III,99 – Pollice verso

Jetzt ist klar, warum das Ostello voll ist. Am späten Nachmittag fing’s in der Gasse an zu trommeln, man zog Richtung Rathaus auf der anderen Seite des Ostello. Klatschen war zu hören. Dann Volkstümliches: ausschließlich Akkordeon. Und ging so immer weiter. Also doch noch die Schuhe angezogen, nicht zuletzt, um wegen des Fußballspiels nachzufragen, aber mein Gewährsmann verneinte sowohl die Option Bar als auch die der ‘giardinetti’. Da tanzten dann Leute unter der Büste des Ameriner Helden Alarico, der zu Byrons Zeiten auf Kreta gefallen im Kampf gegen die Türken, in volkstümlichen Trachten. Ein Banner war gut zu sehen: “Friúl”. Das andere verborgen. Auf der Treppe zum Ostello dem offenen Fenster gegenüber ging’s noch weiter mit dem Akkordeon. Jetzt haben sich die Familienpulks nach innen verzogen. Am Nachmittag viel Kampf gegen Feinstaub: Ibrahim hatte die ‘Möbel’ gebracht, aber sich vertan mit Kühlschrank-Ersatzmöbel, weil oben rechts sich nach 10 cm das Mäuerchen vorwölbte. Seine Radikalkur: den Wulst wegschleifen. Entsprechend bestäubt dann Fußboden, Geschirr-Regale und das Sofa mit den Jacken darauf getürmten Jacken gegenüber. Es zog wie Rauch aus dem Fenster. Bin auch nicht wirklich begeistert von seiner Arbeit. Sagte es ihm aber nicht und gab noch etwas mehr, als er forderte, wie’s eh’ schon im Hinterkopf geplant war. Wahrscheinlich war’s ihm wichtig, das rasch hinter sich zu bringen und einen kleinen Verdienst zu haben. Immerhin besser als leere Einkaufswagen vorm Supermarkt zurückzuschieben und das Pfandgeld einzukassieren. Sah ihn das einmal machen und sagte scherzhaft: “Beaucoup de travail!” Wenigstens lachte er dann. Die weißen Abdrücke seiner Sandalen nunmehr auf dem Hof. Das nächste wird zunächst sein ein “uomo morto”, wie er es nennt: ein zufälliges Gezweig, das er in eine Art Ständer verwandelt, das jedenfalls gelingt ihm besser. Eingeführt hatte er sich in Amelia durch eine Nachbildung des Stadttors aus Holz, mit dem er vor dem Tor selbst geraume Zeit präsentierte, bis Einheimische seine Anwesenheit als “indecoroso” bezeichneten, und er sich verziehen mußte. Man gab ihm eine ofenlose Bleibe in der Oberstadt, die er aber nur als Werkstatt nutzte. Wo seine wirkliche Unterkunft ist, weiß ich nicht. Er erzählt zwar, aber ich versteh’ nicht allzuviel von seiner Mischung aus Französisch und Italienisch. Gemüse eingekauft. Gespräch mit St. vom Second-Hand-Klamottenladen: die Herrenabteilung sei abgeschafft worden. “Vita sociale?” fragte sie. Ich hielt meinen abwärts gerichteten Daumen hoch.

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