesen Sommer haben werden“, sagte die Löwin am Telefon, nachdem ich ihr erzählt hatte, wie sensationell lange ich heute verschlafen hätte. „Erst um kurz vor neun bin ich aufgestanden!“ testierte ich mir brusttonsvoll selbst. „Und habe nicht das geringste schlechte Gewissen“, was ja noch viel sensationeller ist. Allerdings seien die Erfindungsarbeiten grad auch mal vorüber; Korrekturen, die zu übertragen sind, könne man einfach liegenlassen, wieder aufnehmen, wieder mal liegenlassen, „da gefährdet nichts die Imaginations-Kontinuität“. Wobei selbstverständlich Neues aufzunehmen wäre, etwa der lange Artikel zu >>>> Peter H. Gogolins Werk oder der kleine Aufsatz, den ich für den >>>> Palmbaum schreiben soll, eine Art Geständnis, demzufolge ich, als Künstler nämlich, kriminell sei und das so auch bleiben müsse, wolle ich nicht meine Präsenz gleichermaßen wie die Arbeitsfähigkeit gefährden. „Ich jedenfalls“, sagte die Löwin, „gehe heute wieder hinaus. Wir werden noch genügend Regentage bekommen.“ Weshalb ich mich entschlossen habe, es heute nachmittag ebenso zu halten, mir eine Decke zu schnappen und mich nahbei im Helmholtzpark hinzulegen, mit dem Blauen Buch A.L.Kennedys, das ich rezensieren soll und dazu vorher, das gebietet mein Stolz: ganz, gelesen haben will. Bis zum Nachmittag allerdings muß es mit der Korrekturübertragung in Argo weitergehen. Der große Vorteil dabei ist, daß ich Musik dazu hören kann und das auch richtig heftig tun werde, und laut. Am Abend dann, vielleicht, am späteren, >>>> Bar mit dem Profi, den ich aber erst anrufen muß.
Lange gestern spätnachmittags, bis in den Abend, mit लक्ष्मी im Pratergarten gesessen, ohne die Kinder, was es seit Jahren nicht mehr gegeben hat, daß wir einfach und so intensiv und nah miteinander sprachen, ohne daß jene nicht wenigstens indirekt Thema gewesen. Sie erzählte einen hinreißenden Traum, den sie habe in der Folgenacht tatsächlich fortsetzen können; er gehört rein ihr: deshalb hier kein Wort darüber. Leicht angedüdelt zogen wir dann ab, ich brachte sie bis zu ihrer Haustür, dann rollte ich davon auf meinem Rad, besorgte noch Tahin, Sesampaste, das ich mit türkischem Joghurt, Knoblauch, etwas Salz und frisch gepreßtem Zitronensaft, sowie mit Olivenöl anrührte und über den Abend in mich hineingleiten ließ, gleiten, ja, so sanft ist das und leckt die Zunge, leckt sie bis in den Hals hinab. Das Rezept hab ich >>>> bei Broßmann abgeguckt.
Ich habe vorhin >>>> der Muskkritik von gestern noch einen Absatz hinzugefügt. Aber den, finde ich, sollen Sie selbst finden. – Wieso muß ich gerade jetzt an meinen >>>> Freund HS denken? Des Sommerwetters wegen? Nein, wegen James Joyce. Ab morgen will ich die neue Rubrik „GIACOMO JOYCE“ einrichten und mit Beiträgen versehen, in deren Kommentaren der englische Text übersetzt und die Übersetzung jeweils diskutiert werden soll; Schulze und ich werden das project in progress gemeinsam tragen. Ich hab sogar schon, für die Zeit nach der Übersetzung, mit einem Verlag gesprochen. Allerdings müßte man, bevor da etwas spruchreif wird, erst einmal mit Suhrkamp reden. Denke ich mir. Auch wenn die Textrechte schon frei sind. Selbst hier geht es, wie immer, um den Stil.
Leser:innen, guten Tag.
Das ist eine sehr schöne Idee, den „GIACOMO JOYCE“ neu zu übersetzen. Alle paar Jahrzehnte sollte die Frage, ob ein Werk neu zu übertragen ist, immer mal wieder gestellt werden, natürlich ohne daß sich das dann gegen die alte Übersetzung wendet. Die wunderbare und sehr gelungene neue Übersetzung von „EIN PORTRÄT DES KÜNSTLERS ALS JUNGER MANN“ durch Friedhelm Rathjen zeigt, wie lohnend das sein kann. http://www.randomhouse.de/webarticle/webarticle.jsp?aid=37851
@Schlinkert zum Giacomo Joyce. Ich habe über das Vorhaben schon mehrfach gesprochen, vor hier zuletzt >>>> dort und da auch meine Beweggründe genannt. Das intendiert Neue ist aber eben nicht allein die Neu-Übersetzung, sondern daß man ihren Prozeß öffentlich und vor allem auch diskutierbar macht. So kann vielleicht eine Gemeinschaftsarbeit entstehen, die den Vorzug sehr vieler Blicke auf einen Text hat und sich nicht nur am „einsamen“ Schreibtisch abspielt, sondern von vornherein liebevoll zu nutzen versucht, was den Generationen vor dem Netz so gar nie möglich gewesen wäre (abgesehen vielleicht von Semionararbeiten; ich erinnere mich gut, daß Klaus Reichert in den Achtzigern Passagen aus dem Wake zusammen mit seinen Studenten übersetzt hat).
@ANH Das macht die Sache natürlich noch spannender. Ich habe mal (für ein Hörspielprojekt http://nwschlinkert.de/horspiele/vorhang-auf-rotlicht-fur-monsieur-beckett/) vor etlichen Jahren das Samuel-Beckett-Gedicht „Dortmunder“ zusammen mit einer Freundin übersetzt, da kommt man schon zu zweit auf Sachen, die allein nicht so leicht denkbar sind. Vielleicht sollte man mit den Beckett-Gedichten, auch wenn die Rechte noch nicht frei sind, mal Ähnliches probieren wie das, was Sie mit Joyce vorhaben.
Samuel Beckett:
DORTMUNDER
In the magic the Homer dusk
past the red spire of sanctuary
I null she royal hulk
hasten to the violet lamp to the thin K’in music of the
bawd.
She stands before me in the bright stall
sustaining the jade splinters
the scarred signaculum of purity quiet
the eyes the eyes black till the plagal east
shall resolve the long night phrase.
Then, as a scroll, folded,
and the glory of her dissolution enlarged
in me, Habbakuk, mard of all sinners.
Schopenhauer is dead, the bawd
puts her lute away.
Samuel Beckett:
DORTMUNDER
Im Zauber das homerische Zwielicht
nach dem roten Turm der Zuflucht
Ich nichtig sie königliches Wrack
hastend zu der violetten Lampe zur schwachen K’in Musik der Puffmutter.
Sie steht vor mir im hellen Stall
ausdauernd das Weibsstück
das vernarbte Jungfernhäutchen stiller Reinheit
die Augen die Augen bis zum östlichen Gefilde
sollen lösen der langen Nacht Phrase.
Dann, gleich einer Schrift, aufgerollt,
und die Herrlichkeit ihrer Auflösung erhöhend
in mir, Habbakuk, Feldherr aller Sünder.
Schopenhauer ist tot, die Puffmutter
legt ihre Laute beiseite.
wie auch blumen nicht ohne stiel auskommen, denn irgendwas muß sie ja erheben. weshalb ich mich auch seit gestern wortwörtlich mit dem wort „beat“ herumschlage… mehr dazu zum auftakt (vielleicht auch qua ego III.), dem ich nicht ungern entgegenfibere (ohne e). – könnte ich vielleicht, lieber ANH, anfangs noch die abschrift der jeweils behandelten textabschnitte in der Reichert-übersetzung per mail bekommen (denn die hier einzustellen, ginge wohl schlecht), denn dummerweise machte ich mir hier keine kopie davon, solange sie hier lag, und erst heute wurde über zvab ein feiles exemplar bestellt.