4.35 Uhr:
[V o r dem DTs, vor Musik und jetzt, nach 12 Zeilen, mit Filterkaffee – direkt aus dem Traum heraus:]
Diese >>>> inhumanen, weil anonym gefürhten Vorwürfe gehen mir nach. Und selbst im Traum reagiere ich mit Öffentlichkeit, m a c h e ich öffentlich. Und selbst dabei wird korrigiert: Einladung bei Maischberger, die mein Traum „Petra Maischberger“ nennt, worauf eine Richtigstellung in „Sandra Maischberger“ erfolgt. Und eine lange Diskussion wird geführt, auch und gerade >>>> um die Darstellbarkeit von Sexualität und sexuellen Bedürfnissen. Es scheint „anonym“ unbegreifbar zu sein, daß es Menschen gibt, die ein Bedürfnis nach Übertretung haben, daß das zu ihrer innersten Sexualität gehört, die wiederum von Traumata ebenso geprägt ist wie von ‚natürlichen’ Gefühlen des Suchens nach Wärme – und daß das sehr wohl zusammengeht. Was ich die anthropologische Kehre nenne – was eine Bezeichnung, eine Eröffnung meint über das Wesen von Menschen und nicht etwa einen neuen Inhalt, >>>> eine Veränderung dieses Wesens -, wird in meinem verbotenen Buch und anderen, ähnlichen Büchern offenbar: Wir stehen zu uns und zu unseren Spielarten und zu unseren Geworfenheiten und „Nein“ rufen wir stolz aus: „Nein, wir lassen uns nicht länger zwingen, uns zu verschweigen!“ Was eben n i c h t bedeutet, Privatpersonen öffentlich zu machen, sondern anhand von Romanfiguren (oder Autoren -!- erotischer Weblogs), in die wir uns und die Träger unserer Leidenschaften projezieren, confessiones zu verfassen und das nicht-anonym, sondern mit unseren Namen zu tun – ganz so, wie seinerzeit der $ 218 letztlich nur dadurch zu Fall gebracht werden konnte, indem sich sehr viele Personen des Öffentlichen Interesses zu seinem Bruch bekannten und quasi Selbstanzeige betrieben.
Daß „anonym“ schreibt, würden einem Sohn eines Tages die leidenschaftlichen Handlungen seiner Eltern bekannt, also wie „verworfen“ sie im Inneren seien, dann werde er vor den Eltern die Achtung und vielleicht sogar seine Liebe zu ihnen verlieren, zeigt nur, welch eine Verklemmung in „anonym“ und einem Teil der Öffentlichkeit wirkt, die mich für das verbotene Buch derart sanktioniert, daß man mich am liebsten „aus dem Literaturbetrieb“ entfernen möchte. So immerhin der Sinn des letzten Satzes auf der verlinkten Stelle. Früher hätte man einfach „Sie Schwein!“ ausgerufen, damit wäre die Sache erledigt gewesen – für beide Teile übrigens, weil es mir ja eigentlich egal sein kann, welch eine Meinung sich anonym bleibende Personen über meine moralische Befindlichkeiten machen; nun aber wird das – aus der Anonymität – als justiziabel gehandelt und so getan, als wäre man selbst Partei des Prozesses. Das ist der eigentliche mir durch ihn entstandene Schaden: Es kühlt sich >>>> im hinterhältigen Gemeinen das Mütchen, wer das im Dritten Reich aus dynamisch ganz derselben Anonymität ganz ebenso getan hätte – da freilich mit seinen Nachbarn, wenn die ihn störten (vielleicht stöhnten sie beim Beischlaf zu laut).
Und noch einen – gravierenden – Unterschied will oder – wahrscheinlicher: – kann „anonym“ nicht begreifen: daß ich, wenn ich literarisch s p i e l e, wenn Polemiken unpersönlich geführt werden und wenn es um poetische Erkenntnis geht, so viel mit Pseudonymen wirken kann, wie ich nur will – und jeder andere kann das auch. Das ist keine moralische, sondern eine Frage des intellektuellen charmanten Tanzens. Wo ich hingegen persönlich angreife, wo ich öffentlich persönlich verurteile, da habe ich das mit meinem N a m e n und Gesicht zu tun. Unter ‚Name’ wiederum ist genau das zu verstehen, worunter jemand bekannt und erreichbar ist; das muß nicht ihr/sein bürgerlicher Name sein, sondern muß eben der sein, als den sie/ihn ihr/ihm privat Unbekannte öffentlich ansprechen würden.
[Ich sehe gerade, >>>> der „anonyme“ hat n o c h einmal kommentiert und unterschiebt indirekt, in anderen Zeiten hätte er Angst vor einem „v. Ribbentrop“ – also vor mir – haben müssen – offenbar geht es also d a r u m, daß ich mit meinem Geburtsnamen so heiße. Ich werde darauf – und auf weitere Kommentare dieses gehässigen, wahrscheinlich auch psychisch behinderten Menschen nicht mehr reagieren. Aber muß – fällt mir soeben auf, und damit beschließe ich den heutigen MorgenEintrag ins DschungelTagebuch – ihm nun möglicherweise dankbar sein, weil sie/er mich zwang, die wirkenden Verhältnisse einmal mehr und n o c h deutlicher zu fassen, also immer und immer genauer zu werden.]
9.59 Uhr:
[Maderna, Zweites Oboenkonzert.]
Kann mich absolut nicht konzentrieren; denke ständig an ***, daß da möglicherweise ein anderer ist, mit dem sie sich gestern abend noch traf und was sie dann getan haben mögen; der Kleine ‚steckte’ mir, wer das sei… Blöder Stachel in meiner Seele! Denn imgrunde ist das alles ganz logisch, ja nur natürlich; daß i c h jetzt abstinent bin, ist ja wirklich m e i n e Sache und letztlich sowas von grundlos… aber ich denke und denke, und Literatur als Sublimation funktioniert bei mir nicht, hat n i e funktioniert (schon deshalb kann sie bei mir keine therapeutische Funktion übernehmen), sondern sie ist Katalysator, Ergänzung, Verstärkung: L e b e ich intensiv, dann schreib ich auch so; muß ich aber ‚aushalten’ und mich um meinen Schmerz oder meine (fantasierten) Ängste zusammenkrümmen, dann versiegen mir die Einfälle, und ich hab kaum mehr die Kraft zu formulieren; dann stellt sich alles eben nur aufs Aushalten ein, eine Art Duldungsstarre Abwarten nur sich nicht regen. Ich werd deshalb gleich laufen: Sport ist immer noch eines der besten AntiDepressiva, die es gibt.
Ich bin mir dessen völlig bewußt, daß die gestrigen hämisch-anonymen Invektiven an meinem Zustand einigen Anteil haben. Ohne die wäre ich mit der Situation sehr viel besser zurechtgekommen. Jetzt muß ich da irgendwie durch, denn es ist ja ganz klar, daß es Leuten wie „anonym“ darum geht, mich daran zu hindern, das Riesenwerk ARGO fertigzubekommen. Daran darf mich auch eigene Trauer nicht hindern; sprich: ich lasse mir auch von mir selbst nicht drohen und mich nicht von mir selbst aus der künstlerischen Bahn werfen. Daß das alles sehr schmerzhaft ist, ist eigentlich ebenfalls klar.
(Völlig absurd, daß ich eifersüchtig werde, wenn ich – da gar nicht in einer realisierten Beziehung – keinen Grund dafür habe; daß ich aber i n Beziehungen n i e eifersüchtig gewesen bin. Was bedeutet das psychodynamisch? Was bedeutet es beziehungstheoretisch? Was geht dabei in einem vor? – Laufen. Nachdenken.)
Ist nicht so kompliziert, das mit der Eifersucht, glaube ich: Wenn man sich SO RICHTIG geliebt fühlt, ist man kaum anfällig für Eifersucht. Ist man sich der Liebe des anderen aber nicht sicher, passiert das schnell mal, dass man mit Eifer sucht usw. Jemanden lieben und sich nicht ganz sicher sein, ob dieses Gefühl erwidert wird, kann einem natürlich innerhalb und außerhalb einer Beziehung passieren. Ihnen passiert das offenbar gerade „außerhalb“. Und „innerhalb“ haben Sie evtl. bisher vor allem erfahren, gleichfalls geliebt zu werden.
Grüße, sthp.
? Und eine lange Diskussion wird geführt, auch und gerade >>>> um die Darstellbarkeit von Sexualität und sexuellen Bedürfnissen. Es scheint „anonym“ unbegreifbar zu sein, daß es Menschen gibt, die ein Bedürfnis nach Übertretung haben, daß das zu ihrer innersten Sexualität gehört, die wiederum von Traumata ebenso geprägt ist wie von ‚natürlichen’ Gefühlen des Suchens nach Wärme – und daß das sehr wohl zusammengeht.