11 thoughts on “Hier zum Hören: Die sechste Bamberger Elegie auf Bach und Dallapiccola. Das bleibende Thier in der FaustKultur.

  1. Ich bin kein Freund von Hörbüchern sondern einer des Selberlesens; Ausnahme ist Lyrik, die ich lieber höre aus dem Munde des Dichters als sie mir selbst zu Gehör zu bringen. Ihre Bamberger Elegien lassen sich sehr gut mit geschlossenen Augen hören und genießen und ich hoffe, bald alle hier oder auf einer CD zu finden. Mit der untergelegten Musik allerdings habe ich ein Problem, mich jedenfalls stört sie, weil sie wie von fern, von außen kommend wirkt, als fände im angrenzenden Saal ein Konzert statt. Außerdem: Musik nur als Möblierung oder als Unterlage finde ich verschenkt. Oder gibt es einen Grund, diese Musik so dazuzumischen?

    1. @Schlinkert. Ja, den gab es. Die Mitschnitte sind nämlich sehr verhallt, und Hall läßt sich elektronisch nicht wegfiltern.
      Darüber hinaus reizte mich aber – und reizt mich noch weiter – die Konfrontation der Elegien mit Musikstücken, die maßgeblich an ihrer Entstehung beteiligt waren, ebenso wie mit den O-Tönen, also den Geräuschen, die zu ihrer Entstehung gehörten. In diesem Fall habe ich allerdings, mit den Zikaden von Olevano Romano, geschummelt – was einfach daran lag, daß sehr wenig Zeit war; FaustKultur drängte sehr auf die Tondatei. Daß es schließlich doch noch fast zwei Monate brauchte, bis sie dort eingestellt war, hat technische Gründe, denen sich die Site ausgesetzt sah.
      Ich werde sicherlich weiter experimentieren. Mal sehen, zu welchen Ergebnissen das sonst noch gelangt. Übrigens bekam ich grad Post, deren Verfasser:in die Musik gar nicht störte, im Gegenteil. Hm.

  2. @ANH Insgesamt konnte ich dem gesprochenen Text gut folgen, in einzelnen Passagen empfinde ich Ihre Stimme als schnell… ich spreche mit, will dann immer Luft holen, merke, daß Sie’s nicht tun. Es kann auch gut sein, daß meine eigene Art zu hören oft auf der gehörten Strecke Zeit für die Entfaltung von Wirkung und Nachhall braucht, ich deshalb Ihren gesprochenen Text in einzelnen Passagen als schnell gesprochen empfinde. Hab überlegt… von Bartok die String-Quartets 1 – 6, gespielt vom Alban Berg Quartett würden als Hintergrund auch gut passen, eben passend zur Festigkeit Ihrer Stimme und der klaren Präsens des Inhaltes der Sechsten. Ich empfinde das so, die Festigkeit Ihrer Stimme zurrt den Text in seiner strengen Form noch fester, dann suche ich das Fließen der Regnitz. Dies mal als Hinweis.

    Mich würde interessieren, wie die Sechste Elegie von Kavita-Janice Chohan gesprochen, klingen würde… wahrscheinlich eher wie das Wasser, welches durch das (wie die das Versmaß formenden Seiten der Ufer) Flußbett fließt.

    Ich werde es mir nochmal anhören….

    1. @syra_stein zur Sprechhaltung. Eine spannende Idee, ich werde Frau Chohan darauf ansprechen. Wobei ich selbst eine weibliche Sprecherin für diese Texte als etwas problematisch empfände, da doch deutlich aus der Situation eines Mannes, und an die Frau, gesprochen wird; das bekäme, wäre es von einer Frau vorgetragen, einen ganz anderen semantischen Bezug: die Frau, die die Frau so anspricht, wäre notwendigerweise lesbisch und der Bezug auf den Sohn dann schwierig zu erklären.
      Andererseits weiß ich, daß es hervorragende Interpretationen der Winterreise und des Fahrenden Gesellen gibt, die von Frauen gesungen werden; dennoch, auch da, habe ich immer ein bißchen das Gefühl, es sei unpassend – ähnlich auch im Lied von der Erde, also dem sechsten Stück, dem des Abschieds, darin.

  3. Just aa little voice Nach dem 3ten Mal hören …ich find es sehr aussergewöhnlich. Und ich frage mich, ob Mr. Prunier es ins Französische übersetzten kann. Das wär wohl eine Super Challenge, ich denke, ich wär wohl etwas überfordert. Trotzdem wär es der Mühe wert.
    Des Weiteren was die Musik angeht finde ich die “Untermalung” sehr angenehm. Ich wollte auch tiefer reinhören, nur es klappte nicht, das ist ein Schachzug.
    Auch die Stellen wo die Grillen (the crickets) zirpen fand ich extrem passend, es hat mich sehr an Sizilien erinnert, an warme Sommerabende dort.
    An der Stelle, wo Sie sagen “als gäbe es keine Musik” hätte ich mir Musik gewünscht (aber nur dort)
    Was ich auch gerne wissen will, ist ,welche Sehnsucht die Technik hat (Schmäh ohne)
    Diese Chemiesache ist ja sowas von klar, darüber brauchen wir auch nicht reden.
    Aber über das : Warum ist Kunst pervers ?
    Heisst das nicht, dass auch die Künstler pervers sind ? Es kann ja sein, aber warum ?
    Das letzte interessiert mich brennend.

    Und ihre Stimme ist einfach captivating, da kann wirklich niemend etwas dagegen sagen. Oder doch ?

    Azever

    1. @Zazie zur Perversion der Kunst. Ich verwende “pervers” nicht als wertendes, sondern als erkenntnistheoretisches Adjektiv. Der Gedanke formte sich erstmals in dem >>>> Roman-Briefwechsel mit Barbara Bongartz, der 2001 als Jubiläums-Schreibheft erschienen ist.

      Zugrunde lag die Beobachtung, daß sich die Künste auf Katastrophen, Schrecken usw. focussieren und aus ihnen Lust im Betrachter, Hörer, Leser erzeugen: κάθαρσις, Reinigung, als Vorgang, der die Schrecken bannt. Man schaut, um zu verarbeiten, nicht weg, läuft nicht weg, sondern begibt sich in der künstlerischen und diese rezipierenden Aktion mitten hinein.
      Insofern ist weder der Künstler notwendigerweise pervers noch der Rezipient, sondern der Vorgang selbst ist es. Den gleichen (“selben” vielleicht) Prozeß fand ich dann, bei nahem Hinschaun, in Bereichen des BDSM, worin aus Traumata Lusterlebnisse generiert werden, durch andere, “herumdrehende” Besetzung der Erlebnisse, die meist nicht einmal bewußt sind, aber doch eben, als verdrängte, enorm wirken. Diese Wirkung wird, oft, ritualisiert und als Ritual die Ursache wiederholt. Man nimmt das Ausgeliefertsein und die Hilflosigkeit selbst an und formt sie dann.
      Dies nur in kürze zur Erklärung; ich habe bereits oft darüber publiziert – auch hier in Der Dschungel; geben Sie einfach mal “Perversion”, “BDSM” usw. oben rechts in die Suchmaske ein, dann werden Sie schnell zu den entsprechenden Beiträgen und Diskussionen geleitet. Aber auch die Elegien insgesamt geben immer wieder Antworten auf diesen Nexus – oder stellen Fragen an ihn.

    2. Ganges Ich habe Ihren Briefwechsel noch nicht gelesen (das kommt noch).
      Was Sie über Katastrophen, Katarsis (meine halbe Familie besteht aus Griechen) und Schrecken schreiben geht mir ein. Aber eigentlich ist es vielmehr, als das. Als damals diese Twintowers fielen, hab ich auch ein Bild gemacht, ich konnte gar nicht anders, doch es war weder gesteuert, noch geplant. Es war reines Gefühl und ich musste was loswerden.
      http://www.zazie.at/WTC/WebPages/Heaven.htm
      Auf der anderen Seite würde ich von mir nicht behaupten, dass alle meine Bilder auf Katastrophen oder dem Schrecken basieren. Dann könnte ich mich gleich in die Klappse begeben.
      Es ist etwas Wahres dran, an dem, was Sie sagen, aber das ist wirklich nicht alles.

      Was den Vorgang angeht : Man sagt doch immer “Der Weg ist das Ziel”, diese alte Kamelle.
      Wenn Sie wüssten, wie intensiv ich oft träume, dann würden Sie sicherlich verstehen, wie manche meiner Bilder entstanden sind. Aber das können Sie nicht.
      Das kann niemand genau nachvollziehen, nur ich selbst !
      Aber das ist kein Vorwurf, nur eine banale Feststellung.

      Gegen das Ausgeliefertsein wehre ich mich in der Regel, manchmal mit mäßigem Erfolg. Da bin ich ehrlich. Formen will ich sehr gerne, aber in meiner eigenen Blockform.

      Das Wort “Perversion” hab ich hier noch nicht nachgeschaut, mach ich aber demnächst. Ich wollte jetzt nur mal geradeaus antworten, was mir in den Sinn kam.

    3. Zusatz Ich wüsste jetzt auch nicht wie aus Traumata Lusterlebnisse generiert werden. Ganz ehrlich. Ich hatte genug Traumata in meinem Leben, aber nie ein Lusterlebnis daraus. Wie ist das denn, wenn wer stirbt, den man tierisch geliebt hat ? Können Sie das beschreiben ? Wenn Sie mir sagen können, wo da die Lust ist dann ….wär ich Ihnen unendlich dankbar.

    4. @Zazie zum Zusatz. Ich fürchte, es ist nicht die Künstlerin oder der Künstler, der und dem die Lust zuteil wird, sondern es sind die Rezipienten – die, die das verarbeitete Leid hören und sehen: sie, nicht die Künstler, erleben den Schauer. Ein geliebter Mensch ist gestorben oder wir haben diesen Menschen auf andere Art verloren und schreiben darüber eine Geschichte (die nie identisch mit den Geschehnissen sein kann, aber sie, genau sie, poetisiert: sie sind der Beweger) oder schreiben eine Musik; die Zuhörer/Zuschauer erleben darin etwas ihnen Nahes, das aber unkonkrt genug ist, um nicht abwehren zu müssen; statt dessen erleben sie Lust. Von den großen Trauerspielen der Literatur sind wir erfaßt, vom Heiligen Dankesgesang eines Genesenden in der lydischen Tonart, und uns kommen die Tränen, ohne daß wir selbst die Krankheit gehabt haben müßten. Und wir erschauern ob der Klage Lears, ohne daß wir selbst die Tochter verstießen. Doch haben wir ähnliche Erlebnisse gehabt, ähnliche Nöte. Shakespeares West Side Story bezieht daraus auf uns ihre Wirkung. Außer dem Persönlichen aber gibt es kollektive Archetypen des Erlebens, die in den Kunstwerken aufscheinen: ist abermals eine Allegorie durch die Menschen gegangen.
      Was BDSM und die dortige Pervertierung von Schmerz in Lust anbelangt: Nicht jeder ist dazu fähig, nicht jeder hat diese Disposition: aber einige haben sie. Ob man sie hat oder nicht, ist wiederum das Ergebnis von Prägungen. Nicht jeder ist ja auch fähig, Kunst zu erkennen, bzw. sie zu genießen – was eben ein perverser Akt ist. “Erst einer befreiten Gesellschaft stürbe Kunst ab”, schrieb Adorno.

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