Ich schnuppere noch einmal den Treppenhausgeruch, dann drücke ich die Haustür auf und trete auf die Straße. Der Schnee ist gelb und klumpig gefroren. Es ist scheißkalt. Ich straffe mich, stoße die Hände in die Manteltaschen, fühle das feuchte Taschentuch an den Fingern. (…) Ich habe Barenberg das Rauchen beigebracht, daß man Alkohol trinkt und mit Frauen schläft, ohne sie zu lieben.
Ricarda Junge, Silberfaden (2002), S.30.
Kommen Sie, Herr Herbst, machen Sie etwas daraus. Vielleicht entkommen Sie so den Fallen Ihrer Kleinstverlage. Fischer wäre immerhin eine Adresse. Und Frau Junge könnte Ihnen helfen. Sicher.
Lieber Herr Henze, auch dieser Kommentar zeigt, was Ihre Einlassungen des öfteren zeigen: Sie haben schlichtweg keine Ahnung. Im übrigen sind Kleinverlage unterdessen weniger eine Falle, als daß sie die Aufgabe übernommen haben, die lange Zeit von großen Verlagen – nämlich über die Mischkalkulation – wahrgenommen worden ist. Kleinverlage garantieren das Erscheinen der Dichtung. Im übrigen, was mich und die Großverlage anbelangt, so herrscht da eine Gemengelage aus Abwehr, Angst, Verletzung, Ärger und der nicht ganz von der Hand zu weisenden Überlegung vor, daß ein Autor mit einem Ruf, wie ich ihn habe, schlecht mehr neu am Markt durchsetzbar ist; dazu kommt die Altersfrage: Conradi, als er noch den Berlin Verlag leitete, gab die Devise aus: keine Autoren mehr neu, die älter als dreißig sind, sofern sie nicht schon zu jenen gehören, die sich gut verkaufen. Dahinter steht der kalkulatorische Gedanke, daß etwas, das sich lange Zeit nicht verkäuferisch hat durchsetzen lassen, sich auch in Zukunft nicht durchsetzen lassen wird. “Durchsetzen” bedeutet: mit unternehmerischem Gewinn. Im Geschäftsinteresse großer Verlag ist das nachvollziehbar. Allerdings spielen künstlerische Kriterien dabei absolut keine Rolle.
Objektiv gesehen haben die großen Verlage kein Spielbein mehr: die Verkäufe sind insgesamt alarmierend rückläufig. Ich kann Ihnen wirklich nur raten, sich kundig zu machen, bevor Sie abermals Ihr Zeug herumposten. Mir geht allerdings auch diesmal wieder Ihr besserwisserischer und dann auch noch gutväterlicher Ton auf die Nerven. Lassen Sie mich doch einfach tun, was ich will, und lassen mich und Die Dschungel ansonsten in Frieden. Wir kommen gut ohne einander aus: Sie brauchen mich nicht, ich brauch nicht Sie. Oder, um es mit Hans Carl Artmann zu sagen: “Geh ster’m!”
@Hänschenklein. Ich habe Ihren Kommentar gelöscht, weil ich diesen Ton gegenüber Henze ebenso unangemessen fand, wie ich seinen mir gegenüber unangemessen finde. Zumal Sie in keiner Weise argumentieren.
Ich habe damit gerechnet, allerdings nahm ich an, dass auch die Einlassung von Henze gelöscht würde, was nun aber nicht mehr geht. Armer Henze.
Selbstverständlich freue ich schon auf Ihr Hörstück zu und über Ricarda Junge, wie wohl die meisten der Dschungelianer. Selbst Ihre Quälgeister werden es sich anhören, wenn auch aus einer anderen Motivation heraus. Was mich allerdings ein wenig irritiert ist der von Ihnen gewählte Titel. Ich denke, ich verrate nicht zuviel, wenn ich darauf hinweise, daß in Ricarda Junges Roman “Eine schöne Geschichte” das Vorhandensein eines bestimmten, sehr notwendigen Hotels verbunden ist mit dem ebenfalls unverzichtbaren Nachtasyl – sollte dieser Umstand nicht auch im Titel eine Rolle spielen, wenn Sie denn wie angekündigt auf diesen Roman ganz besonders eingehen und ihn Ihrem Hörstück zugrunde legen wollen?
@Norbert W. Schlinkert. Nein, das wäre mir zu konkret. Der Titel muß – auch wenn ich “Eine schöne Geschichte” ins Zentrum stellen will – über einen speziellen Text hinausweisen. Wie angemessen das ist, wird mir gerade klar, da ich Junges Erstlingserzählungen lese: Da ist eine innere Unbehaustheit, die mir zugleich auch wie ein Generationenbild vorkommt. Selbst in der Nähe ist man zu Gast.
Wenn sich meine Paranoia ganz nach vorne spielt, sagt sie mir, schau, mein Mädchen, ein Lehrstück, ganz für Dich allein. Ich hab mal mit dem Herrn S. ersponnen, dass man unbedingt eine Dichtersoap schreiben solle: Große Verlage, kleine Verlage, oder Netz, Antinetz, alles beginnt mit dem Start Up eines Kleinstverlages Neujahr 2001, aufstrebende Jungdichter ohne Plan sitzen irgendwo in Berlin, am besten Schöneberg, und verkatert betritt jemand die Küche und sagt, die Mauer iss weg, damit geht alles los, mit einem Sprung aus der Zeit, wo alle so unglaublich relevanzbemüht und gegenwartsbeschränkt sind – was mich auch sofort an das Wort zum Sonntag denken lässt und an bitte schließen Sie das Tor nach 22 Uhr – schaff ich mich mit großer Lust selber ab.