Toskanische Venus, Isola del Giglio. (Vorher: Anadyomene, toskanischer Archipel) – Dritte Fassung, doch immer noch: Entwurf.

[Zum Hintergrund dieses Gedichtes:
Der Legende nach ist der dem Meer entsteigenden Venus
die Perlenkette gerissen, und aus diesen in die See gefallenen
Perlen sind die sieben Inseln des toskanischen Archipels
entstanden: Elba, Giglio, Giannutri, Montecristo, Capraia,
Pianosa und Gorgona.]

Frauen die aus dem Meer
steigen
zerreißt das Perlcollier
an ihren stehenden Zitzen

wenn da sie sehr kurz den Kopf
neigen zu den Brüsten
Es tropft, ja fällt in die türkise See
von ihrem braunen schlanken Glanz

der auf die Felsen schreitet und
um sie n o c h mehr zu erhitzen
die fahlgewischten von Licht
unter den Hieben der Sonne

sich auf das bunte Handtuch legt
ausgebreitet
das stille harte ihr Lächeln auf dem Mund
zu dem johlenden Schreien der Kinder

und den Begehren der Männer,
die durch die Blicke flitzen
als Mövenrufe überm Gischten
die neuen Inseln grüßten

vor den Küsten –

Erste Fassung vom 1.&2.August 2011:
Frauen die aus dem Meer
steigen
zerfällt das Perlcollier
an ihren stehenden Zitzen
Sie neigen nicht den Kopf
Es tropft es fällt zur türkisen See
von ihrem braunen schlanken Glanz
der auf die fahlgewischten Felsen schreitet
unter den Hieben der Sonne
und sich aufs bunte Handtuch legt
ausgebreitet
dem durchlachten Blickverkehr
durch den Begehren flitzen
erregte von der Muschel
und ihrer weißen Sieben
messerscharfem Gischten.

35 thoughts on “Toskanische Venus, Isola del Giglio. (Vorher: Anadyomene, toskanischer Archipel) – Dritte Fassung, doch immer noch: Entwurf.

  1. Der Glanz, braun und schlank, schreitet auf die Felsen und legt sich aufs Handtuch? Das bunte?
    Schön finde ich das tropfende Collier mit den Zitzen. Als noch nicht stimmig empfinde ich das Mystische der ersten Zeilen in Verbindung mit dem Prosaischen der folgenden. Nur ein erster Eindruck, mit Verlaub : )

  2. Wie immer (besserwissend) so: Frauen die aus dem Meer
    steigen
    zerfällt das Collier
    an stehenden Zitzen.
    Sie neigen nicht Kopf.
    Es tropft, fällt in türkisene See
    von ihrem braunen schlank Glänzen
    das auf Felsen fahl schreitet
    unter Hieben der Sonne
    und sich auf Tuch legt
    gebreitet
    dem lachenden Blick.
    Begehren flitzt da
    erregt von der Muschel
    an der weiß blassen Sieben
    messerscharf angeschwemmt
    in der Gischt

    1. Nein, Sumuze. Das geht g a r nicht. Da fehlt alles, was poetisch war, weil es abstraktelt wird. Und es ist kein Rhythmus mehr da, z.B. in “von ihrem braunen schlank Glänzen” – das hat jetzt was Stotterndes. Ebenso wenig geht “und sich auf Tuch legt” – Tuch ist etwas anderes, gehört in eine Tuchhandlung, in der die Stoffe lang zu dicken Rollen gewunden sind; ich meine konkret die griechisch-buntesten Farben eines Badehandtuchs. Aus Tuch werden aber nicht Handtücher gemacht, sondern Anzüge und Kleider geschneidert.

      Bei meinem eigenen Entwurf liegt das Problem in den abschließenden Versen, nachdem die Frau sich ausgestreckt hat. Wahrscheinlich werde ich diese, die Verse, streichen, und für die dann oben fehlenden Reim-Modelle Lösungen finden.

    2. So kennt die Welt sie nicht, werter ANH, so milde. Sumuze ist weit davon entfernt, Lyrik zu begreifen oder gar schreiben zu können, und Sie reagieren weitgehend sachlich? Manch anderen Stümper haben Sie mit Gewalt aus dem Dschungel vertrieben, warum nun die Nachsicht? Altersmilde? Mitleid mit einer armen Seele?

    3. @Frau Marks. Die Welt ist voller Vorurteile und kennt nicht mich, sondern sie, also – so muß ich manchmal meinen – ahezu alleine diese. Wenn (jetzt groß geschrieben:) Sie einige der Diskussionen verfolgt hätten, die hier immer wieder um Dichtungen geführt werden, wüßten Sie, daß ich sehr wohl nahezu immer ausgesprochen sachlich und zuvorkommend reagiere, was sich aber sofort ändert, wenn sachliche Argumente durch persönliche Invektiven ersetzt werden.
      Mit Gewalt trieb ich übrigens noch niemanden aus Der Dschungel; allerdings drohte ich solchen Gewalt an, die ausschließlich hämten, so daß sie endlich einen Grund bekamen, besser anonym zu bleiben.

      Außerdem schätze ich Sumuze, die ich – wenn auch nur als Netzbürgerin – seit langem kenne.

  3. ‘Gehen’, so denke ich, tut eigentlich mit Sprache alles. Es gefällt jedoch nicht immer.

    Ihre neue Version z.B. gefällt mir weniger als die erste, weil sie sich für mein Ohr zu weit von jenem ersten Eindruck einer aus dem Wasser steigenden Frau weg bewegt hat. Vermutlich ist die Dame inzwischen (dank Kindern, Möwen und Männern) leidlich abgetrocknet, was nun scharf heraus zu hören ist.

    Ihr Argument zu ‘Tuch’ sehe ich ein und stimme ihm zu, jenem bezüglich des Rhythmus allerdings weniger. Doch kann ich den Klang eines Textes für einen anderen Sprecher kaum objektiv beurteilen. Wortfolgen wie ‘das bunte Handtuch’ stören mich aus dem gleichen Grund, aus dem Sie bei ‘von ihrem braunen schlank Glänzen’ ins Stottern geraten. Ich stolpere regelrecht, spreche ich ‘das bunte Handtuch’ aus. Während für mich sich auf Felsen nieder zu legen (bereits, auf ihnen herum zu laufen) immer eine Bewegung ist, die Versuch und Probe, Vorwärts und Rückwärts enthält und mich daher eher an etwas Stockendes denn Fließendes denken läßt. Ich persönlich würde mich stets sehr zögerlich einem Handtuch anvertrauen, das auf felsigem Untergrund liegt.

    Falls Sie es genauer ausführen mögen, interessierte mich zu wissen, was Sie mit ‘abstrakteln’ ansprechen wollten (im Gegensatz zu ‘konkreteln’? als hier unerwünschtes Abstrahieren? mir fehlen leider die Anhaltspunkte, ihre Aussage inhaltlich und nicht nur als witzig-polemisch zu verstehen). Da es für Sie Grund eines Ent-Poetisierens bei Anwendung auf zuvor Poetisches zu sein scheint, könnte sich dahinter eine spannende Sache verbergen, zumindest auf einer für mich bereits ‘von Haus aus’ abstrakten Ebene wie jener der Sprache.

    1. @Sumuze ff, diesmal zur nachrangigen Semiotik. weil sie sich für mein Ohr zu weit von jenem ersten Eindruck einer aus dem Wasser steigenden Frau weg bewegt hatDamit haben nun wieder S i e recht. Schaun Sie mal oben, ich habe mich eben an einer dritten Version versucht. Das zu Ihrem Kritikpunkt führende Problem liegt darin, daß eine aus dem Wasser steigende Frau etwas anderes als eine ihm entsteigende ist, die schon in der Formulierung die Göttin ruft. Das ist zu vermeiden, auch wenn man es meint. Also habe ich das auch sinnlich am Heraussteigen nähere „steigen” wieder in eine eigene Zeile gesetzt. Das entspricht überdies der Felsstufe, die den Rhythmusbruch rechtfertigt.
      ‘das bunte Handtuch’Was läßt Sie da stolpern? Man darf nur das d und t des Wortes Handtuch nicht verschleifen, muß es ganz bewußt prononzieren (also eine kleine, an-aspirierte Pause zwischen den beiden Vokalen machen: als stünde da eine Synkope), schon ist da kein Problem mehr; im Gegenteil wird dann die schöne u-Alliteration ganz rein. Das Problem tritt nur dann auf, wenn Sie d und t zusammenziehen. Das ist dann aber keine sehr gute Sprech- und also auch keine gute Lesekultur, sondern eine der Umgangssprache.
      von ihrem braunen schlank Glänzendas wäre schon grammatisch falsch, vom Rhythmus mal abgesehen. Was Sie an den ausgeführten Trochäen dieser Zeile stört, ist mir wirklich nicht nachvollziehbar. Dem Melos der Zeile fügt Ihr, wie gesagt, grammatischer Wegbruch geradezu eine Wunde bei.

      Was das Vorwärts und Rückwärts auf Felsen am Meer anbelangt, so ist das eine reine Frage der Gewöhntseins. Kinder etwa pesen über diese Felsen, und erwachsene Menschen, die das Areal kennen, kommen, besonders die Frauen, aus dem Meer tatsächlich höchst elegant. Nur die Neuankömmlinge, immer, wirken dort linkisch und ängstlich, sowie spannenderweise weibliche Pubertierende, die sich beim Springen auch noch immer die Nase zuhalten.
      Zum Handtuch nur: das ist bereits vorher auf einer ausgesuchten Felsstelle ausgelegt worden. Dort gibt es keine Seepocken mehr, höchstens Ameisen. Das zu den konkreten Hintergründen.

      Jetzt zu Ihrer eigentlichen Frage:
      etwas zu anstrakteln bedeutet für mich, nicht das Klangmaterial zu hören, das die Sprache ist, und auch vom semantischen abzusehen, und statt dessen den Zeichenhintergrund, die Semiotik, in der Vordergrund zu spielen. Mich interessiert aber, deshalb „konkretele” ich, höchst selten das Bezeichnende, sondern nahezu immer das Bezeichnete. Kurz: Für mich ist Sprache keineswegs abstrakt, auch wenn sie es herkunftshalber, ja ontologisch (nämlich als Bezeichnendes) sein sollte. Im allererster Linie ist sie für mich Klang. Darin mag, sowie mentalitätshalber, unsere verschiedene Herangehens- und Spürweise begründet sein.

      Falls Sie es genauer ausführen mögen, interessierte mich zu wissen, was Sie mit ‘abstrakteln’ ansprechen wollten (im Gegensatz zu ‘konkreteln’? als hier unerwünschtes Abstrahieren? mir fehlen leider die Anhaltspunkte, ihre Aussage inhaltlich und nicht nur als witzig-polemisch zu verstehen). Da es für Sie Grund eines Ent-Poetisierens bei Anwendung auf zuvor Poetisches zu sein scheint, könnte sich dahinter eine spannende Sache verbergen, zumindest auf einer für mich bereits ‘von Haus aus’ abstrakten Ebene wie jener der Sprache. 

  4. Venus, zweite Fassung. Auf die sich Sumuze >>>> dort bezog:

    Frauen die dem Meer entsteigen
    zerfällt das Perlcollier
    an ihren stehenden Zitzen

    Sie neigen nicht den Kopf
    Es tropft es fällt zur türkisen See
    von ihrem braunen schlanken Glanz

    der auf die Felsen schreitet und
    um sie n o c h mehr zu erhitzen
    die fahlgewischten von Licht

    unter den Hieben der Sonne
    sich auf das bunte Handtuch legt
    ausgebreitet

    ihr stilles Lächeln auf dem Mund
    zum johlenden Schreien der Kinder
    und zu den Begehren der Männer,

    die in den Blicken flitzen
    wie Mövenrufen, schrilles
    drei Meter überm Gischten

  5. Zitzen Mit mißfällt wirklich sehr das Wort “Zitzen”. Von “Zitzen” spricht man eher bei säugenden Tieren, bei Sauen, Wölfinnen und vielleicht auch Löwinnen. Diese Frauen werden so auf ihre Fähigkeit zu säugen reduziert, recht unhöflich der Weiblichkeit gegenüber. Und daß die Dinger so scharf sind, daß das Perlcollier zerfällt, ist kaum glaubhaft, auch bei lebhaftester Phantasie nicht.
    Müssen es vielleicht “Zitzen” sein, damit darauf sich reimend die Worte erhitzen und flitzen verwendet werden können?

    1. Mir missfällt das Wort “Zitzen” nicht, – und ich bin eine Frau. Es werden die aus dem Meer steigenden Frauen doch gerade nicht darauf reduziert, sondern ihre Natur mit der Kultur (dem bunten Handtuch) kontrastiert. Und das Perlcollier wird doch hier aus dem perlenden Wasser gebildet…

      Mich stört was anderes.

      Beim einen, denke ich, ist es Absicht des Dichters, der bewusst “G e”-badete schreibt; ich läse aber lieber “Badende” (was ihm zu banal wäre? oder zu deutlich einen Bildtitel aufriefe? – ich verstehe das, dennoch leuchtet es mir nicht ein. Denn: W e r badete sie denn, die Frauen?)

      Bei dem anderen kann ich keinen Grund vorbringen, ich “stolpere” nur drüber:
      “die Felsen schreitet und
      um sie n o c h mehr zu erhitzen
      die fahlgewischten von Licht”
      Fahlgewischt von Licht sind die Felsen, oder? Aber so, wie es jetzt dasteht, fügt sich beides nicht mehr zusammen, wenn ich es lese.

    2. Zu “Zitzen” in der Verwendung hier. Was wollen Sie statt dessen nehmen? “Brustwarzen”? Sicher nicht. Mich stört darin der Wortteil “Warzen” – alles, was erotisch sein könnte, fällt daran weg. Und sonst? Das unterdessen gebräuchliche “Nippel”, das einer auch sonst üblichen Verniedlichung des dionysisch Sexuellen gleichkommt, seiner – Banalisierung zugleich wie Profanierung? Nein, unmöglich.
      Zitzen hält einerseits das Sexuelle in seinem Z i e l aufrecht, das hier in einer Mischung aus den jubelnden Kindern und den neuen Inseln repräsentiert ist, zum anderen aber auch fordert in ihrer Herausgehobenheit. Das Bild der so scharfen Zitzen, daß ein Collier davon zerschnitten wird, ist sicherlich eine Männerfantasie, aber eine, kann ich Ihnen sagen, die es in sich hat. Es symbolisiert nämlich auch – Gefahr. Wenn man das für absurd hält, muß man auch die Männerangst vor der Vagina dentata für absurd halten. Es geht ja um die Überführung in ein B i l d.
      Und: Ja. Die Frau ist auch Säugetier, Brüste sind und bleiben – auch – Fütterungsorgane. Aber selbst dies, da mit einem Männerblick betrachtet, will ich nicht verniedlichen, sondern durchaus ein bißchen dämonisieren – wobei das stille Lächeln dieser Frau von dieser Fantasie sehr wohl weiß – ebenso, wie von den Männerblicken.

    3. @Melusine zur Badenden- Mit dem “Gebadete” haben Sie recht, völlig; eigentlich ist “gebadet Habende” gemeint, was sich aber nun wirklich nicht schreiben läßt. “Badende Frau” stand davor da. Das Problem ist, daß sie eben nicht mehr badet, zum einen; zum anderen macht “Badende” ein kunsthistorisches Bild auf, das ich vermeiden wollte. Wahrscheinlich ist der ursprüngliche Titel, Anadyomene (“die dem Meer Entsteigende”), noch immer dem Gemeinten am Nächsten. Hier ist das Problem einerseits, daß Aphrodite, nach Hesiod, bei Zypern und nicht vor der Toskana dem Meer entsteigt, und andererseits, daß mir mein innerer Arbeitstitel “Toskanische Venus” mir ebenso zu klassisch ist wie “Anadyomene” – einfach, weil ich unterdessen gelernt habe, daß Bildung Leser abschreckt.

      Was Ihr Holpern anbelangt, so ist das einfach eine Frage der inneren Satzzeichen, die hier gesetzt werden. Und der Gewohnheit, ob man mit Nachstellungen umzugehen gewohnt ist.
      Hier als Prosa m i t den Satzzeichen (die mir aber zu konkret sind, zu eineindeutig, um sie in der endgültigen Fassung dann auch zu setzen):

      Es tropft, ja fällt in die türkise See von ihrem braunen schlanken Glanz, der auf die Felsen schreitet und, um sie n o c h mehr zu erhitzen, die fahlgewischten von Licht, unter den Hieben der Sonne sich auf das bunte Handtuch legtund, noch weiter aufgelöst:Es tropft, ja fällt in die türkise See von ihrem braunen schlanken Glanz, der auf die Felsen schreitet und, um sie – die von Licht fahlgewischten – n o c h mehr zu erhitzen, sich unter den Hieben der Sonne auf das bunte Handtuch legtEs ist eine reine Frage der Betonung bei erst einmal lautem Lesen, daß sich die ganz einfache Melodie einstellt.

    4. @steputat zu “Zitzen”. In der Skizze in meinem Notizbücherl stand nur “Zitzen” da – es gab die Reimwörter dazu noch nicht, lediglich die Bemerkung, es seien welche einzusetzen. Ich verwende das Wort unterdessen auch gern im intimen Umgang privat – einfach deshalb, weil es eine sexuelle Schärfe hat, die den anderen Wörtern dafür längst verlorenging. Es hat diese Schärfe bei Tieren hingegen nicht. Auch das ist als Phänomen interessant.

    1. das gedicht es dürfte klar sein dass meine ganz persönliche assoziationskette das wort “zitze” nicht mit weiblicher schönheit zu vereinen mag, nun gut das ist meins. nennen sie es wie sie wollen, ich verstehe schon was gemeint ist.
      mir ist es zu plump beobachtet, zu wenig mytisch, da wäre so viel gegangen…

      a.

  6. Mir ist das Gedicht zu süß. Diesen Eindruck werde ich nicht loß; auch das rudimentäre Bemühen einer jeweils vorgestrigen Sprachwissenschft ändert nichts daran. Die “Schaumgeborene” bei Botticelli ist mir schon zu süß.

    1. Süße ist Geschmackssache. Man bekommt auch giftigen Honig nicht salzig, ohne daß man den Honig verliert. Aber Ihr Eindruck könnte sich verlieren, wenn ich das “stille Lächeln” hartmache. Das habe ich eben getan.

      Mich interessiert etwas anderes: Was meinen Sie mit “jeweils vorgestriger Sprachwissenschaft”? Zum einen, was wäre eine “gestrige” und was eine “zeitgenössische”? Zum anderen, viel spannender, was meinen Sie auf das Gedicht bezogen mit “jeweils”?

      (Botticellis Schaumgeborene ist wiederum mir nicht zu süß, sondern zu dick.)

  7. Ja, ja, dieses Lächeln war besonders süß.
    Aber jeder weiß was süß ist, das würde ich nicht wegrelativieren, was süß ist weiß jeder.
    Die sprachwissenschaftliche Analyse ist ausserordentlich mühsam und zeitaufwendig, ein methodologisch in sich schlüssiges Verfahren vorausgesetzt.
    Sie haben das Eigenschaftswort “rudimentär” übersehen oder ignoriert; aber auf dieses eben kam es mir an. Jeweils und vorgestrig ergeben sich daraus als Hinweis auf etwas nicht so genaues.

    1. Auf das “rudimentär”. Wäre ich nach Ihrer Erklärung zu sprechen gekommen. Was haben Sie, im übrigen, gegen Süße? Es muß nur genug Schärfe dabei sein: wie bei einem Chutney. (Ein solches müsse, sagt ein orientalisches Sprichwort, so scharf sein, daß man nicht davon nehmen könne, und so süß, daß man nicht davon lassen könne – es scheint also wenigstens im Orient eine große Lust an der Süße zu geben; der protestantische Puritanismus hat sie uns genommen).

    1. @Ursel. Momentan gefällt mir das harte Lächeln sehr gut. Ich habe den Lack vieler Bilder Newtons vor Augen – in eine solche Richtung fühle ich da.
      Aber wie eben >>>> ins Arbeitsjournal geschrieben: das Gedicht ist Entwurf und muß ohnedies abhängen. Es kann darüber hinaus sein, daß Sie und andere etwas Grundsätzliches an ihm stört, das mich gerade lockt. So, wie mir eine befreundete Dichterin schrieb: “Sie können ganz anders, aber Sie w o l l e n gerade das, was ich ganz unbedingt vermeide.”

    1. @Ursel vor der Küche. Also doch. Schade. Ich hatte eh schon ein wenig das Gefühl, daß Sie nur stänkern wollten, jetzt unterlaufen Sie Ihre bislang recht kluge Ambivalenz und beweisen’s. Das hilft Ihnen aber sachlich nicht, zumal, weil die Produkte der Kunst und die Produkte der Küche eng verwandt sind und das auch bleiben werden. Verliert die Kunst den Kontakt zur Küche, wird sie ausdörren und zäh werden – eben wie ein nicht abgehangenes Fleisch. Freilich, da haben Sie recht, daß sie dann auch >>>> die Süße verloren hat. Worauf es >>>> Ihnen, 88, so offenbar ankommt, Edith.

  8. Dabei wollte ich nur ein – zugegebenermaßen geklautes – Bonmot abgeben, welches hierher gepasst hätte. Dafür gleich für unsachlich gehalten zu werden ist mir zuletzt in einer WG-Küche mit frechen Leuten aus der alternativen Szene passiert.
    Mir wäre es ja andersrum auch lieber. Aber Küche und Kunst: da werden Sie im ganzen Universum keine zwei Sterne finden, die weiter voneinander entfernt stehen.

    1. @Ursels Universum. Vielleicht haben wir verschiedene Küchen; daß es auch McDonald’s gibt, ist mir schon klar. Und es gibt die Müsli-Küche, die mit Kunst ebenfalls wenig zu tun hat – also wenn Sie schon mit der “alternativen” zumal “Szene” kommen und das nun grade mir.
      Immerhin wissen Sie als Nichtkünstlerin offenbar normativ mehr als ich und kennen sogar das ganze Universum. Worum ich Sie zugegebenermaßen beneide. Ich meinerseits bin über Kenia, Botswana, Indien, Japan, Nordamerika und die Karibik nie hinausgekommen; Europäische Länder erwähne ich Ihnen gegenüber nicht, weil ich mich nicht schämen möchte.

  9. meine ehrliche Meinung? … nichts für ungut, aber dieser Versuch eines Gedichtes wirkt auf mich ziemlich epigonenhaft, ganz abgesehen von einigen schemenhaft skizzierten reaktionären Tendenzen!

    1. @Adonis zum Reaktionären. Die “reaktionären Tendenzen” interessieren mich. Wär fein, wenn Sie das erklärten. Dann kann ich darauf reagieren – sofern Sie das überhaupt wollen.
      Das Epigonenhafte interessiert mich weniger, weil es nei Ihnen ja lediglich als Wirkung aufgetreten ist, so daß es sich ebensogut oder -schlecht um Ihr eigenes wirkästhetisches Problem handeln kann. Etwas anderes wäre es, wenn Sie Bezugsquellen nennten.

    2. @Bezugsquellen Auffallend ist schon eine gewisse Bennsche Codierung, wobei die Frage wäre, ob es sich hierbei nicht einfach um Phänomene der Intertextualität handelt. Jedenfalls:”Frauenbraun”

    3. Benns Frauenbraun @Helmuth Kar A SeGG. Mit der bennschen Codierung, vor allem über “eine gewisse” variant, komme ich klar; daran kann etwas sein. Wobei die Intertextualität ganz sicher eine Rolle spielt.

      Hier, für die anderen Leser, das Gedicht Benns, auf das Sie referieren. Damit es eine Diskussionsgrundlage gibt:

      D-Zug

      Braun wie Kognak. Braun wie Laub. Rotbraun.
      Malaiengelb.
      D-Zug Berlin-Trelleborg und die Ostseebäder.

      Fleisch, das nackt ging.
      Bis in den Mund gebräunt vom Meer.

      Reif gesenkt, zu griechischem Glück.
      In Sichel-Sehnsucht: wie weit der Sommer ist!
      Vorletzter Tag des neunten Monats schon!

      Stoppel und letzte Mandel lechzt in uns.
      Entfaltungen, das Blut, die Müdigkeiten,
      die Georginennähe macht uns wirr.

      Männerbraun stürzt sich auf Frauenbraun:

      Eine Frau ist etwas für eine Nacht.
      Und wenn es schön war, noch für die nächste!
      Oh! Und dann wieder dies Bei-sich-selbst-Sein!
      Diese Stummheiten! Dies Getriebenwerden!

      Eine Frau ist etwas mit Geruch.
      Unsägliches! Stirb hin! Resede.
      Darin ist Süden, Hirt und Meer.
      An jedem Abhang lehnt ein Glück.

      Frauenhellbraun taumelt an Männerdunkelbraun:

      Halte mich! Du, ich falle!
      Ich bin im Nacken so müde.
      Oh, dieser fiebernde süße
      letzte Geruch aus den Gärten.

      Ich, übrigens, referierte auf das Gedicht n i c h t. Es war mir gar nicht mehr in der Erinnerung.

  10. Zunächst meinen herzlichen Dank für Ihre, albannikolaiherbst, ausführliche Antwort und meine Bitte um Nachsicht, erst jetzt zu einer Antwort zu kommen. Einer der Gründe für mein Säumen ist mein Problem, ihre Sätze hinreichend zu verstehen.

    Einmal weil für mich ein Interesse an einer Sache niemals die Behauptung eines Mechanismus in dieser Sache begründen kann, sondern höchstens eine Art, an sie heranzugehen oder mit ihr umzugehen (oder sich sogar von ihr abzuwenden) erläutert. Ihr mutiges „weil“ in Ihrer diesen Wortwechsel beginnenden Einlassung („da fehlt alles, was poetisch war, weil [Hervorhebung von mir, S.S.] es abstraktelt wird“) kann ich somit nur an Ihr Interesse binden und als solches natürlich akzeptieren, indem ich ‘poetisch war’ zu ‘mein Interesse weckte’ übersetze.

    Es ist nun sicherlich legitim und nachfühlbar, sich „nahezu immer„ für das Bezeichnete und „höchst selten“ für das Bezeichnende zu interessieren. Im Kontext von Texten, die Absicht und Übereinkunft zu Poesie erklären (was meiner Ansicht nach ohnehin die einzigen möglichen Kriterien sind), kann ich das (leicht polemisch, ich bekenne mich schuldig) nur so verstehen, daß sie zum Beispiel mit Hilfe des hier den Gegenstand bildenden Textes vor allem versuchen wollen, den aus dem Meer steigenden Damen Ihre Aufwartung zu machen. Ein mir übrigens erheblich besser gefallender Grund, als Eindruck auf die Damen und Herren des öffentlichen Kulturlebens machen zu wollen. Eigentlich sogar der einzige Grund, den ich vom Gefühl her verstehen kann.

    Ich vermute jedoch, daß Sie das gar nicht haben sagen wollen, sondern damit auf Ihre Auffassung von Sprache als „in erster Linie Klang“ zielten. Auch diese Aussage behagt mir jedoch nicht so recht. Klang ist ein Moment von Sprache, wie Sprecher und Hörer, Absicht und Interesse, Kontext und Material, Regel und Experiment. (Ich glaube, Worte wie Syntax, Semantik, Semiotik usw. sind hier angesiedelt und decken das meiste davon einigermaßen ab). Nun allein eines dieser Momente vor allen anderen auszuzeichnen („allererster Linie“) wäre für mich kein Schritt ins Konkrete, sondern in der Tat bloß ein Akt der Abstraktion, etwa so, als würde ich die Bauklötze, mit denen ich bastele, nur nach Farben ansehen und Form, Gewicht und Material hintan stellen.

    Daß Sie Grammatik (und auch Rhythmus) als beim Basteln mit Sprache in Ansatz zu bringende Vorschriften zu verstehen scheinen („von ihrem braunen schlank Glänzen das wäre schon grammatisch falsch [Hervorhebung von mir, S.S.], vom Rhythmus mal abgesehen“), während ich Grammatik eher als Beschreibung des Sprachgebrauchs sehe und gerade in spielerischen Texten (ich scheue mich, von poetischen Texten zu sprechen, solange ich keine Jury anzugeben bereit bin, die jeweils das Poesie-Verdikt über einen Text zu fällen hätte) Regelverstöße nicht nur für erlaubt, sondern auch für erwünscht, weil oft ergiebig und spannend, halte, ist natürlich ein mächtiger Unterschied. Für mich ist Sprache grundsätzlich das, was Sprechende absichtsvoll sprechen und Hörende ebenso absichts- wie verständnisvoll hören – und worin andere (die sich wissenschaftlich damit befassen) dann Regelmäßiges und Auffallendes entdecken und beschreiben können, dieses aber keinesfalls vorschreiben dürfen, sondern sich lieber ein offenes Ohr für Ausreißer bewahren sollten.

    Daß ein Rhythmus ‘falsch’ sei, leuchtet mir nun gar nicht ein. Er kann mich stören, langweilen, nerven usw., aber er kann niemals falsch sein, sondern höchstens in Widerspruch zu etwas anderem geraten, das an ihn gewisse Erwartungen stellt. Ihre Beschreibung des Laufens auf Felsen ist da ein gutes Beispiel, weil es zeigt, was Sie alles an Zusatzinformationen heran karren müssen (das Handtuch, das bereits vorher an einer geeigneten Stelle auf die Felsen gebreitet wurde, Menschen, die die Felsen gut kennen und sie deswegen elegant begehen, Kinder, die darauf herum pesen usw.), um Ihre Vorstellung vom ‘richtigen’ Rhythmus plausibel zu machen – was eine Aufgabe ist, die nach meiner Vorstellung doch der Text zu erledigen hätte und nicht die spätere Texterläuterung.

    Zum Schluß aber gerne noch etwas viel weniger Kleinliches, damit meine Begeisterung über Ihr Gedicht (und die Bereitschaft, daran öffentlich herum zu doktern) hier nicht untergeht. Es gefällt mir in der neuen Fassung wieder viel besser, und am meisten gefällt mir, die Veränderungen der verschiedenen Fassungen zu beobachten, weil für mich wieder deutlich mehr Sinnlichkeit herein kam. Was untermauert, daß diese durchaus konstruiert werden kann (aber natürlich nicht muß), und das liebe ich am Basteln mit Sprache fast am meisten!

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