III, 291 – abseitig verwandert

Wattebauschig der Kopf mitten im Nachmittag. Arbeiten war nicht mehr möglich. Das Wort fand ich mal für einen Traum (sehr lange her, muß noch in Wolfsburg gewesen sein), in dem mir die Worte meines Vaters so vorkamen, der im Traum etwas sagte, dessen Inhalt in der Watte verlorenging. Später ähnliche Zustände, allerdings bei Tage. Eine adäquate Entsprechung fand ich dann in der Art, wie Laurie Anderson ihr >>>> ‘O Superman’ singt. Wo der Synchronismus mit dem, was einen umgibt, eine leichte Verschiebung erfährt. So wie bei Filmen, in denen die Stimme des Synchronsprechers nicht mit den Lippenbewegungen des Schauspielers übereinstimmen und ein Abseits entsteht, das dennoch parallel zur Welt abläuft. Und der Kopf tastet sich nur sehr langsam von einem Moment zum andern. Und mit Watte vollgestopft.
Entscheidungen lassen sich dann nicht mehr gefallen, getroffen zu werden. Man braucht schon einen Notar bzw. im vorliegenden Fall eine Notarin, um feststellen zu lassen, daß He der Nachname und Jun der Vorname, dito für Zhou und Guihong. Eine Notariatsurkunde, die hier grad herumliegt, um übersetzt zu werden. Zu beanstanden wäre daran, daß die Notarin Beijing einer Chinesischen Republik zuordnet…
e la >>>> ‘canzone popolare’?
”Ich habe zwei Arten von immerwiederkehrenden Schwellenträumen. Im ersten bin ich unbeschuht und rutsche in den Socken von der Schwelle ab, weil diese, ob aus Holz oder aus Stein, sehr glatt und noch dazu an den Kanten gerundet ist. Aber ich komme doch jedesmal unversehrt auf die andere Seite, und der Schreck ist heilsam: denn ich frage mich im Abrutschen: Wo bin ich? … (Handke, Der Chinese des Schmerzes).
Manchmal geschieht mir der Wunsch, mal wieder Fußballspiele zu sehen, die Zeit zu verdasseln, um dem Augenblick beizuwohnen, in dem der Ball über die Torlinie rollt oder ins rechte obere Toreck fliegt. Immerhin, Manchester führt jetzt gegen Ajax.
Ninno überschritt unterdessen die Schwelle, war einmal mehr zum Beichten aufgelegt. Es ging um seine “compagna”. Die habe nun eine Arbeit in einem Restaurant gefunden, und das könne am Wochenende durchaus auch mal mehr als acht Stunden bedeuten (neulich gar vierzehn!). Das Problem sei, sie habe fünf Schafe und sowieso Tauben und Kaninchen zu versorgen. Das müsse er nun besorgen. Er sei ja nun Rentner, habe vierzig Jahre als Arbeiter gearbeitet (ist allerdings etwas jünger als ich), und er wolle doch seine Zeit lieber selbst bestimmen. Und finde sich nun in dieser Stress-Situation, womit er nun gar nicht zurechtkäme. Ich ging darauf ein wie der Tormann in Handkes ‘Die Angst des Tormanns beim Elfmeter’: Der Schütze lief plötzlich an. Der Tormann, der einen grellgelben Pullover anhatte, blieb völlig unbeweglich stehen, und der Elfmeterschütze schoß ihm den Ball in die Hände. Dankend und sich gleichzeitig entschuldigend verabschiedete er sich.
Gestern erschien auf der Schwelle (die Tür steht nachmittags mittlerweile immer offen) l’ami belgique mit der Luna-Tochter Huckepack, heißt in einem Gestell samt Sonnenverdeck. Das erste Mal seit über einem Jahr, daß er spontan vorbeikam. Jupp, der graue Kater, die ex-Siope, leistete Gesellschaft. Zwei Briefumschlagausträger freuten sich über das kleine Ding mit Windelpopo. Was sie da bringen würden? Gasrechnungen. Sie zu öffnen, wartete ich, bis ich allein war. Ich schluckte.

der schwelle
wand sein
dem auswill
den wellen
deren binnen
aus- und
ingewall-
-gewollt

abseitig
verwandert

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