Arbeitsjournal. Mittwoch, der 28. Mai 2008.

5.26 Uhr:
[Arbeitswohnung. Michael Mantler, Songs and one Sympony.]
Morgenzigarette und latte macchiato, noch etwas müde heute, weil ich gestern abend dann noch bis 24 Uhr mit dem Profi in >>>> der Bar gesessen habe und mir von den Delphinen erzählen ließ, die gern in Gruppen unterm Bug des Segelbootes durchtauchen, dann springen, solch ein Boot ein Viertelstündchen begleiten, mit ihm spielen und dann plötzlich davonfliegen; vom Gebot des Skippers, man dürfe nicht von Bord pinkeln, egal ob nun mit oder gegen den Wind (spuckst du nach Lee, geht’s in die See, spuckst du nach Luv, kummt’s wieder ruuf) und schon gar nicht von Bord springen, wie warm es auch sei – aber dazu habe ohnedies keiner die rechte Lust gehabt, weil sie durch Tausende >>>> portugiesischer Galeeren gesegelt seien; von den Walen, die sie trafen und wie sie fast einen gerammt; von Seglern, die „aber auch j e d e n Schein“ haben, einiges besserwissen als andere, aber ohne Erfahrung das Falsche tun, von langen Flauten, die man durchmotorn mußte; früher hätt man Jollen vorgespannt und wäre weitergepullt… von vieler guter Küche an Bord, auch wenn der Skipper ein strenges Regiment geführt und jedem Alkohol schon v o r dem Ablegen Bordverbot erteilt habe – was nicht unklug gewesen, denn zu sechst hätten sie die ganze Tour Wache gefahren: jeder vier Stunden, dann sechs Stunden Schlaf und Freizeit, dann wieder vier Stunden Wache und so alle acht Tage auf dem Atlantik bis Lissabon; die Crew war erst noch zwei Tage von den Ost-Azoren zu den Westazoren gekreuzt. „Und was war bei Dir?“
Ich hatte ihm das neue >>>> MEERE und eine CD-Kopie von >>>> UND ALSO ES GESCHAH mitgebracht, die er dann gleich auf der Heimfahrt im Auto hören wollte.
Auch >>>> Findeiss war da, dessen >>>> made in the dark unterdessen 3701mal gelesen ist Wir sehen uns immer kurz an, lächeln, begrüßen uns; das war’s dann immer auch schon. Zu einem Austausch kommt es dann immer erst in Der Dschungel; meist bekomme ich nach unseren Begegnungen spätnachts eine Mail von ihm, auch heute wieder, auf die ich so gut wie immer nur so reagiere: „Stell es ein.“ Also werden Sie später auch wieder einen neuen Findeiss lesen können.
Ansonsten, man glaubt mir >>>> Malos nicht, also Der Dschungel nicht, sondern hält ihn für einen Verbeen des BDSM. Was hab ich >>>> mit Malos zu schaffen? könnt ich nun sagen, auch >>>> Cellini, die mir Malos’ wegen eine Mail schrieb. Ich m a g aber nichts sagen; allenfalls könnte ich ihn bitten, seine Beiträge doch durchzunummerieren, wie ich selbst das bei zusammegehörenden Themenkomplexen oft tue; aber das widerstrebte dann wieder einem Tagebuch… Ich könnt ihn auch bitten, sich zu mäßigen, denn ich fürchte, er habe das Gegenteil vor… und ich könnte ihn natürlich für Die Dschungel auch wieder sperren, schon gar als Contributor. Das aber wäre inkonsequent, nachdem ich mich einmal darauf eingelassen. Egal.

BAMBERGER ELEGIEN ff. Ein wieder einmal kluger >>>> Kommentar der Hundertköpfigen traf ein, las ich nach meiner Heimkehr gegen 0.45 Uhr; schon vortags >>>> hatte sie zu UND ALSO ES GESCHAH geschrieben, nicht ohne Kritik in dort verlinktem anderen Zusammenhang, der aber seelisch auch mit diesem verlinkt ist. Ebenso zu UND ALSO ES GESCHAH erhielt ich von >>>> Fritzpunkt Wien einen ganz wunderschönen Brief, den ich eitlerweise >>>> zur Produktion als Kommentar einstellen werde, sowie meine Antwort darauf, die sich eben des „eitlerweise“s annimmt, eitlerweise ironisch; das laß ich mir nicht nehmen.

BAMBERGER ELEGIEN, Zweite Elegie ff also gleich. Von acht bis neun ans Cello; um halb elf muß ich bei meiner Lehrerin in Charlottenburg sein; den Unterricht bekomm ich diesmal dort, und zwar, weil… ah, das tut schon im Vorfeld weh. Sie rief an letzte Woche: „Ich habe ein Cello für Sie.“ Da war ich erstmal baff. Ein nicht unbekannter Berliner Cellist habe es ihr gegeben, weil er es veräußern wolle… vielleicht, daß einer ihrer Schüler… „Es ist ein wunderbares Instrument.“ „Ich habe überhaupt kein Geld, besser, ich seh es erst gar nicht.“ „Doch, sehen Sie es sich an.“ „Außerdem ist das zu früh, viel zu früh…“, ich rang geradezu, „ich hab doch grad erst begonnen, ich weiß doch nicht, ob das überhaupt sinnvoll ist, ob ich tauge oder ob Sie mir nicht in einem Jahre raten: Lassen Sie es doch besser sein…“ „Kommen Sie einfach her, Sie sollten es sehen.“ Und dann sagte sie, Frauen haben einen solchen Instinkt!, den entscheidenden Satz: „Es ist ein richtiges Männer-Cello.“
Also fahr ich nachher hin, mein Leihcello auf dem Rücken und mein Gegrummel im Bauch, weil es nach wie vor nicht richtig klappt, daß ich mich an metronomische Vorgaben halte; dabei habe ich eine Woche lang nichts anderes getan, als einfachste Stücke zum Metronom durchzuspielen. Irgendwann läuft ihm mein inneres Tempo immer davon; ich werde prinzipiell schneller.

Und die Fahnen der >>>> HEIDELBERGER VORLESUNGEN warten. Ich muß da dringend ran. Vielleicht fahr ich allein deshalb nachher nicht mit dem Rad, sondern mit der U-Bahn, weil ich dann fahrend korrigieren kann.

15.31 Uhr:
Wie ein Stein zu Mittag geschlafen, nahezu ohne Bewußtsein. Zum ersten Mal im Leben, bei der Cello-Lehrerin, Duo zum Klavier gespielt; d a s war ein Glück! Eine wunderschöne kleine Radtour dahin, durch Alt-Moabit und Alt-Lietzow über die Spree, durch die bürgerlichen Straßen dann, ruhig, sonnig, rechter Hand Charlottenburgs Schloß. Auf dem Rückweg bei „meinem“ Spanier, der gleich hinterm Hamburger Bahnhof, meinem nicht realitvierbaren Lieblingsmuseum, einen unfaßbar preiswerten Mittelmeer-Großmarkt betreibt, ein frische Flunder und eine frische Dorade fürs Abendessen besorgt, zusammen über 1,5 Kilogramm für 12 Euro 20; diese wird gegrillt, jene gebacken werden. Und jetzt die Elegie, dabei die Füße, um sie zu pflegen, im Ölbad.

Gestern kam >>>> Benjamin Steins Ein anderes Blau hier bei mir an; in der Bar las ich die ersten 28 Seiten: eine ganz ruhige, nach innen gerichtete Prosa, deren Unaufgeregtheit manchen Satz leise in einem haften läßt: Das regt mich wahnsinnig auf. Vielleicht nur, weil sie meine Mutter ist, und ich weiss, dass er heimlich die Augen öffnet, während sie ihn küsst. Das ist aus der Perspektive einer jungen Frau geschrieben (in diesem speziellen Kapitel) und insofern ganz wahr und >>>> dem pornografischen Blick, den i c h sehr schätze, unhold (bei Frauen schätze, bei mir kann ich ihn ja nur im Foto sehen, nie lebendig). „Zeig mir“: der Männersatz-an-sich.

Den Tag mit Free Jazz zu beginnen (Mantler, Bley), ist etwas völlig anderes, als ihn mit Britten und Bach zu beginnen; die Aufladung ist eine andere.

22.43 Uhr:
[Am Terrarium. Gavin Bryars, Erstes Streichquartett.]
Mein Junge ist krank, knapp unter 40 ° Fieber, Oberarmwickel, das Fieber ging runter, aber wenn er aufwacht, übergibt er sich. Die Mama wacht nun an seinem Bett auf der Nebencouch, ich tu noch ein wenig was.

An eine Leserin, die immer wieder mit kleineren Beträgen mäzenatisch hilft, einen >>>> Brief wegen des Cellos geschrieben. Ihr verdanke ich den Tip zu Gavin Bryars, dessen Streichquartett mir ganz gut gefällt, während ich das Cellokonzert nicht mochte, so aufgemotzt war mir die Harmonie-Seligkeit. „Was ist Kitsch? – Die Abwesenheit von Scheiße.“ Ich glaube, der Satz stammt von Luciano di Crescenzo, bin mir aber nicht sicher. Sie spielte allen Ernstes mit dem Gedanken, das Cello für mich zu kaufen. Ich solle nicht nachdenken, schrieb sie. Aber ich dachte nach, und das ist richtig. Mein Junge ist krank, knapp unter 40 ° Fieber, Oberarmwickel, das Fieber ging runter, aber wenn er aufwacht, übergibt er sich.

Welch wundervoller >>>> Eintrag Cellinis heute, übrigens.

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