Vicomte de Bonald, Mao, und “Die Wandlung” . Paul Reichenbachs Freitag, der 2. November 2007.

Wo der Besen nicht hinkommt,
wird der Staub nicht von selbst verschwinden. ( Mao)

Die Revolution…ist nichts
als die Anstrengung, die eine Gesellschaft unternimmt,
um zur Ordnung zurückzukehren.“
(Louis-Gabriel-Ambroise Vicomte de Bonald.)

Das eigentlich Interessante an der Kontroverse in die der Schriftsteller Martin Mosebach hineingeraten ist, sind die wortgewaltigen Nebelkerzen, die die Kontrahenten von der Bühne ins Parkett werfen. Beide Seiten glauben an die Macht der Worte und haben dabei im Kopf, dass die Zuschauer eh ein solcher Bildungsmangel auszeichnet, der sie nur auf Reizworte reagieren lässt. Eine Nebelkerze verbreitet >>>Furcht vor einem Geschichtsrevisionismus und eine andere setzt den >>>Rauch der Vendée ihr entgegen. tolerantia et patientia, das nötige Geschwisterpaar um Gesellschaft und Staat im anständigen Gleichgewicht zu halten, scheinen wenn es um die Höhen der Kunst oder um die Niederungen der Geschichte geht, wie nicht existent. Dabei hätten die Streitenden, die anerkanntermaßen über Bildung und Gedächtnis verfügen, im Theaterfundus ein altes Programmheft finden können, das unter Mitwirkung von Karl J a s p e r s, Werner K r a u s s und Alfred W e b e r von Dolf S t e r n b e r g e r herausgegeben wurde. Die Rede ist von der Zeitschrift >>>> „Die Wandlung“.
Verlegt von Lambert Schneider in Heidelberg. 1947 schreibt dort Dolf Sternberger in einem fulminanten Artikel mit dem Titel: „Toleranz als Leidenschaft für die Wahrheit“ folgendes: ….Und weil wir Menschen so diskret beschaffen und als Personen geschaffen sind, weil wir so deutlich von einander unterschieden, einander Nachbarn und Fremdlinge zugleich sind, einander verstehen und missverstehen in einem, weil wir in Sympathie und Antipathie, in Neigung und Abneigung, und beides auf leidenschaftliche Weise, uns zueinander und widereinander verhalten wollen, darum bedarf es der Duldung und der Duldsamkeit, darum ist uns Toleranz ebenso angemessen wie verordnet, ebenso nötig wie möglich. Toleranz nicht allein des Nutzens wegen, den die Verträglichkeit und das Geltenlassen mit sich bringen, sondern der Wahrheit wegen: denn die Wahrheit ist wirklich in der Welt verteilt und verstreut und freilich mit dem Irrtum vermischt, und ich habe immer gefunden, dass die banale Redensart, „an allem sei etwas Wahres“ einen tiefen Sinn, einen Tiefsinn, enthält. Ohne die Bereitschaft zur Duldung vermögen wir die Wahrheit aus ihrer Zerstreuung nicht aufzusammeln.

Es ist für die Zukunft der Gesellschaft, die einmal Geschichte sein wird, nicht entscheidend, ob einer seine Wahrheit mit >>>Bonald oder bei Mao findet. Wichtig scheint mir, und ein weiter Blick zurück in Zeiten vor der Französischen Revolution sei gestattet, dass jeder mindesten sonntags ein Hühnchen im Topf und den Geist des Edikts von Nantes, den Geist der Toleranz, im Herzen und Kopf hat.
Vive Henri IV. Vive le roi.

4 thoughts on “Vicomte de Bonald, Mao, und “Die Wandlung” . Paul Reichenbachs Freitag, der 2. November 2007.

  1. Nebelkerzen… Die von Ihnen so treffend ins Bild gesetzte Diskussion treibt mir auf Anhieb das Wasser in die Augen, wobei ich nicht weiß, ob es der beißende Qualm der Kerzen ist, der meinen Blick feucht werden lässt, oder Ihr Verweis auf die Tatsache, dass es ‘Toleranz’ – man staune – durchaus auch in voraufklärerischen Zeiten gegeben hat. Von Herzen stimme ich also in Ihren Hochruf ein und erlaube mir – nun heftiger zwinkernd – Ihrem Beitrag mit folgendem link beizupflichten…

    1. Danke Wallhalladada ! Ich hoffe ihre Augen begunnen zu tropfen, wenn Heines Komet am Kyffhäuser leuchtet.

      …..
      Der Kaiser blieb plötzlich stillestehn,
      Und sah mich an mit den stieren
      Augen und sprach: »Um Gottes will’n,
      Was ist das, guillotinieren!«

      »Das Guillotinieren« – erklärte ich ihm
      »Ist eine neue Methode,
      Womit man die Leute jeglichen Stands
      Vom Leben bringt zu Tode.

      Bei dieser Methode bedient man sich
      Auch einer neuen Maschine,
      Die hat erfunden Herr Guillotin,
      Drum nennt man sie Guillotine.

      Du wirst hier an ein Brett geschnallt; –
      Das senkt sich; – du wirst geschoben
      Geschwinde zwischen zwei Pfosten; – es hängt
      Ein dreieckig Beil ganz oben; –

      Man zieht eine Schnur, dann schießt herab
      Das Beil, ganz lustig und munter; –
      Bei dieser Gelegenheit fällt dein Kopf
      In einen Sack hinunter.«

      Der Kaiser fiel mir in die Red’:
      »Schweig still, von deiner Maschine
      Will ich nichts wissen, Gott bewahr’,
      Daß ich mich ihrer bediene!

      Der König und die Königin!
      Geschnallt! an einem Brette!
      Das ist ja gegen allen Respekt
      Und alle Etikette!

      Und du, wer bist du, daß du es wagst,
      Mich so vertraulich zu duzen?
      Warte, du Bürschchen, ich werde dir schon
      Die kecken Flügel stutzen!

      Es regt mir die innerste Galle auf,
      Wenn ich dich höre sprechen,
      Dein Odem schon ist Hochverrat
      Und Majestätsverbrechen!«

      Als solchermaßen in Eifer geriet
      Der Alte und sonder Schranken
      Und Schonung mich anschnob, da platzten heraus
      Auch mir die geheimsten Gedanken.

      »Herr Rotbart« – rief ich laut -, »du bist
      Ein altes Fabelwesen,
      Geh, leg dich schlafen, wir werden uns
      Auch ohne dich erlösen.

      Die Republikaner lachen uns aus,
      Sehn sie an unserer Spitze
      So ein Gespenst mit Zepter und Kron’;
      Sie rissen schlechte Witze.

      Auch deine Fahne gefällt mir nicht mehr,
      Die altdeutschen Narren verdarben
      Mir schon in der Burschenschaft die Lust
      An den schwarzrotgoldnen Farben.

      Das beste wäre, du bliebest zu Haus,
      Hier in dem alten Kyffhäuser –
      Bedenk ich die Sache ganz genau,
      So brauchen wir gar keinen Kaiser.«
      ….

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