III, 140 – the world is as lovely as we are able to describe it

Die 140 begann mit einem schallenden Gelächter am Telefon.
Am Nachmittag kam ein vorsichtiger Anruf von einer römischen Agentur (ich sollte sagen “von M.”, denn man kennt sich seit den römischen Zeiten). Die Rede war von einer Datei:
“Nie gehört”, behauptete ich.
Bis ich nachschaute. – Es habe nämlich eine Nachfrage seitens des Bozener Kunden gegeben. – Also schaute ich nach, um dann mit einem “Huch!” die entsprechende Mail vom letzten Freitag zu entdecken. Total vergessen!
Für den heutigen Nachmittag aber war das nicht mehr zu machen.
Die Agentur bzw. M. telefonierte mit dem Kunden: für Montagmorgen sei in Ordnung, er habe nämlich erzählt, daß ich >>>> erdbebenhalber gezwungen gewesen sei, eine Nacht im Freien zu verbringen, und überhaupt: kollabierende Infrastrukturen… – Oh!, referierte er die Reaktion, das habe er, der Kunde, nicht gewußt, er habe gedacht, ich sei irgendwie in Bozen. Montag sei völlig in Ordnung.
Der Fenstergriff stand die ganze Nacht und den ganzen Tag in senkrechter Position, was ich erst merkte als ich es jetzt merkte. Ich zog und steckte aus Spaß meine linke Hand durch die Spalte, wie um eine Symbiose aus Platzraum und Handraum herzustellen. Nein, nach Winken war mir nicht zumut’, war auch keiner auf dem Platz, den das wahrscheinlich nicht irritiert hätte. Zwar hatte ich mir der Form halber ein Hemd übergezogen, als ich gezwungen war, mir Zigaretten zu kaufen (darauf Bilder von einem vergrämt dreinschauenden Baby, aus dessen Schnuller eine Zigarette hervorsprießt: vor zwei Monaten stand auf den Schachteln einfach nur YES), zog es dann aber gleich wieder aus, um wieder in mein schwarzes Tag- und Nacht-T-Shirt zu schlüpfen.
Darüber schreiben und die Nase unter die Achseln zu stecken, ist fast schon eins.
Natürlich stimmt es nicht, daß ich die Nacht neulich im Freien verbracht habe, obwohl Ninno, als er den Wein brachte, behauptete, das Erdbeben sehr wohl gespürt zu haben. Nur einmal merkte ich so etwas wie ein Erdbeben: Ich saß vorm Fernseher mit meiner Frau in Rom, als plötzlich jemand von hinten gegen das Sofa trat. Ein anderes Mal vielleicht eine oszillierende Lampe, was mich indes wenig beeindruckte. War ja nichts passiert. Hab’ auch keine Lust, mein “Gewissen” durch Spenden zu beruhigen, wozu die neue Bürgermeisterin hier im Facebook-Bürgernetz aufgerufen. Wahrscheinlich wollte sie damit nur zeigen, daß ihr Notfälle ans Herz gehen, und dadurch, daß man Herz hat, wenn man sich trotz der Nothilfemaßnahmen der Regierung dafür einsetzt, Überflüssiges zu tun, denn über Amatrice hat sie insgesamt mehr von sich verlauten lassen (z.T. die Zeitungen wiederholend) als über Amelia bislang, wahrscheinlich wegen der beiden gemeinsamen Anfangsbuchstaben.
Die Online-Ausgabe des Corriere della Sera kennt seit der “gräßlichen Bescherung” keine anderen Nachrichten als über Amatrice (mit Bildern und Geschichten von bzw. über die Toten). Zur Strafe sollten sie alle eine Woche lang eingesperrt werden.
Einzige Lektüre: Gadda, Quer pasticcaccio. Die einzige Möglichkeit zu lernen, wie es ist, sich vor lauter Unverständnis an den Kopf zu fassen. Im Grunde ist ja ein Erdbeben nicht anderes als ein gräßliche Bescherung. – Ich sollte nicht vergessen zu erwähnen, daß mich während des Schreibens >>>>> Kraftwerk begleitete, aber so, daß es niemand außer mir in den Perzeptionsbereich bekam. At last, it became.

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