Ankunft in Rheinmain. Das Arbeitsjournal des Sonnabends, dem Bloomsday 1012. Erstmal zu den Freunden. Mit einer Bemerkung, wenn auch nur in Klammern, zur zeitgenössischen Lyrik.

10.10 Uhr:
[Bei Lüdenbachs Leukert, Balkon.]

Ziemlich zerschlagen. Ich meine, bereits dieser Signpost ist die Show. Dann aber erst das Gebäude der Abfertigung; klar, daß ich wenigstens zwei Stunden da stand, weil wieder einmal lange darüber diskutiert wurde, ob man mein Cello als unbezahlten Passagier akzeptiert. Und in Mombasa machte mir >>>> mein innerer Otter zu schaffen, der sich noch immer nicht entscheiden konnte, nein durfte, ob in Tansania, bzw. Kenia zu bleiben oder das nächste „Ding“ in Angriff zu nehmen, zumal in Berlin mein Sohn auf mich wartet, der andererseits, klar, auch recht gut ohne mich auskommt, jedenfalls-und-sozusagen sturmfreibüdig. So richtig helfen tat ihm, dem Otter, der Giacomo Joyce nicht, auch wenn die Sätze mitunter hinreißend sind.She does not know and walks before me, simple and proud. So did she walk by Dante in simple pride and so, stainless of blood and violation, the daughter of Cenci, Beatrice, to her death:…Damit den Flug zugebracht und an eigenen Gedichten gefeilt, zwei noch entworfen: das alte Verlangen, eine weibliche Achselhöhle in die Verse zu bekommen. Darüber wurde ich wieder erwachsen; schmollend zog sich der Otter nun völlig zurück und zeigt sich nicht mehr seit meiner Ankunft. Wahrscheinlich ist er schockiert von dieser Gleichzeitigkeit, die mich aber immer gereizt hat, ja begeistert, so daß meine Bücher voll von ihr sind:

Dennoch, trotz Joyces großer Liebesskizzen, habe ich mich für >>>> heute abend schließlich d o c h für das Dreifache Dreieck aus dem >>>> Wolpertinger entschieden. Harry Oberländer mailte auf meine Bedanken: nein, er finde nicht, daß ich mich mit solche einer Lesung in den Vordergrund schöbe, vielmehr wäre sie „sehr passend. Es stellt dar, wie die Rezeption von Joyce Dein Schreiben beeinflußt hat.“ Was für das genannte Kapitel auch stimmt – bis hin in eine Selbstpersiflage, die ja auch Joyce, im Wake, geritten hat, aber auch schon im Helioskapitel des Ulysses. Trotzdem war ich für meinen üblichen künstlerischen Hochmut noch zweidrei Tage lang höchst scheu, ja skrupulös.
Daß ich während des Flugs und eigentlich auch nicht wirklich während der Wartezeiten so recht zum Arbeiten kam, muß ich Ihnen wahrscheinlich nicht erzählen; ganze sechs Zeilen (Zeilen, nicht Seiten) habe ich heute an Argo geschafft; viel besser lief es gestern aber auch nicht, des Otters wegen, der nach wie vor sehr tief in meinem Gepäck verbuddelt bleibt. Er ist ganz offenbar beleidigt. Jedenfalls werde ich jetzt das Cello auspacken, sicher muß es erst mal nachgestimmt werden, und meine anderthalb Stunden üben. Ich ziehe mich dazu, um die Freunde nicht allzu sehr stören, ins Badezimmer zurück.
Hab versucht, die Löwin zu erreichen, aber sie nahm nicht ab. Wär nicht der Bloomsday dazwischengekommen, ich hätte einen Abstecher nach Wien gemacht. Doch ich freu mich auf die Kollegen und Freunde; die Gästeliste >>>> der Veranstaltung wurde unterdessen geschlossen, wiewohl ich sie weiter annonciere, „sonst“, schrieb mir Oberländer noch, „reicht >>>> die Suppe nicht“.

11.05 Uhr:
(Auch wenn ich mich in der Szene jetzt wieder unbeliebt mache, so bleibe ich doch der Meinung, daß man Gedichte nicht einfach so runterschreiben kann. Daß etwas hübsch klingt oder eine nette Aussage hat, reicht einfach nicht. Viel zu oft wird von der „freien Form“ oder freiem Rhythmus gesprochen, wenn’s schlichtweg an dem Handwerk fehlt.)

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