Eines Vaters Glück. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 31. Oktober 2011. Und Lektüreendspurt. Sowie des abends der S a m h a i n.

4.50 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Pünktlich raus, 4.31 Uhr. Mit erstaunlicher Leichtigkeit. Hat die wieder neue Winterzeit damit zu tun? Ich lag um fünfzehn nach Mitternacht. Orangen? hätte meine Großmutter da gefragt, die vor fünf Tagen ihren 107. Geburtstag gehabt hätte, fünfzehn Orangen?, fünfzehn Äpfel? „Aber Minuten doch, Omi!“ „Dann muß man das auch sagen.“ Latte Macchiato, die erste Pfeife wird gleich gestopft. Dann setze ich mich sofort an die Kritik zu der äußerst vergnüglichen Kinderoper >>>> gestern. Nachdem mein Junge und ich die Komische verließen („Komische? Was für eine komische? – Waschmaschine?“], waren wir noch essen, hatten insgesamt einen sehr schönen Vatersohn-Abend. Als er dann auf seinem Vulkanlager lag, las ich ihm noch eine dreiviertel Stunde lang „Des Königs Ankus“ aus dem neuen Dschungelbuch vor; von Mikuschs alte Dschungelübersetzung fühlt Dschungel nach wie vor als weiblich; es liegt mir am Herzen, daß mein Sohn das beerbt. (Er wachte eben kurz auf, als ich den Kaffee >>>> muhl, blinzelte, „schlaf weiter, mein Sohn“ – und tat‘s. Licht aus in der Küche, die Computers hochfahren lassen…) Also das DTs erst, dann die Kritik. Um Viertel nach sechs wird er geweckt, der – während er schläft, darf ich das sicher noch sagen – Bub. Gestern abend, als ich ihn immer wieder ansah, hatte ich akute Anfälle von Liebe, Glücksanfälle, in die sich ein Stolz mengte.




Sowie der Junge aus dem Haus, also zur Schule wegsein wird, lese ich den Krausser, Thanatos, weiter. Bis Ende der Woche will und muß ich mit allen Grundlektüren durch sein. Das nächste Wochenende: Seminar. Ab Montag wird das Typoskript zum Hörstück geschrieben.
Guten Morgen.

(Was mir aber grad noch einfällt: Ich muß heute vormittag ein letztes Mal, für den Reinschliff, über meinen Aufsatz zur Gegenwart der Oper gehen und das Ding heute auch abgeben. Angenommen wurde es bereits.)

6.05 Uhr:
Die ersten Sätze der Kritik sind in die Tasten geworfen:


Aber nun wird, wie immer, auch bei seiner Mama daheim, der Aufwachkakao für den Jungen gekocht und ihm dann ans Bett gebracht. Dazu Tschaikowski b-moll. So, wie er das liebt.

(Frische Unterhose, frische Socken. Er wird das Hemd von gestern abend noch einmal tragen wollen, allerdings nun – ohne Krawatte. [1]Mit welchem Stolz Du sie gestern trugst! Es war Deine, nicht etwa meine Idee.)

(Gegrummel. Murmeln. Rumdrehen. „Es ist Viertel nach sechs. Du wolltest etwas früher in der Schule sein, Junior.“)

Ich wieder an den Schreibtisch, etwas in der Pfeifenasche stochern. In meinen albernen Leggins. Tschaikowski träumt. Dann, von jenseits des Schreibtischs, vom Vulkanlager hoch, leise: „Oh, der ist lecker!“

Ich mach hier noch ein bißchen an dem Beitrag rum. Vom Vulkanlager gedecktes Schlucken, Schlürfen, Schmatzen. Kann nicht anders: grins vor mich hin, die Haut über den Wangenknochen zu den Tränensäcken hochgezogen. Tschaikowski spielt vor sich hin, als improvisierte er, dann Scheinschluß und aufsteigende Linie von den Bässen. Modulationsspiel – und: Thema II.

10.33 Uhr:
Fertig mit der Kritik. >>>> Da ist sie.

17.50 Uhr:
Eingedeckt für Halloween, nämlich >>>> Samhain:

Die ersten Geister waren auch schon da. Allerdings mußte ich Dir >>>> das da ziemlich klar untersagen. Na, dann sehen wir mal (ziehst Du mit Deiner Freundin herum, dann habt ihr beide den Teufel gesehen).
Der Hintergrund ist, daß sich zu Samhain die Türen des Anderswelt öffnen und sich Tote, die Geister und die Lebenden ununterscheidbar mischen – was >>>> eine der Erzählideen zu meiner Trilogie war wie diese selbst eine Folge der >>>> Wolpertinger-Welt. Um nun die Geister und Wiedergänger davon abzuhalten, bösen Unfug anzustellen, werden sie gefüttert. Das nahmen Tagelöhner auf, verkleideten sich als Gespenster und zogen herum. Wer ihnen nichts gab, bekam den bösen Unfug ab: etwa die Eier, wobei man sich fragt, wenn sie denn schon hungrig waren, weshalb sie nicht erst mal diese gegessen – waren sie schon damals wohl auf Süßigkeiten aus?

Als Sundowner heute einen >>>> Ardbeg. Dazu Motzeks exquisiter >>>> Evening Latakia. Dummeweise bin ich kaum zum Lesen gekommen; die Kritik vom Morgen hatte einige Folgen. Etwa rief die Komische Oper an; man hätte gern eine etwas gekürzte Version meines Textes für die Zeitung des Hauses, die frei ausliegt und auch an Abonnenten und Interessenten per Post verschickt wird. Das hat mich sehr gefreut. Jedenfalls bleibe ich für den Abend hier, um zu lesen. Die Bar entfällt, auch wenn mein Körper eine Bewegung dringend nötig hätte, die ich mir sonst ganz gern über die 18 km Radfahrt hin und zurück hole.

19.40 Uhr:
Und die meinen? Nun ja:

(Keine Musik, weil ich sonst die Türklingel nicht höre – was vor ein paar Minuten schon passiert ist. Worauf mir das Rangenvolk die Klinke mit Seifenlauge eingerieben hat.)

References

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1 Mit welchem Stolz Du sie gestern trugst! Es war Deine, nicht etwa meine Idee.

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