Die Vorhänge der Wirklichkeit (3). Daniel F. Galouye. Aus dem Entwurf des Typoskripts, noch ohne Sprecherzuordnung.

(…)

Off:
Bequeme Sessel zählten zur Einrichtung, und Fresken, die die Saiten des Heimwehs strichen, zierten die Wände.

Darüber O-Ton: Straßenszene. Den Spaziergang machen und aufnehmen! Dazu Sprecher (Erzähler):

Ein Spaziergang in Berlin-Mitte. Unter den Linden. Staatsoper. Gegenüber die Käthe-Kollwitz-Wache Bebelplatz und Humbold-Universität. Hoch auf dem Sockel Rauchs Alter Fritz auf dem Pferd, in der Bronze frisch restauriert. Schon die Showrooms von Bentley Rolls Royce. Gegenüber das The Westin Grand. Dann – wir biegen in die südliche Friedrichstraße – einmal ums Karrée, das nicht sündliche, leider, und nochmal links bis zum Gendamenmarkt. Diagonal darüber auf das SERG zu, die „Stiftung für elektronische Reizung des Gehirns“, worin mit dem Persönlichkeitsaustausch, heißt es, experimentiert wird. Milieusimulator. Simulektronik. Ein Ableger Max Plancks: Tochter-Institut.

Es handelte sich um eine Institution, die die Interessen von allem und allen vertrat, überall, durch alle Zeiten, durch allen Raum. (…) In der Abteilung „Sicherheit“ checkte Hawthorn gerade die Leute von der Nachtschicht ab. Viele der Männer waren noch nicht voll in das Geheimnis der Stiftung eingeweiht. Das einzige, was sie wußten, war, daß ihre Aufgabe darin bestand, unauffälligen Schutz für eine wichtige Person zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Irgendwann später würden sie die volle Wahrheit erfahren. Und von da an würden sie nur noch zwei Dinge kennen: Furcht und Schrecken.

Er hatte nichts als eine leere Stille im Krankenzimmer hinterlassen, gestört allein von raschelnden Vorhängen, die in der Brise vom Golf die Muster des Sonnenlichts am Boden tanzen ließen.

aus dem Off darüber (O-Ton hörbar gedimmt):
Die Vorhänge der Wirklichkeit. Ein phantastisches Hörstück über das Werk Daniel Francis Galuoyes. Von Alban Nikolai Herbst.

O-Ton wieder aufdimmen.

Die hohen Scheiben locken, rechts und links daneben Cafés, gegenüber, uns im Rücken, das Konzerthaus. Erste Stühle und Tische stehen schon draußen, wie wir im Vorbeigehen sahen. Von der nahen Lappenschleuse ahnen die Touristen nichts.

Off:
Er tritt ein.

O-Ton: das Innere des Showrooms. Begrüßung und Frage der Hostess: „Was wünschen Sie?“ Je nachdem. Aufnahme machen.

Selbstverständlich wird die junge Dame (beschreiben!) nicht konkret, sondern erzählt nur allgemein, an was hier gearbeitet wird. Etwa, daß in einer künstlichen Computerwelt, die sehr an Second World erinnert, aber deren Geschöpfe sich als richtige Menschen fühlen, sowohl Marktumfragen durchgeführt wie Krisenszenarien inszeniert würden, deren wichtigstes, sagt sie, derzeit die globale Erderwämung sei. In einer der Welten stehe bereits Hamburg unter Wasser. Ja, das sei öffentlich, man könne sich das auf dem Screen ansehen, der die Daten des Rechners in Bilder übersetze – ein wenig, sagt sie, seien die noch ruckhaft: wie zu Anfang des Kinos,

Aber das ist lustig, wenn die ertrinken.

Zwar farbig, doch noch ohne Ton.

Wir arbeiten daran. – Wenn Sie mir jetzt bitte folgen möchten?

Unterdessen haben sich genügend Schauwillige, darunter auch hereinverirrte Touristen, zusammengefunden. Einzelführungen gibt es nicht. Oder nur dann, denke ich mir, wenn jemand gute Beziehungen hat. Ich möchte aber schon nicht, daß man mitbekommt, wie ich hier akustisch spioniere.

Wir sind mittlerweile zu genauen Prognosen fähig, wann der Katastrophenfall für welche Stadt der Ebene eintreten wird.

Sie nutzen den Rechner auch für demoskopische Zwecke?

Sie räuspert sich – jedenfalls gibt sie keine Antwort.

Im Parteienauftrag?

Ich insistiere besser nicht. Wir kommen an einer Reihe verschlossener Türen vorbei. Es ist vollkommen still, einzig wir Besucher sprechen, doch auch dies nur gedämpft. Ein wenig kommt man sich wie in einer Kirche vor, jedenfalls einem geheiligten Raum. Keinem von uns, das ist zu spüren, ist das angenehm, auch der jungen Dame nicht, die uns führt und immer mal wieder versucht, einen Witz zu plazieren oder sonst etwas zu sagen, daß der Situation die Schwere nimmt.

Sie sind sich sicher, daß es draußen noch die Welt gibt?

Sollen Angebot und Nachfrage[“, antwortet sie, „]während der kosmischen Expansion ausgeglichen bleiben, dann müssen neu entdeckte Kulturen in den Produktionsprozeß mit eingegliedert werden.

(…)
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4 thoughts on “Die Vorhänge der Wirklichkeit (3). Daniel F. Galouye. Aus dem Entwurf des Typoskripts, noch ohne Sprecherzuordnung.

    1. eine wirklichkeit wirkt.
      eine.
      von wirklichkeiten.
      die wirkhaftigkeit beansprucht totalität.
      wo ?
      in einem nischentotalitaritarismus.
      in der excision.

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