Arbeitsjournal. Dienstag, der 5. Juli 2011. Immer noch Regen, wie’s aussieht. Doch durch die geschlossene Wolkendecke schimmert was rosa hindurch. Das Innen ein Hotel (18) mit André Heller.

5.07 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Seit zehn vor fünf auf (um halb eins ins Bett), latte macchiato, Morgenpfeife mit diesmal vom >>>> Motzek-Strang drin. Ich muß weiteren Text des Typoskripts ausdrucken, in dem ich zur Zeit herumlektoriere, um acht kurz zum Arzt, und gegen ein Uhr mittags wird mein eigener Lektor Delf Schmidt anrufen, nach einem ungefähr dann beendeten Termin; wir wollen einmal wieder essen gehen, hatten uns >>>> auf Schischkins Preisverleihung getroffen. Zum Training werde ich deshalb erst gegen Abend kommen, aber das ist ja okay, nachdem ich gestern noch, als meine Redakteurin endlich angerufen hatte, meine 48’35’’ auf zehn Kilometer lief; allerdings war ich danach ein wenig fertig (später Mittagsschlaf und essen – Tomatensalat – dann überhaupt erst am Abend).
Sie hatte, wie ich schon vermutete, Einwände; die hat sie immer; genau und empfindlich: diesmal war’s der André Heller, der ihr Bauschmerzen macht, vor allem, wie ich ihn aus dem Mozart herausziehe und mit einem Stückchen gesprochenen Psalms legiere: das fand sie blasphemisch. Außerdem schien ihr die Balance zwischen Stimme, O-Ton und Musik zu tonlastig zu sein; sie wolle aber, doch abends erst, noch einmal hören und reiche mir dann die genauen Zeiten der Stellen herüber.
Also brach ich zum Taining auf.
Abends kam eine Email: die Mischung sei d o c h in Ordnung, im iPod klinge sie einwandfrei. Es entspricht meiner Erfahrung, daß Mischungen aus Sprache und Musik auf baßlastigen Systemen schwerer verständlich sind, undurchsichtig, und überhaupt hört die Redakteurin momentan eine mp3 ab, das heißt eine um einigen Tonumfang komprimierte Version.
Das Problem mit André Heller löst sich so freilich nicht. Mein Gefühl ist, daß es hier um internalisierte Ideologie geht, kurz: um Geschmacksfragen. Ich selbst war von Heller, als ich 25 war, geprägt – sein >>>> “Basta” etwa hab ich geliebt -, stand damit aber in meinem ganzen Freundeskreis ziemlich allein; die meisten Leute meines Umgangs lehnten ihn ab, und zwar ziemlich schroff; ich habe nie begriffen weshalb: sein Kitsch ist nicht größer als der von andren, die man durchgehen ließ. Etwas an ihm provozierte, vielleicht der Ärzteschrank seines Vaters, vielleicht die Arroganz (die ich schätzte). Für Ricarda Junge wiederum ist, erzählte sie mir, dieses bestimmte Heller-Stück, das ich verwendet habe („Der Italiener”) ein Schlüssellied ihrer frühen bis späten Jugend gewesen; noch neulich sagte sie mir: „Das ist mein Lied”. – Das protestierende Gefühl meiner Redakteurin wird nun sein („Ich dachte nur: wie s c h r e c k l i c h! ! !”), daß ich Hellers Lied zu Dantin durch die Kombination mit Mozarts Requiem unstatthaft nobilitiere. Ich selbst finde das gar nicht, sondern das Motiv ist sehr streng durchgehalten, wenn auch, nach Pop-Art, manipulativ eingesetzt, nämlich sentimental; nach Maßgabe der WDR-Leitung soll aber diese bestimmte Sendemaske mit Pop gerade angereichert sein. Ich erfülle lediglich genau, aber benutze es eben, was der Sender verlangt: zeige die Strukturen, indem ich die Maßgabe übererfülle, meinerseits tu, was die Pop-Industrie tut.
Andererseits. Weshalb soll ich meiner Redakteurin ein schlechtes Gefühl machen mit dieser Sendung? Ich werde eine Zwischenversion finden, mit der wir beide leben können.


Also nach erneuter Meldung der Redakteurin wohl noch einmal ran an das Ding. Ich möchte gerne fertig damit sein, bevor morgen die Löwin herkommt. Aber auch das Lektorat drängt; gestern las ich noch bis 96 von den 230 Seiten; erst um Viertel nach zehn Uhr abends hörte ich auf. Gleich muß ich mir Nachschub ausdrucken, denn ich korrigiere diesmal nicht am Screen. Man kann so besser sprechen, wenn man dann (und so ist’s geplant) beisammensitzt, um den Roman zu besprechen, jedenfalls besser, als wenn jede/r auf seinen Screen starrt. Zu korrigieren am Bildschirm – in einer pdf oder einem word-Dokument – ist nur dann sinnvoll, wenn ein Lektorat übers Netz erfolgt; das ist aber immer sehr viel weniger intensiv, schon weil Erklärungen aufs nötigste heruntergebrochen werden: andernfalls formulierte man stundenlang.

Gut. An den Drucker.

6.12 Uhr:
Und wieder an den Text.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .