Paul Reichenbachs Dienstag, der 6, Februar 2007. Ohne Pauken und Trompeten.

Ausgeruht, aber ohne Antrieb, wachte ich am Morgen auf. Kurzzeitig überlegte ich, ob ich zur Arbeit gehe. Der Protestant in mir half dann über die Anfechtung hinweg und ich fuhr ins Büro. Eine Sekretärin bringt die FAZ, nicht meine Sekretärin, ich habe keine mehr, muss also alles selbst tippen, wegen Anselm Kiefer, dessen „Jericho“ heute im Feuilleton abgebildet ist. Die Frau ist aufmerksam, dachte ich, als sie mir das Blatt auf den Schreibtisch legt. Seit Jahren, nachdem wir uns einmal in zufällig in der Schirn begegneten, unterhalten wir uns öfter über neuere Kunst. Sehr sensibel und von einer erfrischenden heiteren Ehrlichkeit sind ihre Urteile. Zu >>Jonathan Meese z.B. meinte sie: Seine Installationen sind in den siebziger Jahren stecken geblieben; irgendwie WG-schmuddelig. Ich teile zwar ihr Urteil nicht, konnte es aber gut nachempfinden. Kiefers Gigantomanie bewundert sie.
Sehen sie sich mal die Türme an, da hört man, obwohl sie nicht zu sehen sind, die apokalyptischen Posaunen dröhnen.Und das alles mitten im Geburtskanal des Kapitalismus, in London ! Solche biologisierenden Vergleiche, fallen ihr oft ein, wenn wir über Kunst sprechen. Phallisch die Türme, zum Sturz verdammt.Für einen Moment muss ich unbewusst auf ihren, vom Rock verborgenen, Schoß gestarrt haben. Stille, – es waren sicher nur Sekunden, mir schienen sie wie Stunden, – breitete sich aus. Verlegenheit. Zartes Rosa. Ich geh dann mal, sagt sie, öffnet langsam meinen „heiligen Eingang“, jeden direkten Blickkontakt vermeidend. Winkt unsicher mit der Linken, und schließt hinter sich sanft und leise die Tür.Danke , rufe ich ihr nach. Meine Stimme klingt heiser.

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