17.32
Als Fahrschüler wünschte ich mir seinerzeit immer, daß das Fahren nie zu einem Ziel kommen solle. Ich wollte einfach nicht ankommen, wo ich ankommen sollte. Das Fahren selbst war mir Zweck genug: hier durch den Wald, dann der eine Bahnhof, dann Felder, und wieder weiter und ein weiterer Bahnhof. Ein- und Aussteigen hieß: den Zustand verändern, nicht mehr stetes Sein, sondern Türen öffnen, Türen schließen, Schwellen überschreiten, andere Zustände betreten und bisherige Zustände verlassen. Ist das nun eine Art Trägheitsgesetz? Wie in der Physik? Scheinbar ja: „Gesetz, nach dem jeder Körper im Zustand der Ruhe oder in einer gleichförmigen Bewegung verharrt, solange keine äußere Kraft auf ihn einwirkt.“ Heute meine ich, dahinter auch etwas Hierarchisches zu sehen: die Schwellen zwischen den Zuständen sind unterschiedlich hoch. Seit Tagen schon drängt mich meine Frau, wir sollten uns einmal in unseren Absichten erklären, obwohl wir es dennoch schon taten. Aber sie meint natürlich ein Endgültiges. Die Schwelle ist sehr hoch, fast unübersteigbar, auch aus (ökonomischen) Gründen, die ich bereits dargelegt habe. So daß vorerst dasjenige nolens volens zu ertragen ist, was man einst „friedliche Koexistenz“ nannte. Was derzeit zu funktionieren scheint. Auch sie hat wohl ein bißchen Angst davor. Aber um auf das Hierarchische zurückzukommen: Stattdessen überschritt ich mal wieder eine niedrigere Schwelle (es passiert so oft nicht): ich zog mir nach dem Mittagessen Schuhe und Jacke an und ging mit dem Hund spazieren, was ich vielleicht sonst nicht gemacht hätte. Einmal unterwegs dieses Gefühl wieder, es (= mich) so unter dem blauen Himmel fortgehen zu lassen, den weiten Horizont vor mir mit dem sechzig Kilometer entfernten schneebedeckten Terminillo überdeutlich in der vom Wind klargefegten Luft, umgeben vom lichten Tag, am Grunde des Meeres aus Licht. – Dennoch, es nagt an mir, weil ich weiß, daß es sein muß, und müßt’ ich alle „ß“ dieser Welt ins Muß-Meer gießen, damit es überfließt und -schießt. Holland in Not! Wo sind die Knabenfinger, das Loch im Deich zu schließen? Ach, ich vergaß: Puer non sum.