Arbeitsjournal. Sonntag, der 1. Juni 2008.

5.23 Uhr:
[Arbeitswohnung. Wolfgang Rihm, Marsyas: Trompetenkonzert.]
Latte macchiato. Für die Arbeit ist das gestern einmal wieder ein ziemlich guter Tag gewesen; ich bin s e h r weitergekommen in der Zweiten Elegie und eigentlich das erste Mal seit Tagen wieder zufrieden; außerdem ging es mit dem Üben meines Cellos gut voran; ich fange an, kleine Stücke auswendig zu lernen. Abends kochte ich zum, glaube ich, ersten Mal meines Lebens rein vegetarisch; nein, stimmt nicht, es gab eine Zeit in den Endsiebzigern, als ich mit der klassischen Gitarristin Regine Hoch (heute Hoch-Shekov, sofern sie mit Ivan Shekov noch verheiratet ist) zusammenwar, da waren wir beide auf den vegetarischen Trip gegangen. Sie aber mehr als ich. Auch auf den salzfreien oder salzreduzierten. (Ähm, interessant grad, wie bei Rihm kompositorisch ein Einfluß Guldas durchkommt… in einem Trompetenkonzert.) Jedenfalls, d a kochte ich auch schon vegetarisch, aber alles war „auf Basis“: Blumenkohl pur, Kartoffeln pur, Möhren pur:: e i n e s e h r kurze Zeit des Zurücks zu Natur.
Gestern war’s raffinierter: Auberginen- und Zucchini-Scheiben unter einer ganzen Schicht Knoblauchs mit Salz und zerstoßenen Chilis gegrillt; den Blumenkohl zwar Natur, meines Jungen wegen, aber dann die zwei Arten Stangenbohnen je überbacken mit Mozarella einmal, Schafskäse zum zweiten, und unter d i e s e Bohnen dann Hüttenkäse gehoben. Die Kartoffeln in angeröstetem Kala Jeera, Garam Masala, Nelken, Ingwer, worin erst die gehackte Zwiebel blanchiert, mit Sahne aufgefüllt und stark mit Turmeric versetzt. Samtweich, sag ich Ihnen; bei Fleisch wäre von „mürbe“ gesprochen worden.

Spätabends, als alles schon schlief, sah ich dann noch Die Dschungel durch und >>>> das; daß Malos Cellini anbaggert, wundert mich nicht, und sie hat ja >>>> fein reagiert, auch wenn ich ihre Meinung derart generalisiert, aber vielleicht nur aus Selbstschutz, nicht teile. Mich irritiert allerdings seine mich betreffende Bemerkung, und ich habe wieder nachzudenken angefangen, woher ich ihn tatsächlich kennen könnte. Momentan dachte ich wieder, >>>> das ist d o c h MD (12.16 Uhr im Link). Das ist aber reizvoll, nicht quälend oder auch nur unangenehm. Vielleicht spielt seine spöttische Bemerkung ebendas an.

[Caspar Johannes Walter, Vier Stücke gegen den Zeitstrahl
für Trompete mit Schlagzeug und Orchester.]

Eine Gedichtzeile, nein zwei, kam mir ein, als ich frühabends auf der Schönhauser stand und eine Zigarette rauchte; noch prallte die Sonne.Manchmal gehen Frauen wie junge Gazellen
durch die Prärie der Stadt
und auch Weiteres als Bröckchen schon dazu, „An Aragon im frühen Sommer“ möchte ich das Dingerl nennen, wenn’s fertig ist. Vielleicht schreib ich nachher dran weiter. Es geht um diese spezielle Art des Schreitens meist sehr sehr junger Frauen mit überaus langen Beinen und so schmalen, daß, wenn sie gehen, ihre Oberschenkel einander nicht berühren. Dann ergibt sich dem Blick ein von den Beinen umtanztes, quasi freies, quasi atmendes Geschlecht, dem man selbst die Wölbung anzusehen meint. Was bei grobem Hosenstoff so gar nicht stimmt, und bei weichem stimmte es erst recht nicht; aber der sinnliche Eindruck ist so. Setzen sie die Füße auf den Absätzen der Pumps dann noch leicht voreinander, bekommt der Gang etwas vom Gehen eines Kitzes oder Fohlens, nur daß er elegant-bewußt und nicht staksig ist. Diesem Eindruck verschüfe ich im Gedicht gern einen Ton.
Aber erst mal wieder an die Elegie.

20.27 Uhr:
[Am Terrarium.]
Letztlich war auch das wieder ein ganz guter Arbeitstag, obwohl nur bis halb elf am Schreibtisch gewesen und vor allem >>>> an diesem Gedicht gebastelt. Ein paar Zeilen bin ich mit der Elegie immerhin weitergekommen. Die BAMBERGER ELEGIEN brauchen, merke ich, Z e i t; ich darf sie keinem Druck aussetzen. So ist mein Entschluß fast gereift, das Erscheinen des Buches noch einmal auszusetzen und, vielleicht, statt der Elegien im Herbst einen Gedichtband herausgeben zu lassen. Muß mit >>>> Dielmann sprechen. Ich möchte einfach nicht etwas Unfertiges übers Knie brechen und dann nur leidlich fertighaben; die Elegien sind von Etuden für den Umgang mit dem Hexameter über die letzten zwei Jahre ins Zentrum meiner Arbeit gerückt; als Etuden, also Übungen, sind sie ja ursprünglich gemeint gewesen, nämlich für das noch offene Schlußkapitel von ARGO. Abgesehen davon sind unterdessen >>>> derart viele Gedichte entstanden, daß man das Erscheinen eines Gedichtbandes direkt als printpublizistisches Abarbeiten verstehen könnte; das ist mit der fortdauernden >>>> Veröffentlichung von Heften eigentlich nicht mehr zu leisten.

23.40 Uhr:
Und ich habe auch den Titel – ich hatte ihn schon einmal gedacht – des Gedichtsbandes. Es wird einige Auswahl-, vor allem aber Probleme der schlüssigen Zusammenstellung, der An- und einander Zuordnung der Gedichte geben; darüber muß lange gesprochen werden.
Ich will, daß der Band

DER ENGEL ORDNUNGEN
heißt.

Und einen philosophischen GRUNDsatz habe ich eben formuliert. Skizziert. Ich muß ihn abklopfen und dann sauber fassen, bevor ich ihn einstellen kann. Aber es fügt sich vieles, fügt sich vieles aus den Elegien, aus Der Dschungel, aus den Romanen zu diesem Satz zusammen.

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